Der deutsche Film - womöglich doch gut?

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Frau Stockl
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Re: Der deutsche Film - womöglich doch gut?

Beitrag von Frau Stockl » Fr 4. Feb 2022, 20:10

Das Finale (1998)
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Berlin, Olympic Stadium. 70,000 football fans at the cup final. Criminals, who actually only want the ticket income, are surprised in their plan, storm the security center, take hostages and block all exits.
"Ab jetzt sollten sie ihr Bier nicht mehr im Kühlschrank zu stehen haben, sondern neben sich." heißt es hier, zurecht auch, mehrere parallel laufende Ereignisse, dazu der Einzelkämpfer in einer ausweglosen Situation, die Bedrohung und die Belagerung und der Freistoß daraus, plus mehrere auch heute noch oder erst recht bekannte Gesichter (Axel Milberg, Armin Rohde, hanseatischer Rosenheim-Cop Igor Jeftić, Thure Riefenstein, Steffen Groth etc. & Pipapo), mit Fulton-Smith als teutonischer McClane, der mit gutem Aussehen und stabilen Körper sowie "Halbstarkengetue" geschmückt ist und trotz Trauma eines toten Partners in den alleinigen Krieg gegen Blofeld (mit dem wienerischen Schmäh) höchstpersönlich dann zieht. Viel eigenes Engagement und Durchsetzungsfähigkeit braucht man auch, das (eigene) Sicherheitspersonal taugt nichts, ist nur groß mit der Klappe, die Offiziellen vom Team Maulheld vor dem Eingang bringen keine Pluspunkte und die Gauner sind nicht nur schwerbewaffnet, sondern auch unterbezahlt und gefangen in den Katakomben und entsprechend giftig.

"So bisschen Feigheit ist wesentlich gesünder, glaubs mir."
Bald ist ein Wärterhäuschen vor dem Ausgang niedergetrampelt und bald auch die Zentrale gestürmt, ein Verletzter blutend auf dem Boden, zudem muss man sich mit trunkenden Rowdies prügeln, die da noch nicht einmal wissen, dass die Zugangstore abgeriegelt und sie mit anderen 70.000 Zuschauern eingesperrt sind. Da man nicht das Geld wie bei Hollywood hat, ist hier natürlich alles eine Nummer kleiner, aber genreaffin und solide, es wird gemenschelt und gewitzelt und gethrillert. Es gibt das Kompetenzgeklüngel der Bürokraten, die Unfähigkeit des Beamtenapparates, die deutsche Angst- und Versagenshaltung, es gibt die Verhandlungsbasis samt Appeasement und es gibt die Schleichereien treppauf, treppab und die Kraxeleien in den unergründlichen Eingeweiden des Stadions, und bald auch ein Scharfschütze von oben drüber; die Action in der superben Location kommt ganz knackig, aber vereinzelt, reduziert, zweimal auch mit deutlichem Trickeinsatz und auch insgesamt eher später. So geht Aikido-Meister Fulton-Smith im letzten Drittel, in der Verlängerung quasi mit seinem Kampfgewicht und einer erbeuteten MP in die Arena, zusätzlich wird eine mauernbrechende Gasexplosion ausgelöst, die sich durch die Klimaanlage frisst.
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JimmyPage
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Re: Der deutsche Film - womöglich doch gut?

Beitrag von JimmyPage » Fr 4. Feb 2022, 21:54

Die Fussballszenen waren Mist. Getoppt nur noch durch das Gehampel in "Dogs of Berlin " :lol:

Aber danke für die Kritik :thumbup:
äffle: "was isch groß?" - pferdle: "stuttgart!" - äffle: "was isch größer?" - pferdle: "der neckar!" - äffle: "und was isch am größten?" - pferdle: "hmm, spätzle und linsen!"

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Frau Stockl
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Re: Der deutsche Film - womöglich doch gut?

Beitrag von Frau Stockl » Mo 7. Feb 2022, 23:42

Maximum Speed - Renn' um dein Leben! (2000)
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The student Markus Schneider works as a courier. Every day he chases through the streets of Berlin on his rollerblades to deliver documents on time. He does not know that he is being abused as a cocaine messenger by a gang of corrupt police officers. He is also a welcome scapegoat when the crooks look for someone to attach a double murder to.
Sigi Rothemund ist für den Bewegungsthriller zuständig, Rothemund hat kurz zuvor den ordentlichen Das Finale für einen anderen privaten Sender (mit gemeinhin mehr Bemühen um den deutschsprachigen Action-Fernsehfilm) gewerkelt und war auch bereits in der Vergangenheit für Action Concept und zukünftig ebenso (bei dem vergeigten Wilde Engel und dem besserem Die Motorrad-Cops – Hart am Limit) für deren Special zuständig. Hier wählt er abseits einiger bemühter Übergänge und ab und an auch Fremdscham (aber nur eingangs und wenig) ein vergleichsweise zeitloses, eher simples, aber striktes Inszenieren mit gedrungenen Kaschemmen und ebensolchen Bebildern. Natürlich steckt der Film schon in der ersten Szene — zwei Bankiersburschen beim nächtlichen Koksen im Berliner Büroturm, um sich vom fallenden Aktienkurs zu erholen — in seiner prägnanten Herstellungszeit fest und bleibt dort auch konservativ und konserviert (schon durch Andreas Elsholz als einer der aufreißerischen Finanzteufel); was allerdings zwangsläufig mit dazu gehört und hier im vermehrt physischen Plot auch nicht stört.

Elsholz war damals Ende zwanzig, und er war möglicherweise auch (noch) der größere Star, er hatte bereits seine eigene Autobiografie und mit Jets - Leben am Limit auch die (kurzlebige) eigene Adrenalinserie auf dem Markt; hier bleibt er allerdings mehr Gimmick und er bekommt mitsamt seinem Brokerpartner vom Potsdamer Platz auch bald die gebrochene Nase und auch ein Schwinger in den Magen gewischt. An seiner Statt hat Erdoğan Atalay den Hauptpart, hier noch jung und unschuldig, mit mehr Kopfhaar als üblich und auch eher Flaum als erwachsenen Bart im Gesicht. Börsenyuppie Elsholz leiert die Handlung an, Kurier'fahrer' Atalay als biodeutscher Gung wird in sie hinein gezogen und ist dann reaktiv, während draußen die installierten Polizisten kantige Dialoge von sich geben und sich über das Leben an sich und die Ungerechtigkeit (der Geldaufteilung vor allem und des damit einhergehenden Lebensstils) beklagen und echauffieren. Die Cops machen dafür die erste Spektakelszene, eine fußläufige Verfolgung mit 'Parkour'einlagen einmal quer durch das Großraumbüro und anschließend und endend auch an einer Baustelle, eigentlich sollte man eine vietnamesische Zigarettenschmugglerbande am Cottbuser Tor stellen, hat sich aber auf die Anzugträger mit dem weißen Pulver eingeschossen und das auch vollkommen zu Recht; hier im Berliner Szenekiez wird übrigens geschnupft, dass sich die Balken biegen.

So ab dem zweiten Drittel ist dann Schluss mit Party und Lustig, drei Morde gleich in schneller Folge, dann der rund-sympathische Sündenbock, der wortwörtlich kleine Mann als Bauernopfer, und dann auch schon die Flucht. Stunts und Hetze mit dem Auto gibt's demnach auch hier, eher eine Nummer kleiner als sonst üblich, aber zur Prämisse und Milieu angepasst, und funktional und effektiv, und Hauptdarsteller macht dafür das, was er kann auch tatsächlich und selber; das ist hilfreich und das ist sportlich. Es gibt einen Kampf in einer schicken Altbauwohnung Strausberger Straße und das Gerenne über Häuserdächer, sowie ein Absturz und auch ein Abseilen davon. Viel Zeitkolorit also, viel Lokalkolorit quer übern Alexanderplatz und rein in die U-Bahnschächte ab Jungfernheide und raus wieder am Hauptbahnhof, bisschen Tempo dann auch und ordentlich Nehmer- und Ausdauerqualitäten, vielleicht nicht gleich Maximum Speed, aber Premium Rush auf jeden.
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Re: Der deutsche Film - womöglich doch gut?

Beitrag von JimmyPage » Di 8. Feb 2022, 07:09

Den hab ich auch gesehen :mrgreen:
äffle: "was isch groß?" - pferdle: "stuttgart!" - äffle: "was isch größer?" - pferdle: "der neckar!" - äffle: "und was isch am größten?" - pferdle: "hmm, spätzle und linsen!"

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Re: Der deutsche Film - womöglich doch gut?

Beitrag von Frau Stockl » Di 22. Feb 2022, 21:57

Julio Sacchi hat geschrieben:
Sa 15. Jan 2022, 22:16
Hab allerdings von beiden Staffeln nur jeweils eine Folge gesehen.
Weißt du noch welche?
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Re: Der deutsche Film - womöglich doch gut?

Beitrag von Julio Sacchi » Mi 23. Feb 2022, 08:06

:D Kleiner Spaß, hm? :thumbup:

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Re: Der deutsche Film - womöglich doch gut?

Beitrag von Frau Stockl » Mi 2. Mär 2022, 01:02

Bermuda-Dreieck Nordsee (2011)
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...takes the audience into the dramatic world of Global Warming caused by Carbon dioxide emissions and its dumping under the North Sea seabed which is, in times of climate change, trend-setting and in terms of money, a lucrative business. But is it safe?
"Der Schlund, ich glaube, er öffnet sich. Und die Schlange hebt sich empor und wird nicht nur Schiffe fressen, sondern ganze Inseln verschlingen."
Das ist das Omen und die Prophezeiung, Algenplage und Quallenalarm die Vorboten der Ernte, die man einfährt. Der Buhmann ist der Mensch selber, der Co2-Ausstoß, die Klimaerwärmung, das Verschandeln und Missbrauchen eigener Ressourcen und die Mißachtung der Warnungen des Ökosystems. Wer nicht hören will, muss fühlen, erst im Kleinen, dann im Großen, erst wird es (bei Bettina Zimmermann und Gudrun Landgrebe vor allem) darstellerisch und (dort) von den Dialogen her peinlich, dafür sind die Bauten groß und der Aufwand schon ersichtlich. Ein Wechsel zwischen Festland und dem Wasser, zwischen Dorfjung und Städterin, zwischen einheimischen Schietbüttel, die schon die Trümmer am Strande auflesen und Bücher über das 'Hexenloch' und den 'Leviathan als Naturkatastrophe' schreiben, und Zugereisten jeder Art, mal die 'Ökofritzen' auf Vermessung, mal die Wirtschaft und ihre Schampus schlürfenden High Society Gäste, mal die PR-Dame, die sich Erfolg ihrer Kampagne für eben die Wirtschaft erhofft und anstrebt. Ein maritimer Schauplatz und viele Facetten. Der Anblick ist erst schön, dann gepflastert mit toten Fischen und Vögeln.

"Der Schiff sein Sarg, das Meer sein Grab."
Was man dem Film zugutehalten muss, es ist von Anbeginn an und auch fortlaufend viel los und stets in Bewegung, in seinem Seemannsgarn von Unterwassersog und 'Mega-Blowout' verhältnismäßig konzentriert und fokussiert, die Ereignisse präsentieren sich immer mit einer gewissen Bedrohung, die von jetzt auf gleich aus der Beschaulichkeit herüberschwappt: Ein führerloser Kutter mitten in der Unendlichkeit des Wassers, Hunderte elendig zugrunde gegangene Tiere im Sande, die Messung ungewöhnlicher hoher Werte, Boote, die sich binnen Sekunden 'auflösen'; man macht nichts anderes als üblich in dem Metier, aber dies in der Quersumme und für die Herkunft bis zur Hälfte der Laufzeit auch durchaus (auf simple bis gleich billige Art und Weise) effizient und effektiv; wenn man solch ein Kokolores mag, es nimmt auch kein Wunder, dass Regisseur Nick Lyon die folgende Karriere mit dergleichen Desaster Movies für Asylum fortgesetzt hat und immer noch artverwandtes (mit ähnlich bescheidenen Spezialeffekten) dreht. Hinzu kommt später aber eine Art absurde 'Werks- und Wirtschaftsspionage' um bewaffnete Security, die mit dem Schalldämpfer auf die Hatz nach Mitwissern geht, Abhörmaßnahmen, vertrauliche Datenleaks, von Josefine Preuß hinausgeschmuggelten USB-Sticks (mit dem Passwort "Pummelqualle") und Verhören im Heizungskeller; dann gehen die Schotten dicht: Letzteres erinnert eher an die anderen (bei Dreamtool realisierten) Autorenwerke des hier auch tätigen Derek Meister, verantwortlich für die Trilogie Die Jagd nach dem Schatz der Nibelungen, Die Jagd nach der Heiligen Lanze und (mit dem hier auch anwesenden Simon X. Rost als Co-Writer) Die Jagd nach dem Bernsteinzimmer, also die 'moderne' Adaption und Akquise von Legenden und Hokuspokus, ein Abklopfen auf Realität und Wahrheitsgehalt oder Niveau ist spätestens ab da an auch nicht mehr nötig; dafür gibt's dann etwas Zwischenmenschliches, nervige Verzögerungen und auch leidlich Schmonzes, bevor es kurz vor knapp an die Katastrophe (mit viel zu wenig Toten für ordentlich Karma und Katharsis) und einigen kleineren handwerklichen Stunts und noch mehr Schmonzes geht.
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Re: Der deutsche Film - womöglich doch gut?

Beitrag von Frau Stockl » Do 3. Mär 2022, 15:45

Apokalypse Eis (2004)
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After a meteor strike sparks a new Ice Age, a group of survivors try to find a device that could bring new hope to humanity.
"Wenn sich etwas eine Weile nicht mehr verändert, glauben wir, es müsste ewig so bleiben."
Was hier neu ist gegenüber den anderen aktuellen Vertretern des Subgenres wie Vulkan oder Helden - Wenn dein Land dich braucht, hier wütet man nicht bloß narrativ in amerikanischen Gefilden, sondern ist auch co-produziert und hat sich mit Schauspielern von dort ausstaffiert, mit Superman (+ Superwau) höchstpersönlich sogar, zwar nur dem von der kleinen Mattscheibe, aber hier noch gut aussehend und mit für derlei Abenteuer durch die klirrende Kälte bis -52 Grad Celsius (anders als die lokalen Exporte Bettina Zimmermann oder Hannes Zischler) auch genug Präsenz. Mehr Wirkung und Durchschlagskraft als die Effekte aus bzw. vom Weltraum zumindest, die Tricktechnik um den heranrasenden Kometen und auch die eingeleiteten Maßnahmen per Beschuss aus dem 'Mikrowellenbeamer' sind höchst bescheiden und wie seit mehreren Jahrzehnten veraltet; richtig Geld war hier deutlich nicht vorhanden und die Regie bekommt Szenen wie die flinke Evakuierung etwa auch nicht als Mammut- oder Massenszene mit emsig Aufwand vor- und angetäuscht; selbst das Making-of wirkt größer als der Film selber. Die Umgebung ist entweder schemenhaft per Computer visualisiert, reale Szenen sehr klein eingefangen und decken meist nur wenige Meter Sicht ab, Panoramen oder Aufnahmen aus der Vogelperspektive sucht man hier vergeblich. Dafür wird aber viel erkundet und sich viel bewegt.

"Das ist ja nicht sehr üppig...Eine Handvoll Soldaten. Zwei Fahrzeuge. Bei dem, was auf dem Spiel steht, hätte ich mehr erwartet."
Gedreht von Christoph Schrewe, geschrieben von ihm und Torsten Dewi, gestemmt u.a. erneut von RTL, diesmal in illustrer Partnerschaft etwa mit Phillip J. Roth und dessen Unified Film Organization (UFO), wird hier Europa (in Sofia) schnell in eine Eiswüste verwandelt, die Temperaturen stark gesunken, Schnellfall allerorten, die Sonne zumindest für diese Hemisphäre, aber auch bis Afrika hinunter wie ausgeglüht. Nichts ist mehr wie vorher, Gemeinschaften wie die Neuen Vereinigten Nordstaaten mit Hauptquartier Marokko werden gegründet, es gibt sogar eine amerikanische Präsidentin, die Welt bleibt aber ein Dorf, sodass sich alle wichtigen Leute aus den ersten Minuten bald und unverhofft wiedersehen. Eine Mission steht an, beruflich wie privat, ein militärisches und wissenschaftliches Selbstmordkommando, dazu Konflikte aus der Vergangenheit und die Rettung der noch existierenden Welt, eine explosive Mischung (plus einer Nackedeiszene im Türkischen Bad; für die deutschen Tittenfreunde, für die prüden Amis und ihren Post Impact nicht), die neue Hitze entfacht und die dramaturgischen Polkappen rasch zum Schmelzen bringt.

Für den einheimischen Betrachter (wie auch bei den anderen Vertretern der Gattung) interessant bei der folgend ausgedehnten Schlittenpartie sind natürlich die Geschehnisse vor Ort, die Überfahrt über den Rhein per Deutzer Brücke, mit dem Kölner Dom im Hintergrund zum Beispiel, das Befahren des weiß gekleideten Brandenburger Tores, weniger die Elemente des B- (oder auch C-Pictures) wie eine kurze Schießerei zwischen Schneewehen, das Begehen unterirdischer Höhlen nahe der Potsdamer Straße, oder eine militante Auseinandersetzung in einem größeren Gewächshaus. Worauf man gut und gerne verzichten könnte, wäre allen voran die Zimmermann und der (von John Keough furchtbar gespielte) Mad Scientist.
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Re: Der deutsche Film - womöglich doch gut?

Beitrag von Frau Stockl » Do 14. Apr 2022, 03:38

380.000 Volt – Der große Stromausfall (2010)
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"Wird am Wetter liegen.", sagt der Tankstellenwart, als ein Kunde die schlagartig einsetzende Düsternis bemerkt und nachfragt. "Leichte Schwankungen auf Leitung Alpha", sagt der Angestellte in der E-Kraft Zentrale, "na ja, bei dem Wetter." Außerdem ist schon Feierabend, die Leute kommen nach Hause und schalten die Mattscheibe an, die Bundesliga etwa, oder auf Sat1, da läuft Hausmeister Krause. Von der aufgezeichneten Sitcom als Quotenbrenner zum Umspannwerk und der Netzwartung sind nur wenige Meter; in Pankow geht der Stromausfall los – nicht nachdem zuvor noch jemand vom Wartungsteam gegrillt wurde und durch die Spannung explodiert – , in Lichtenberg und Marzahn geht's weiter und fräst sich vor bis ins Stadtzentrum. Selbst das Regierungsviertel ist 'tot', betroffen sind auch Bereiche von Mecklenburg und NRW. Nichts geht mehr. SuperGAU und Masterplan, oder auch nicht.

Regisseur Sebastian Vigg arbeitet sich mit seiner Inszenierung ebenso konstant vor, vom Kleinen auf das Große, vom Privaten auf das Berufliche, mit dem Blick auf vereinzelte Bewohner der Stadt und deren Funktion, oder die einfach nur zum Leben vor Ort und angesichts der Katastrophe machtlos und überfordert auch sind. Die von oben drängeln und drücken, das kennt man auch aus anderen Szenarien, der normale Bürger oder auch der Mahnende und Warner und der Macher und der Schaffer hat es erstmal auszubaden, letztlich aber natürlich dennoch recht. Dass eingangs vor allem der Nordosten der Stadt betroffen ist, während der Westen noch mit Elektrizität, Licht, Wärme und Telefonnetz versorgt wird und ein 'Flüchtlingsstrom' in die Richtung einsetzt, ist hier als Art gewolltes Kuriosum der Autoren und der Analogie der politischen Zeitgeschichte erwähnenswert; auch wenn nicht annähernd plausibel wird, warum hier nach paar Stunden Stromausfall – der Film spielt in dieser einen Nacht – schon die Apokalypse ausbricht.

Die Regie ist eher bieder, aber hier tatsächlich passend, die meisten einschneidenden Momente (ein Autounfall, der erste Stromtod mit dem Brand in der Trafo-Station, noch ein weiterer Zwischenfall, der zum gänzlichen Blackout und einem weiteren Sprint vor der Unglücksstelle hinwegführt) kommen unverhofft und plötzlich, was mitsamt dem dortigen Schaden durchaus seine Wirkung hat und den Zuschauer durch Einbindung einiger Identifikationsfiguren auch im Griff. Darstellerisch geht das (von Ann-Kathrin Kramer, Tobias Oertel, Arndt Schwering-Sohnrey, Rolf Kanies, Michael Lott usw.) völlig in Ordnung, dramaturgisch auch, wenn man die Kröte mit der Prämisse geschluckt hat, größere Szenen bleiben dabei eher aus und werden geschickt angetäuscht, durch kurze Abrisse auf vereinzelte Vandalen und Randalierer (gerade in Kreuzberg und Pankow) oder Brandunfälle durch offenes Feuer als Schutz vor Kälte, die dann per Nachrichtensendung (auf N24) und echten, aber aus dem Kontext gerissenen und falschen bzw. nachgestellten Einspielern potenziert werden und auf das ganze Stadtgebiet hochgerechnet; der Mensch ist hier wieder sein ärgster Feind und eigentlich auch der einzige, der sich selber (und seinen Mitbewohnern und den Mitarbeitern und Kollegen) an den Kragen will.
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Re: Der deutsche Film - womöglich doch gut?

Beitrag von Frau Stockl » Sa 21. Mai 2022, 20:45

Medicopter 117 - Der Kronzeuge (1998)
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Von Sylvester Levay höchstpersönlich intonierter Nachzügler zu dem kurz zuvor entstandenen Die Rettungsflieger der Öffentlichen-Rechtlichen, hier in der privaten Hand und aus der Actionabteilung, wobei die erste Aufmachung im Pilotfilm “Der Kronzeuge“, der entsprechende Plot und das anfängliche Erscheinungsbild sowieso vermehrt an den amerikanischen Super-Chopper vom Airwolf erinnert. Martialische, technische, vermeintlich militärische Einstellungen deuten auf Großes hin, wobei dann allerdings nur eine rotgelbe 'Fliegenspritze' aus dem Hangar und überhaupt viel deutsch/österreichisches Biedertum anrollt. Dafür gibt es leichten bayerischen Dialekt, etwas, was bei den Männern nicht so klingt, aber von den Frauen gut ankommt, der Gebirgsadler kreist als Begleitschutz, außerdem sind die Panoramen des Bergischen Landes zahlreich vorhanden und wesentlich schöner. Satte grüne Weiten, kleine Häuser und Provinz, große, heldenhafte Erzählungen direkt aus der Pampa, und ein erster Einsatz, ein erster Stunt, von dem man nur den Anfang und das Ergebnis, aber nicht die eigentliche Kollision zu sehen bekommt.

Ein Pkw hat sich bei der Vollbremsung auf Landstraße quergestellt und unter einen Tanklaster geschoben, Schuld haben beide Fahrer, darum geht es aber nicht, die Rettung ist dringender und nötig. Für die Bauern in der Umgebung ist der Einsatz eine Schau, die vielen Uniformen, das hektische Treiben, der kleine Sani ist ein Mann, Ärztin und Pilotin sind eine Frau. Hinzu kommt bisschen Blut und ordentlich Feuerwerk, der Tanklaster explodiert, das Spektakel ist wuchtig und ist drei dicke Ausrufezeichen wert. Das Ganze nur als erweiterte Vorstellung einiger entscheidender Personen, als Kundenfang, als Cliffhanger vor der Werbung, als Stinkefinger zu der Konkurrenz, die als allgemein ernstzunehmender, da zumindest bemüht realistischer gilt. Hier ist das eher so was wie Unter Uns, was ebenso kurz vorher gestartet ist und zum Dauerbrenner geworden, was hier musikalisch auch kurz angespielt wird (ein Filius pfeift sich frühs die morgendliche Wiederholung rein) und in seinen Themenbereichen wiederholt: Scheidung und getrennte Sorgerechtsverhältnisse, die Überlastung durch Beruf und Privat, unterschiedliche Lebensentwürfe und geänderte Planungen, alte Bekannte und neue Figuren; gerade in letzter Hinsicht gibt's hier durchaus viele Faktoren, die das Dramaturgische vorantreiben sollen und eher das Emotionale involvieren.

Spielen tut die gesamte Handlung an einem Tag, chronologisch eng, drei Einsätze, zwei Schichten. 24 Stunden pralles Leben, theoretisch zumindest, Einzelteile sind so richtig spannend oder mitreißend nicht, schauspielerisch geht vieles in Ordnung, gerade auch in Belangen unterschiedlicher Hierarchie und Alphatierverhalten (der neue Sanitäter ist quasi Diener zweier Herren, den Dienststellenleiter noch nicht eingerechnet), der zweite Einsatz lässt aber etwas auf sich warten und ist dann 'bloß' ein brennendes Boot (samt Hochschwangeren natürlich) auf dem Chiemsee. Technisch gesehen ist das seitens der Filmleute durchaus aufwendig gehandhabt, und geht man den mühsamen, also den handwerklich sauberen Weg, nervlich ist das reißerisch und trivial und überreizt, eine Katastrophe jagt die nächste und erstmal wird alles immer schlimmer, bevor es am Ende dann doch gut ausgeht. (Regisseur Thomas Nikel und Autor Peter Mazzuchelli haben 2003 ähnliches noch mit Die Rettungshunde: Hochzeitsreise in den Tod probiert.)

Wenn die Actionfans bei der Geburt in der Luft noch nicht abgeschaltet haben: “Der Kronzeuge“ kommt mittig ins Spiel und ist (im fließenden Übergang) quasi die zweite und auch die eigenständige Episode, mit dem Ableger in die “Vaffanculo!“-Mafiaplotte und den Actionkrimi, bei dem ein wichtiger, momentan im Gefängnis einsitzender Mann für die anstehende Aussage in einem geheimen Konvoi transportiert werden soll, einige Beamte aber auch im Sold des Gangsterbosses stehen und den Transport manipulieren. Dann wird plötzlich ein anderer Film draus, einer mit quietschenden Reifen, weggesprengten Türen, Sturmmasken und durchgeladenen Schießgewehren, es wird in Zeitlupe gerannt und gefeuert und es wird in Zeitlupe gestorben. Am Ende eines langen Tages demnach noch etwas Budenzauber, ein Luftkampf am Staudamm, ein flammender Himmel, ein Sprint durch den Kugelhagel, muss der Notarzt, der Pilot und der arme neue Sani ran, weil die Alarmtruppe der Polizei auf sich warten lässt und die andere Kiberei nur sinnlos herumstehen.
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