Der deutsche Film - womöglich doch gut?

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Frau Stockl
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Re: Der deutsche Film - womöglich doch gut?

Beitrag von Frau Stockl » Di 8. Nov 2022, 16:14

Alarm für Cobra 11 - Schutzlos (2022)
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Nach "Unversöhnlich" und "Machtlos" der (vorläufige?) Abschluss der dreiteiligen Eventfilm-Reihe von Alarm für Cobra 11, die ursprünglich im Herbst 2001 wegen sinkender Zuschauerzahlen angesichts bereits reduzierter, aber aufgrund des Genres immer noch zu hoher Kosten eingestellt wurde; um kurz darauf (wie ähnlich Balko: Teneriffa) eine Art Verlängerung speziell für den hauseigenen Streamingdienst, aber mit späterer Ausstrahlung auch im analogen Programm zu erhalten. Das Problem der letzten Staffeln und auch der nachgereichten Filme ist, dass mittlerweile recht viel Wert auf eine einheitliche Geschichte, dafür weniger auf das Spektakel für den Moment Wert gelegt wird, und die Herangehensweise eher düster bis abschreckend für Anhänger der zwischenzeitlich als “Kirmes“ angesehenen und auch so behandelten Serie ist; ein vermehrt kaltes Milieu, in dem sich gerade auch in dem (bisweilen als misslungen zu betrachtenden) Machtlos der Schrecken nicht nur mittig, sondern speziell auch gen Ende, als Art Cliffhanger für diese Folge hier häuft.

Egal, was passiert ist in all den Jahren: Ich war immer Polizist.
Mit den dort angedeuteten Bildern wird hier auch begonnen, ein verheerender Autounfall auf der Landstraße, geplant war sowieso eine Strecke ins Krankenhaus, aber aufgrund einer Schwangerschaft und einsetzender Wehren und damit anders und nicht als Trauma gedacht. Umgekippte Wagen, Rauchschwaden, vor Gewalt verbogenes Metall. Wie auch im Vorgänger wird sich eingangs entsprechend der Situation vermehrt im Hospital aufgehalten, das Licht schummrig, die Farben gedämpft. Vorgänge von damals und früher werden rekapituliert und für altes und neues Publikum aufgerollt. Die Behandlung ist eher Drama, mit Schwerpunkt Dialog, eine Umstrukturierung, ein Erwachsen werden, nach einem Vierteljahrhundert, nach 25 Jahren. Eine Arbeit mit Rückblicken, mit Vorwissen, mit Omen, mit Querverbindungen und Nachreichen, auch die erste Actionszene einer Verfolgungsjagd über regennasse Stadtstraßen und ein dort finaler Crash stammt aus der Vergangenheit. “Die Hexe wird brennen.“ Der hauptsächliche Plot ist eine Entführung, und eine Täterjagd, ein Film im Film, wobei die Rahmenbedingungen keinen Sinn ergibt und merklich der schwächere Part dann ist.

Die können mir vielleicht meine Polizeimarke wegnehmen. Aber ich bin Polizist, Dana. Ich kann mich nicht raushalten. Nicht, solange sie in Gefahr ist. Das kann ich einfach nicht.
Was dem Ganzen hier hilft und zugutekommt, die (vergangene) Geschichte wird ernsthaft herangezogen und tatsächlich auch mit Motivation aller Beteiligten und verhältnismäßig glaubhaften Konstellationen und Persönlichkeiten durchgezogen, die Regie hat bessere Darsteller zur Verfügung als in den beiden Vorgängern und übertreibt es trotz seines gewalttätigen Geschlechterkrieges, der Killerhatz im (Incel)Psychogramm (“Alles, was wir wollen, ist lieben. Die Liebe zurückgeben, die wir doch alle verdient haben.“) und Angst, Einsamkeit, Demütigung, Frust, Verzweiflung, Wut toxischer Persönlichkeiten sowie anderen Menschen am Abgrund nicht mit negativen Emotionen. Ein durchaus manipulativer, aber auch effektiver Thriller im Moloch der Rheinmetropole, verwinkelte anonyme Großstadt, Frauenhass (“Für dich sind wir nur Arsch und Titten, ich weiß, aber das war ein Mensch.“) und männlich dominierte Gewalt, die dunkle Triade, Kriminologie und Krankheit der Gesellschaft. Ein 'Versteckspiel' auf einem längst verlassenen Bahngelände treibt die Spannung hoch, ein Mordaufruf im World Wide Web, ein privates Killernetz.
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Frau Stockl
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Re: Der deutsche Film - womöglich doch gut?

Beitrag von Frau Stockl » Mi 9. Nov 2022, 11:11

Das Wirtshaus von Dartmoor (1964)
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“(...)Von hier aus war ein graues, altes, verfallenes Haus zu sehen, das ein Stückchen abseits vom Wege an der Wegkreuzung stand. Es war das Wirtshaus 'Zum bunten Hund' - einst berühmt als Haltepunkt für die vorbeirollenden Kutschen, das einzige Gasthaus weit und breit. Eigentlich wirkte das Haus selbst jetzt in der Septembersonne ziemlich einsam und düster. Kein Haus, keine Hütte stand in der Nähe. Auf Kilometer im Umkreis waren ein paar einsame Bauernhöfe und die Arbeiterhäuschen am Südrand des Moores die einzigen Gebäude in dieser Gegend.(...)“

Vermehrt nur den Titel und damit auch den Schauplatz ausleihende Adaption des gleichnamigen Kriminalromans von Victor Gunn, welcher selber trotz entsprechender Vorlagen erstaunlicherweise von weiteren Bearbeitungen gänzlich unbeachtet geblieben und anders als seine Kollegen wie Francis Durbridge, Louis Weinert-Wilton oder natürlich Edgar Wallace nicht nur in der entsprechenden Hochphase Anfang der Sechziger vollkommen ignoriert worden ist.

Das Arca-Studio Berlin ist hierfür zuständig, die Bauten sind von Albrecht und Vorweg, Peter Thomas sorgt für die (heutzutage) gewöhnungsbedürftig beschwingte Musik. Aufgekratzte Rhythmen, flotte Lieder, dunkle Bilder. Ein Ausbruch aus dem Zuchthaus Dartmoor, raus aus der Zelle, rein in den Sumpf, der Nebel dampft, der Mond scheint helle. Bestrahlt wird die Flucht und bestrahlt wird ein Toter. Der Einstieg flott, das Intro schnelle.

Erstmal wird allerdings bloß geguckt und geredet, Fragen gestellt, Verbindungen geknüpft, Schlüsse gezogen und auch mit Worten gedroht. Um Geld geht es auch ein bisschen, es dreht sich auch etwas um eine Frau, es gibt falsche Fährten und geheime Identitäten, keiner weiß so richtig Bescheid und niemand weiß es wirklich genau. Auf der Spur der Wahrheit sind dabei zwei Führungskräfte, einer beruflich, einer privat, auch die Nachforschungen werden geteilt und gesplittet, die Provinz hält für das wohlige Gruseln her, ein wenig Größe erhält man durch Ausflüge in die Stadt. So richtig in Griff bekommt man die Situation dabei nicht, aus der Vorlage wird nichts gemacht, aus der titelgebenden Kaschemme nichts, dafür wird zu sehr nach London abgeblendet und dort in Büros und beim Maskenball mit Scotland Yard hereinspaziert und herumstolziert. Die Handlung wird verändert, vergrößert, vergröbert und erweitert, sie wird beliebig gemacht und uninteressiert.

Ein wenig Neugier kommt durch die weitreichende Perspektive, mittig wird ein Mord und dort auch der Täter in Augenschein genommen sowie seine vorhergehende und nachfolgende Behandlung und damit auch eine Art Charakteristika und Motiv. Die Verbrecherorganisation arbeitet eher mit Finten, Kniffen und dem Anschein von Wohltätigkeit fast und zumindest der Legalität, zudem ist man in der Rechtsprechung erfahren und in juristischen Angelegenheiten und damit auch Winkelzügen äußerst gestählt. Es wird offiziell ermittelt und mit Undercovereinsatz, es werden der Dienstausweis, die Fäuste und die Waffen der Frauen eingesetzt. Der Rest ist eher spröde und knochentrocken (trotz einiger guter Besetzungsmitglieder), deutsches Beamtentum fast, nur hier als Krimi, bis es dann kurz vor knapp wieder hinaus ins feuchte Moor und teils mitten hinein in den Schlamm auch geht.
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Re: Der deutsche Film - womöglich doch gut?

Beitrag von Thorsten Hanisch » Sa 19. Nov 2022, 20:58

Sehr, sehr, sehr geil!
»Wenn man der Klügste im Raum ist, ist man im falschen Raum« (K. Lauterbach)

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Re: Der deutsche Film - womöglich doch gut?

Beitrag von Doctor Schnabel » So 20. Nov 2022, 16:09

Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens (CH Kino)
1. Sichtung des Stummfilm-Klassikers. Wurde in einer Retroperspektive in der restaurierten Fassung aufgeführt. Ich fand den Film durchschnittlich. Der Plot ist halt bekannt und somit wenig spannend. Ich hätte mir den Film, die Szenerie und spezifisch die Musik gruseliger und stimmungsvoller gewünscht. Die Musik empfand ich teilweise als unpassend und mehr als lustig, statt als stimmungsvoll. Gustav von Wangenheim als Hutter fand ich schlecht gespielt. Zudem erinnerte mich sein Dauergrinsen stets an Enrique San Francisco aus Aktion Mutante. In der 2. Filmhälfte tritt Gustav von Wangenheim in den Hintergrund. Es gibt einige schön stimmungsvolle Szenen und Aufnahmen (Schifffahrt, Strand, Meer, Nosferatu). Die sporadischen Vampir-Szenen sind die Highlights des Filmes. Starke Leistung von Max Schreck. Auch toll gefilmt. Die Texteinblendungen in alter deutscher Schrift vermochte ich selten zu identifizieren. 5/10


Plot (imdb):
Vampir Graf Orlok bekundet sein Interesse an einem neuen Wohnsitz, einschließlich der Ehefrau des Häusermaklers Hutter.

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Re: Der deutsche Film - womöglich doch gut?

Beitrag von Frau Stockl » So 20. Nov 2022, 16:41

Ist besser.
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Re: Der deutsche Film - womöglich doch gut?

Beitrag von Frau Stockl » Di 19. Sep 2023, 23:10

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Eher merkwürdiger Film mit vielen Schlenker, die hinten raus immer absurder werden. Wird gemeinhin als Komödie verkauft, fängt wie eine Mischung aus Glück im Hinterhof und Enthüllung an, kümmert sich aber irgendwie um beides nicht so richtig und stellt sich als 'Satire' in einer Phantom- oder auch Parallelwelt dar. Darstellerisch ganz gut aufgestellt, dem vermeintlichen Opfer einer Vergewaltigung wird erst nicht richtig zugehört, dann überhaupt keine Stimme mehr gegeben, Gesellschaftskritik kommt erst vorausschauend aktuell, dann mit dem dicken Pinsel und hinten raus wird's eine Art Märchen. Der Film fängt mit Barry Whites "In the Ghetto" ("On a cold and grey Chicago morning") an und zeigt ein julihaftes Hamburg, da ahnte ich irgendwie schon, dass das falsch kommt.
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Re: Der deutsche Film - womöglich doch gut?

Beitrag von Frau Stockl » Mo 25. Sep 2023, 18:15

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Neuauflage von des Deutschen Lieblings-Indianer für RTL, als zweistündige Origin-Story, die erst wie Deadwood meets Hell on Wheels aussieht und dann doch mit Katharina Thalbach als Sam Hawkens und einigen barbusigen Rothäutinnen
buchstäblich baden geht, wenn ich mich nicht irre. Möhring als Karl May macht das dabei ganz ordentlich, er bleibt aber Karl May, er wird nicht zum Old Shatterhand, außerdem spielt sich Jürgen Vogel als Rattler ordentlich breit, die Bilder sind teilweise erstaunlich für deutsches Fernsehen, die Texte verleugnen dafür ihre Herkunft nicht. Außerdem traut man sich nicht so richtig, das Indianermassaker kann man bloß erahnen, obwohl es dramaturgisch ordentlich aufgebaut wird, das Gleiche gilt im Grunde für den Showdown. Nik Xhelilaj agiert die ganze Zeit wie im Gym vor dem Spiegel, er bewundert sich eher selber, zumindest der junge Brice hat das irgendwie lockerer gespielt. Dass für die Ossis noch der Mitić da durchreitet: geschenkt.
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Re: Der deutsche Film - womöglich doch gut?

Beitrag von Frau Stockl » Di 26. Sep 2023, 11:20

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Liebestragödie im Mittelalter mit reißerischen Titel und ketzerischen Ruf, als 5.5 Mio. € teure Bestseller-Verfilmung nach 'Iny Lorentz', und entsprechenden Interesse beim Fernsehpublikum. Helfen tun die Nackedeiszenen der Neldel, die hier aber sowieso gut spielt und den Film auch großteils trägt, das Verhalten der Frau nach dem Trauma auch gegenüber dem Geliebten wirkt schlüssig an sich; ansonsten wird irgendwie im Kreis geschwommen und gewandert und geritten und der Ziegenkarren aus dem Matsch gehoben.
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Re: Der deutsche Film - womöglich doch gut?

Beitrag von Frau Stockl » Di 26. Sep 2023, 20:14

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Also hier sind wohl allen Beteiligten ordentlich die Gäule durchgegangen, da wird geschlitzt und gespalten, gekreuzigt und geschrien. Um zum Heerlager vom König zu gelangen, soll man dem Geruch abgehakter Arme nachgehen und einem schon somnolenten Kriegsinvaliden dort wird als scheinbar letzte Ölung noch der Johannes onaniert. Ansonsten auch gruseliges Kampf-/Kultur- und Kirchenspektakel mit entstellten Großinquisitoren, mongolischen Kämpfern (bzw. einem davon, dem Ill-Young Kim) und einer Amnesie wie aus der ganz schlechten Seifenoper, vom Sexploitationreißer hier zum barbarischen Erwachsenenfilm. Immerhin sieht man hier das Budget, aber das schmeckt wie eine Ladung Kuhdung mit Eiterwulst und Beulenpest.
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