Alain Delon

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Frau Stockl
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Re: Alain Delon

Beitrag von Frau Stockl » Mo 2. Okt 2023, 01:02

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Eine Teilhaberschaft wird hier geboten, zwei Darsteller, die alleine einen Film tragen, hier sich aber ergänzen und miteinander harmonieren, die sich nichts schenken, eine Freundschaft lancieren. “Ich hab da jemand kennengelernt.“, der Film variantenreicher als die grob-effektive Fortsetzung, hier noch mit Charme und Schabernack und Schalk, dort mit blutigen Stößen aus dem Maschinengewehr, hier mit Lug und Trug, mit gezinkten Pferderennen und unlauteren Boxkämpfen, mit flotten Sprüchen und lockerem Mundwerk, ein Wo Gangster um die Ecke knallen. Belmondo macht dabei seine übliche Rolle, den Hansdampf in allen Gassen, den Filou, Delon (mit stechendem Blick) läuft erst nur mit, dann nebenbei, dann wird sein eigenes Ding gedreht. Es wird sich erst erkundet, das Terrain spioniert, man arbeitet noch von unten, aus dem Halblegalen, der Kleinkriminalität. Man arbeitet als Problemlöser für Andere, als Die Losleger, die Regie filmt unauffällig mit. Offen ist das Geschehen hier, das Szenario spielt an allen möglichen gesellschaftlichen Orten, es herrscht viel Sonne und viel Licht, es wird geflirtet, nicht geflucht, es wird das Leben, die Jugend-, die Lümmel- und die Flegeljahre genossen und die Gelegenheiten beim Schopfe genommen. Hier wird eine gelackmeierte Welt aufgebaut, dort nur zerstört.

Zwischendurch wird einmal mittendrin das Ketchup vergossen, eine Festnahme der Polizei mit Waffengewalt, eine kurze Unterbrechung und ein Vorgeschmack des Kommenden. Denn nach und nach steigt man auf in die höheren Kreise, und man weiß, die Luft wird dünner ganz oben, die Warnungen bleiben ungehört. Eine Szene in einem Schlachthof als Umkehr des Bisherigen, eine grobe Schießerei zwischen hängenden und teils brennenden Tierkadavern, mit Waffen aus Marokko plant man die Revanche, ein Gangsterkrieg mit vielen großen Löchern im Leibe entspinnt. Das Tempo wird schleichender, die Augen müder und trüber, man wird einsamer, das Dasein übler.
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Re: Alain Delon

Beitrag von Frau Stockl » So 8. Okt 2023, 04:14

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Überraschungen kann Regisseur Deray hier nicht aufweisen, Tradition und Umwälzungen, ein Phoenix aus der Asche, eine Spirale der Gewalt, ja, eine schöne Fassade von schmutzigem Geld, etwas Theatralik, etwas politische Gefilde, der Italiener hat die Unterstützung der extremen Rechten in Paris, er hat die Polizei in der Hand, er hat eine 'Säuberung' vor, "Die Welt dreht sich schnell, (...) zu schnell für die Einzelgänger." Es gibt nur zwei, drei interessante Figuren, Delon hatte kürzlich einen Verlust zu beklagen, er hat weiter gemacht für den Schein, er ist aber noch nicht der Alte, er hat keinen engen Freund, er hat kein Partner, er steht und kämpft und fällt allein. Das Geschehen ist meist dunkel bis düster, die Gebäude verwinkelt und verschnörkelt, viele Wege zu begehen, viele Verstecke für Hinterhalte, rasch geht es an das Eingemachte, an das Schrotgewehr im Safe. Getötet wird zuhauf und fleißig, zu allen Mitteln der Wahl gegriffen, noch mit einem blutig zerschnittenen Mund gelächelt und 'Häschen in der Grube' mit Luxuslimousinen gespielt; Europäisierung mal auf andere Art und Weise, explosive Expansion, vom Gastarbeiter zum ärgsten Konkurrenzen, zum Nachbarschaftsstreiter, zum Invasoren. "Im Zeitalter der Trois spielen Sie immer noch Vendetta."

Zwischendurch ist man wie vom Erdboden verschluckt, der eine wart entführt und länger nicht mehr gesehen, man hat ihm zum Gespött der Stadt gemacht, der andere ist Wochen schon im Grab. Das große Spektakel wird dann nicht mehr geboten, die Mobsters-Unterwelt im Delirium, im Säuferwahn. Das erinnert ein wenig an die Drogensucht aus French Connection 2, die versuchte Beseitigung eines Widerstreites durch den Bruch von Körper und Geist, hier ist die Legendenbildung ähnlich, auch geht es um Drogen, geht es um die weiße Waffe, geht es um Heroin. Ein Welteroberungsplan wird geboren, der Film wandelt sich vom unterkühlten, stilisierten Ausstellungsstück und vom Schau-Spiel um zum Ärmlichen, modifiziert sich bald zum Ärgsten, raus aus dem schönen Schein, in die trübe Realität, mit brutalen Stunts und ebensolchen Sterbeszenen. Bald schreibt man '35, bald '36, dann '37, "In Berlin wird bestimmt alles gut laufen.", die Narration schreitet voran, die Dramaturgie folgt hintendran, auf Fluchtwegen über das Meer, auf Schleichwegen über das Gebirge, die Rache wird hier kalt vollzogen, "Heute komm’ ich voller Zorn zurück."
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Re: Alain Delon

Beitrag von Frau Stockl » So 8. Okt 2023, 04:16

Was mir beim Ersten gar nicht aufgefallen wäre, wenn ich den Zweiten nicht zuerst geschaut hätte:
Statham spielt auch mit.
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Re: Alain Delon

Beitrag von Frau Stockl » Sa 21. Okt 2023, 00:19

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Erzählt wird schnell und flink und mit vielen Wechseln, Perspektiven ändern sich, neue Faktoren kommen hinzu, vom Normalleben in die Kriminalität, vom Arbeiter zum Mörder, ohne wirkliche Notwendigkeit, scheint es; doch das wird später noch geklärt. International spielt man, Schweiz, Frankreich, Italien, Großbritannien, Deutschland, Belgien, hinaus aus der schäbigen isolierten Hochhaussiedlung in die Bürokratie, in die Schlagzeilen, in die Expertise von Scotland Yard und andere zur Abwehr von Verbrechen gebildete Einheiten.

"Dieser Typ ist leider bösartig. Und aggressiv, weil er unglücklich ist." Delon kommt später in das Spiel, in einer gänzlich anderen Szene, wie ein anderer Film zu dem, der vorher gezeigt wurde, ein neuer Akt, eine weitere Perspektive. Eine Analyse. Oktober ist der Monat der Ereignisse, der frühe Herbst, die Zeiten werden kälter, die Gefühle unterkühlt. Ein Psychogramm steht an, Psychopathologie, ein Thriller, ein Duell, ein Reißer, es wird vom 'Apocalypse-Killer' dem 'Küchenpsychologen' eine Frist gestellt: Armageddon minus 15. Die Mediengesellschaft spielt hier eine große Rolle, braucht der Erpresser eine Verstärkung, eine Frequenz, auch einen Receiver, er braucht die Zeitschriften, er schnauzt einen Taxifahrer an, der die Nachrichten im Radio über ihn ausstellt, er sieht sich eine Fernsehsendung an, in der er verbal provoziert und bloßgestellt wird, er mischt sich in eine Liveschalte ein und manipuliert die Eurovision.

"Jeder Polizist in Europa soll sich sein Gesicht einprägen und wissen, wie gefährlich er ist." Eine Falle wird gestellt, ein Köder wird gelegt, ein Lockvogel eingesetzt, der Antagonist ist dabei öfters im Bilde, er wird dem Zuschauer eingangs durchaus nahe gebracht, er hat einen 'traurigen' Blick, er kümmert sich um einen Freund, er spielt einen einsamen, verletzten Menschen, Delon eine Rolle. Es wird Empathie versucht, "Das Problem bei einem Attentat ist, dass das meiste Interesse und Mitgefühl dem Opfer gilt, während der Attentäter nur eine Fußnote in der Geschichte darstellt. Ich musste es besser machen."; dann wieder zerstört. Es gibt einen abstoßenden Sexualmord, eine sensationslüsterne Aufmachung, eine indirekte Rache, rein aus Geltungssucht und zur Abschreckung, eine Verstörung sondergleichen, ein wahrlich obszöner Effekt.

"Hoffst Du immer noch, dass Du ihn retten kannst?" Die Fahndung auf Hochtouren, das Phantombild überall, das politische Umfeld eher Charade, ein großer Bluff, aber mit Aufwand durchaus gehalten, mit Polizeiaufgebot, mit Spezialeinheiten, mit Menschengewühl und allgemeiner Hektik. Ein einzelner Mann bringt die Welt in Aufruhr, will sie wecken, das wirkt erst ein wenig wie Angst über die Stadt, auf Dauer aber sehr simpel, und wie der Film plakativ und narrativ einfach gestrickt.
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Re: Alain Delon

Beitrag von Frau Stockl » Mi 20. Mär 2024, 06:05

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'Polit'thriller mit Versatzstücken eines Krimis und der ganz großen Verschwörungsplotte, einigen recht aktuellen Bezügen (die Lockheed-Affäre bzw.) und einer ziemlich negativen Sicht auf Frankreich und Europa generell. Starke Besetzung mit zusätzlich Ronet, Darc, Muti, Kinski und Aumont, außerdem lässt zwischendurch Rémy Julienne seine Jungs überraschenderweise des öfteren von der Leine. Ich fand den nicht unähnlichen Der Erbe von Bébel ("Ich werde pro Woche einen Skandal aufdecken. Das dürfte in Frankreich heute nicht allzu schwierig sein.") aber einen Tick stärker.
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Re: Alain Delon

Beitrag von Frau Stockl » Fr 22. Mär 2024, 09:39

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Trotz des reißerischen deutschen Titels eher minimalistisches, aber durchaus packendes Seelendrama um gleich mehrere gescheiterte Existenzen, die das Träumen nicht aufgehört haben, aber gegen das allgemein Schlechte im Menschen kämpfen, und der Mikrokosmos im Stillstand hier ist so ziemlich der Brutkasten dafür. Erinnert eingangs zuweilen etwas an Siegels Betrogen, hat aber seine eigene Quelle, Simenon nämlich, gehobene Kriminalliteratur mit einigen politischen und vielen psychologischen Einschüben, von Regisseur Granier-Deferre nur Wochen nach dessen Die Katze, ebenfalls Simenon, ebenfalls Signoret veröffentlicht.
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Re: Alain Delon

Beitrag von Frau Stockl » Sa 23. Mär 2024, 07:16

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Vater - Sohn - Drama im Gewand eines Kriminalfilmes, Filius hat im Drogenrausch mit dem Schrotgewehr einen Polizisten erschossen, was weder bei den Kollegen noch der aufgeheizten Öffentlichkeit gut ankommt, selbst die Todesstrafe steht im Raum. Der Vater heißt Delon und ist Industrieller. Film lässt einige Sachen links liegen, die sichtlich überlagerte leibliche Mutter, die zweimal mit hysterischen Anfällen ins Bild kommt, aber ansonsten zugunsten der neuen besonnenen Frau recht ignoriert wird, außerdem hat Delon zwischendurch ein paar Bronson - Allüren und die Obrigkeit möchte gerne ein Exempel statuieren; helfen tun ein paar gute Darsteller und gerade das Vater - Sohn - Gespann und eine Art erstmalige Annäherung ist nicht schlecht.
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