Der offizielle Agatha-Christie-Thread

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Yuki
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Re: Der offizielle Agatha-Christie-Thread

Beitrag von Yuki » Do 30. Mär 2023, 16:07

Winnetou hab ich jetzt alles schon einmal in der ungekürzesten Version im Archiv am Lagern seit der Schreckensankündigung :lol: .

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Re: Der offizielle Agatha-Christie-Thread

Beitrag von Nahaufnahme » Do 30. Mär 2023, 21:31

Stört Euch das wirklich so sehr? Lest Ihr das überhaupt noch selbst? Agatha Christie, Ian Fleming oder Karl May? Glaubt Ihr Spulios Kinder kümmert das nur eine Sekunde, wenn die das mit 10, 11, oder 12 lesen sollten, was da vor Jahren sprachlich ersetzt wurde? Die sind doch jetzt schon klüger als ihr alter Herr. Ich rege mich auch immer wieder über scheinbar Überflüssiges auf, aber Sprache wandelt sich ständig. Es wäre übrigens auch schön, wenn man nicht mehr Holland sagt, wenn man die Niederlande meint - das ist Trägheit (und passiert mir bei anderen Begriffen ebenfalls, z.B. abscheuliche Anglizismen), allgemein bekannt Falsches nicht richtig machen zu wollen.

Aber wenn ich damit leben kann, dass mich 40-Jährige (!) mit "Bro" ansprechen, dann haltet mal die Luft an. Ich bin z.B. sicher, dass Karl May (nie gelesen, aber so wie ich ihn per Dokus verstanden habe) und Astrid Lindgren die Veränderungen selbst vorgenommen hätten, wenn sie die Entwicklung mitbekommen hätten. Warum sollen eigentlich Roma und Sinti oder Homosexuelle, Schwarze, Behinderte, Frauen usw. bis in alle Ewigkeit in alter Literatur degradiert bleiben - die stören sich doch mehrheitlich nicht an den Veränderungen anders als die hier anwesenden Herren der Mehrheitsgesellschaft, die schon beim Begriff "weiße alte Männer" rot sehen und daher sensibilisierter sein müssten ;) . Dass Bücher aus den Bibliotheken der USA verschwinden, weil sie u.a. die Geschichten der verfolgten Minderheiten erzählen, Literatur der Aufklärung in anderen Ländern komplett verboten wird, ist das eigentliche Drama. Dort spielt es keine Rolle mehr, ob gewisse Wörter ersetzt oder der historische Kontext im Vor- oder Nachwort erklärt wird. Wir halten uns hier bei diesem Thema mit Kleinkram auf.
Zuletzt geändert von Nahaufnahme am Do 30. Mär 2023, 21:35, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Der offizielle Agatha-Christie-Thread

Beitrag von Thorsten Hanisch » Do 30. Mär 2023, 21:35

Nahaufnahme hat geschrieben:
Do 30. Mär 2023, 21:31
Die sind doch jetzt schon klüger als ihr alter Herr.
:D
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Re: Der offizielle Agatha-Christie-Thread

Beitrag von Yuki » Do 30. Mär 2023, 21:57

Ich reg mich ja nicht auf, ich formuliere nur die für mich schönere Lösung für das Problem :D .

Und ich find das schon schwierig. Wenn man jetzt aus allen alten Texten die fragwürdigen Begriffe streicht, ist das doch auch ein bisschen so, als ob es diese Zeit, in der diese Begriffe mal salonfähig waren, nicht gegeben hätte. Also das geht mir schon Richtung Geschichtsfäschlung oder -leugnung. Wie gesagt, habe ich auch nix gegen neue, überarbeitete Fassung, solange es den "O-Ton" auch noch als historisches Dokument zu kriegen gibt und man bei den editierten Fassung vorgewarnt wird. Ob Agatha Christie ihren ausländischen Figuren jedes inzwischen stereotype Klischee wegzensieren würde, halte ich z.B. auch für fragwürdig. Wenn es jetzt nur eins oder zwei Wörter, die z.B. eine Völkergruppe beschreiben, sind - dann von mir aus, aber bei diesen Neufassungen klingt alles nach viel schlimmeren Eingriffen. Und ja, ich les das schon noch selbst manchmal :mrgreen: .

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Re: Der offizielle Agatha-Christie-Thread

Beitrag von Thorsten Hanisch » Do 30. Mär 2023, 22:33

Yuki hat geschrieben:
Do 30. Mär 2023, 21:57
Also das geht mir schon Richtung Geschichtsfäschlung oder -leugnung.
This.

Frag mich auch, wieso immer nur bei der Literatur so vorgegangen wird. In den Museen steht jede Menge nach heutigen Maßstäben Anstößíges - kommt aber irgendwie trotzdem keiner auf die Idee, die Bilder zu überarbeiten.
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Re: Der offizielle Agatha-Christie-Thread

Beitrag von Savior » Do 30. Mär 2023, 22:40

Nahaufnahme hat geschrieben:
Do 30. Mär 2023, 21:31
[...] Es wäre übrigens auch schön, wenn man nicht mehr Holland sagt, wenn man die Niederlande meint [...]
Mit der Aktion machste dich übrigens bei jedem Holländer unbeliebt.

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Re: Der offizielle Agatha-Christie-Thread

Beitrag von Nahaufnahme » Do 30. Mär 2023, 23:21

Savior hat geschrieben:
Do 30. Mär 2023, 22:40
Mit der Aktion machste dich übrigens bei jedem Holländer unbeliebt.
Holland bezeichne ich aber als Holland, so wie Bayern eben Bayern ist und vielleicht weniger Deutschland sein möchte - daran versuche ich zu denken.


Noch vergessen zu erwähnen: dass die Konservativen die Sprachkorrekturen immer wieder kritisieren und die kAfD da besonders mitmischt, wie in den USA die Querublikaner ist doch auch nicht zufällig: Faschismus lebt u.a. von der Dämonisierung der Sündenböcke, das geifernde Pack wartet nur darauf, alles wieder verbal ungehindert so raus zu lassen, wie es früher ins Konzept von Verfolgung passte.

Außerdem:
Yuki hat geschrieben:
Do 30. Mär 2023, 07:34
Lieber ein Vorwort im Buch platzieren und das eben in den zeitlichen Kontext einordnen, also da rumzuschnippeln.
Das habe ich früher auch gedacht, ebenfalls für Filme, 5 oder 10 Minuten vor Gone With The Wind erklärende Hinweise: finde ich richtig. Ich fand, Menschen von heute sollen es selbst sehen, wie abwertend Schwarze von gönnerhaften Weißen inszeniert wurden. Inzwischen denke ich, das reicht nicht, es bleibt Gift. Du hast Dich gerade mit D.W. Griffiths den Native Americans gegenüber auffallend ausgleichenden Western beschäftigt und gefragt:
Yuki hat geschrieben:
Di 28. Mär 2023, 15:26
[1915 folgte von D.W. Griffith dann sein berühmt-berüchtigter THE BIRTH OF A NATION. Was ist mit dem Typen plötzlich passiert?
Ich weiß es nicht, obwohl ich nach einer Antwort gesucht habe, ist das ein Geheimnis oder habe ich etwas übersehen? Man könnte beide Filme, Gone With The Wind und The Birth of a Nation für immer in Filmmuseen ruhen lassen, weniger reflektierenden Fernsehzuschauern sind diese Machwerke einfach nicht mehr zuzumuten, da sich zu vieles rückwärts zu entwickeln scheint und die Kritik daran von den Profiteuren der Unterdrückung bis zur Unkenntlichkeit verwässert wird (siehe Florida).
Yuki hat geschrieben:
Do 30. Mär 2023, 21:57
Wenn man jetzt aus allen alten Texten die fragwürdigen Begriffe streicht, ist das doch auch ein bisschen so, als ob es diese Zeit, in der diese Begriffe mal salonfähig waren, nicht gegeben hätte. Also das geht mir schon Richtung Geschichtsfäschlung oder -leugnung.
Wir haben längst Geschichtsfälschungen, Leugnung von historischen Fakten. Das fing aber nicht mit salonfähigeren Ausdrücken für Minderheiten an, sondern mit dem, was ich als Unterdrückung von unbequemen Wahrheiten wahr nehme, das wird in den USA immer deutlicher und wurde in China längst vollendet.

Alte Texte wurden in Bücher sowieso alle paar Dekaden modernisiert, außer Linguisten liest doch niemand mehr etwas in Alt-oder Mittelhochdeutsch (sofern korrekt überliefert, da im Original nichts gedruckt werden konnte), mit sprachlichem Wandel kommt gar keine inhaltliche Veränderung - sie wird einem bloß von denen eingeredet, die sie dagegen tatsächlich durchziehen oder es beabsichtigen. Das muss Dir doch suspekt sein, wer sich da von den üblichen Verdächtigen in öffentlichen Diskussionen entsprechend positioniert.

Bei den erwähnten Büchern bin ich dafür, ein Vorwort mit Kontext anzufügen und außerdem die Korrekturen vorzunehmen, die im Vorwort erklärt werden sollten. Krass wie eine Schachtel Zigaretten mit Schockbildern und Warnhinweisen.
Yuki hat geschrieben:
Do 30. Mär 2023, 07:34
aber bei diesen Neufassungen klingt alles nach viel schlimmeren Eingriffen.
D.h. es erreicht Dich nicht. Muss es das überhaupt, wenn Du die Bücher im Original gelesen hast? Die nachfolgenden Generationen sind die Zielgruppe. Außerdem erinnert es mich an die Diskussion um die Reform der neuen Deutschen Rechtschreibung in den späten 1990ern.
Kaum waren die neuen Wörterbücher im Sommer 1996 gedruckt, da begann der Sturm gegen die Reform: Auf der Frankfurter Buchmesse unterzeichneten im selben Jahr 100 Schriftsteller und Wissenschaftler eine Erklärung, in der sie einen Stopp der Reform forderten.
"Ich möchte heute kein Kind sein, das lernt, oder ein Lehrer sein, der lehrt", sagte Reich-Ranicki. Da die neue Rechtschreibung nicht akzeptabel sei, müsse sie überarbeitet werden.
(...)
Außerdem sei es bezeichnend, dass Schriftsteller die Rückkehr der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" ("FAZ") zur alten Schreibweise begrüßten.
Zehn Jahre später beugte sich auch die 'FAZ' der Reform.

Thorsten Hanisch hat geschrieben:
Do 30. Mär 2023, 22:33
In den Museen steht jede Menge nach heutigen Maßstäben Anstößíges - kommt aber irgendwie trotzdem keiner auf die Idee, die Bilder zu überarbeiten.
Der Interpretationsspielraum ist doch viel größer. Und so unüberarbeitet geht es dort im übertragenen Sinn auch nicht zu, siehe NS-"Kunst".

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Re: Der offizielle Agatha-Christie-Thread

Beitrag von Yuki » Do 30. Mär 2023, 23:58

Ich kann nur knapp antworten, da die Arbeit naht lol.

Nikotin und Alkohol sind ja auch Gift, aber trotzdem finde ich, erwachsene Menschen dürfen selber entscheiden, ob sie von 'nem Gift mal kosten. Das heißt natürlich, solche Filme und Bücher sollten nicht mehr unbedingt an Leute unter 18 verkauft werden und die ungeänderte Fassung muss von mir aus auch nicht in aller Öffentlichkeit beworben werden - doch ich hätte gerne die Möglichkeit, sie weiterhin zu bekommen.

GONE WITH THE WIND ist ja jetzt auch nicht dasselbe Level wie THE BIRTH OF A NATION imo :mrgreen: . Klar, letzteren müsste man meinetwegen nirgendwo mehr ausstrahlen, aber ich würde eben auch ungern eine "editierte, neue" Fassung davon sehen wollen, die so tut, als ob der Film zur Hälfte nicht scheiße ist lol (das ginge da ja auch einfach nicht, ohne den Inhalt wirklich radikal zu ändern). Die Möglichkeit, solche Dinge weiterhin zu sichten und das Wissen drumherum, ermöglichen doch eine bessere (Selbst)Reflektion und eben erst eine stete Weiterentwicklung von Mensch und Menschlichkeit, als einfach "neu" anzuknüpfen, alles auf Null zu setzen und bei der Erziehung junger Menschen, Leser und Zuschauer so zu tun, als ob es bswp. den Rassismus von Autor X oder Z nicht gegeben hätte (die meisten werden es nicht erfahren, wenn es nur noch die "editierte" Fassung gibt). Da sehe ich die Gefahr, alte Fehler und Muster zu wiederholen, in der Zukunft als größer an, als sie stets sowieso schon ist. Wirklich schlechte alte Sachen, werden auch einfach vergessen und verweilen quasi im Giftschrank. BIRTH OF A NATION kennen ja wirklich nur noch Filmhistoriker oder KKK-Anhänger :D .

Und gegen sprachlichen Wandel hab ich nichts. Ich finde zwar, er hat in gewissen Büchern (der Epoche) wegen, auch in einer Neufassung nix verloren, aber wie gesagt: Wenn man bei Christie schon davon redet, Figuren abzuändern, weil diese zu stereotyp/rassistisch waren (sowas las ich da raus halt), dann klingt das nach mehr als Sprachwandel. Ich beschwere mich ja nicht, dass Christies "AND THEN THERE WERE NONE..." nicht mehr "ZEHN KLEINE NEGERLEIN" heißt. Mir erstmal schnuppe. So eine Titeländerung stört jetzt auch den ursprünglichen Inhalt nicht weiter. Aber wenn das dann so umfangreich wird, finde ich es nicht supi.

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Re: Der offizielle Agatha-Christie-Thread

Beitrag von Nahaufnahme » Fr 31. Mär 2023, 02:27

Yuki hat geschrieben:
Do 30. Mär 2023, 23:58
Die Möglichkeit, solche Dinge weiterhin zu sichten und das Wissen drumherum, ermöglichen doch eine bessere (Selbst)Reflektion und eben erst eine stete Weiterentwicklung von Mensch und Menschlichkeit, als einfach "neu" anzuknüpfen, alles auf Null zu setzen und bei der Erziehung junger Menschen, Leser und Zuschauer so zu tun, als ob es bswp. den Rassismus von Autor X oder Z nicht gegeben hätte (die meisten werden es nicht erfahren, wenn es nur noch die "editierte" Fassung gibt). Da sehe ich die Gefahr, alte Fehler und Muster zu wiederholen, in der Zukunft als größer an, als sie stets sowieso schon ist.
Die Begründung kann ich nachvollziehen. Du hast außerdem eine positivere Sicht auf die Entwicklung als ich sie im Moment habe. Im Prinzip stimme ich Dir vom Herzen zu, aber mein Kopf weiß, die Geschichte der Menschheit ist der Beweis, dass wesentliche Dinge, wie Kriege vermeiden oder Diktatoren unmöglich zu machen, seit Tausenden von Jahren scheitern. Ich glaube auch nicht an den Sinn der Erfahrung, Fehler in der Geschichte oder in der Filmdarstellung für eine bestimmte Periode -und sei es nur teilweise - über einen Spielfilm zu verstehen.
Yuki hat geschrieben:
Do 30. Mär 2023, 23:58
Wenn man bei Christie schon davon redet, Figuren abzuändern, weil diese zu stereotyp/rassistisch waren (sowas las ich da raus halt), dann klingt das nach mehr als Sprachwandel.
Davon reden heißt aber nicht, dass es tatsächlich so ist. Wenn Du es noch lesen solltest, würde mich die Beurteilung aber interessieren. Ich habe Christie mit 14-16 gelesen und empfand viele Charakterisierungen ziemlich schematisch (oder stereotyp?), ich blieb wegen der Plots dabei.

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Re: Der offizielle Agatha-Christie-Thread

Beitrag von Frau Stockl » Fr 31. Mär 2023, 11:22

Christie hab ich regelmäßig in der Hand, und wenn dort jemand blendend weiße Zähne hat, stört mich das sicherlich nicht.
May greif ich auch ab und an zu. Wenn ich die anders lesen wollen würde, tät ich Gisa Pauly und Liselotte Welskopf-Henrich schmökern. Ich glaube aber auch nicht, dass im Z-Wort das Problem der jetzigen Gesellschaft liegt.
~ Hoffnung ist die kleine Schwester der Verzweiflung.

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