Adriano Celentano

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Frau Stockl
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Re: Adriano Celentano

Beitrag von Frau Stockl » Di 21. Mär 2023, 22:44

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In dem Augenblick, indem ich sie zum ersten Mal sah, wusste ich, dass sie ein anderer Mensch ist als alle anderen.
Pasquale Festa Campanile als Krachmacher, als Klamaukkünstler, eine Explosion gleich zu Beginn, ein lärmiges Hau drauf auch viele Jahre später. Greystoke - Die Legende von Tarzan, Herr der Affen (1984) war nachher, Tarzan - Herr des Urwalds (1981) eher. Als Abenteuer im Urwald gestartet, das Hauptaugenmerk und die Szenerie sind folgend deutlich dichter und dem Menschen näher. Vom Rande eines Regenwaldes hin zur italienischen Metropole, raus aus dem Dschungel, rein in den Film. Bingo Bongo heißt das Wesen, möglicherweise eine Kreuzung aus Mensch und aus Tier, gespielt mit Inbrunst von Adriano Celentano, ihm gegenüber und zur Seite Carole Bouquet (streng gescheitelt, blasse Haut, rote Lippen, tiefer Ausschnitt: “Das hier meine Lümmels, beide für mich, links und rechts. Mein Spielerchen.“), als Pläsier.

Ich wohne hier, mein Stall.
Biologische Fragen werden gestellt, anthroposophisch, phylogenetisch, philosophisch, sozialstrukturell, die Filmemacher laust der Affe im Pelz, bald wird es deutlich sexuell. Es hagelt auch bald Backpfeifen, es fliegen die Bananen, es gibt Haue auf die Finger; Celentano sorgt für den Wahnwitz, Bouquet für die Würde. Die Frau in der männlich dominierten, eher feindselig gestimmten Wissenschaft, eine Augenweide, eine Zierde.

Seid sie nicht mehr da war, begann ich mein Fell zu verlieren. Es heißt, dass der Wolf sein Fell verliert, nur niemals seine Laster. Ich dagegen habe sehr viel Fell verloren, aber das war auch alles, keine Laster.
Vom Blödelfilm mit den Grimassen zur körperlichen Akrobatik, es gibt den Kulturclash, die Tücken der Moderne, die Popmusik zur Videoästhetik, die Flucht von einer technischen Baute in die nächste, vom weißen sterilen Institut in die Kanalisation, in die Unterwelt, über Gullydeckel und U-Bahnstation. Akustische Verkaufsschlager auf der Tonspur, die Bilder des Blockbusters (in der einheimischen Jahresliste nur hinter Wer hat dem Affen den Zucker geklaut?, Meine Freunde, dem hierzulande nicht veröffentlichten In vaggio con papa, und dem ebenso innerhalb des Landes gebliebenen Scusate il ritardo) als Ergänzung, die Handlung (trotz Satire auf Konsumkultur und einer Ansprache für Tier- und Umweltschutz) bloß das Alibi, Mittel zum Zweck nur. Neben all den (teilweise offensiven, gerne aber nur niederen) Albernheiten gibt es als Pluspunkte einige tonästhetische Schmankerl, tatsächlich einen Einblick in den Raubbau der Natur, einen körperlich fitten Hauptdarsteller, der sich durch nichts beirren und nicht verwirren lässt. Es gibt ein bisschen Dr. Dolittle und eine adäquate Schimpansendressur (derselbigen wie aus Phenomena, 1985).

Weil ich es damals nicht geschafft hab, von den Menschen akzeptiert und aufgenommen zu werden, habe ich zunächst mal wieder Unterschlupf bei meiner Sippe gefunden.
Mann und Frau sehen sich dann nach der Hälfte des Filmes, nach der ersten Odyssee durch den Menschenzoo von Mailand wieder, dann kommt die Anbahnung, die Abmahnung, das Hin und Her von Anbetung und Abneigung; Bouquet im Badeanzug, im Schlafanzug, im Negligé, nackt in der Badewanne; kein Wunder, dass das Tier im Manne erweckt wird und öfters kratzend an der Türe steht.
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Frau Stockl
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Re: Adriano Celentano

Beitrag von Frau Stockl » Sa 20. Mai 2023, 17:21

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Je später der Abend, desto schöner die Gäste, heißt es zumeist; hier wird auch in den schon dunklen Abendstunden in die Unterkunft eingetreten, gehört der Gastgeberin, der Wirtin, der Dorfschönheit selber schon der erste Preis. Alle Blicke fallen auf sie, es wird bejubelt, es wird umbuhlt, es wird umtanzt wie vom Pfau, ein simpler Markteinkauf gestaltet sich als Reigen; das begehrte Objekt, die Trophäe ist aber schon umgeben, es ist dem Celentano seine Frau. ('Ich habe sie gesehen. Sie ist ein Weib wie alle anderen.') Claudia Mori spielt die Titelfigur, zum Zeitpunkt des Dreh schon fast zwanzig Jahren mit dem hier erst später auftauchenden Schlagerbarden verbandelt und verheiratet, die Konkurrenz unwissend davon machtlos und außen vor, jeglicher Anmachversuch vergeblich und von vornherein veraltet.

Veraltet ist auch die Herangehensweise, wird sich um Klassenunterschiede bemüht gemacht und um den jeweiligen Titel, die Herkunft, den Schmuck der Bezeichnung, das öffentliche Gezier. Es wird nicht entschieden lassen, sondern miteinander gestritten und ein Wettbewerb untereinander veranstaltet, ein albernes und würdeloses Getue, eine Possenkomödie, die die ersten Szenen gestaltet. Erinnern tut das Benehmen, nicht der Benimm der (männlichen) Beteiligten an Theater; Theater ist auch die Quelle und die Form des Stückes in seiner Aufführung, der Auffassung, der Dramaturgie, des Humors, sichtbar bis in die hinteren Reihen, die Sitze weitab im Dunkeln, fern von der Bühne im grau matschigen Fundament, nur die Schauspieler am Funkeln, die Aussage (Liebe ist hier nur ein Spiel, meist ohne echtes Gefühl) eher nicht.

Ein Kostümfilm diesmal, mit Mieder und Perücke, mit Anstand und Umstand, mit Getue und Gewese. Die Einrichtung ist überschaubar bis spartanisch, ein Haus zum Leben, mit dem nötigen Alltäglichen, kein unnützer Tand oder groß Schmuck nämlich. Eine Kokotte, eine Kaschemme, eine Kalesche, viel Steingemäuer, ein paar harmlose Slapstickeinlagen, viel Worthülsen, innere Gedanken, Monologe, Widerworte und Gesülze. Dazu gibt es Wein, Weib, Tanz und Gesang, es gibt Abstecher in den Musikfilm, es gibt mehr Personal als Gäste; wobei zu letzteren so ab Ende des ersten Quartals auch der Celentano dazu gehört.

Dieses Gasthaus ist nichts für mich, das muss ein Irrtum sein. (...) Hier wimmelt es nur so von Frauen. Alles wird nur von Frauen erledigt. Wie viele werden es sein, fünf oder sechs? Auch die Wirtin ist eine Frau.“
Gespielt ist das alles auch für die Bühne, etwas aufdringlich, etwas drüber, nicht feingliedrig; erinnern tut es aufgrund einer gewissen Isoliertheit und Intimität leicht an den französischen Louis, der Geizkragen, mit allem drum und dran sogar, und vom Inhalt bzw. einem Aufhänger her natürlich an Des Widerspenstigen Zähmung, ebenfalls Theater als Quelle, dort aber in Veränderung, Eigenständigkeit und Modernisierung. Es gibt eine Art allwissenden Erzähler, der diese Posse um Cavaliere, Marchese, Conte hier auch beeinflusst, es gibt zwei falsche und auffällig falsche 'Damen', eine Schmierenkomödie quasi; die Kamera steht, die Gefühle ändern sich oder bleiben gleich, die Geschichte bewegt sich, berührt aber nicht.

Sie halten es für eine Schwäche, sich in eine Frau zu verlieben.“
Natürlich kommt es erstens anders, und zweitens als man denkt, ein Geschlechterkrieg, ein Spiel, die Frau als treibende Kraft und 'manipulatorisch', wie so oft in den Beziehungskomödien von Celentano, hier nur mit jahrhundertealter Vorlage, die wie angegossen passt und im Text oftmals getreu übernommen wird, die Inszenierung selber macht nicht viel. Die 'Musical'einlagen sind eher affektiert und gleichzeitig leicht einfallslos, die Mori macht es dafür darstellerisch ganz gut, Celentano spielt die Rolle inwendig und auswendig, aber ohne viel Kraft und ausnahmsweise eher schwach wirkend.
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Re: Adriano Celentano

Beitrag von Frau Stockl » So 21. Mai 2023, 09:08

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Schmierenkomödie, Kasperletheater, erwachsene Männer verkleidet als kleine Jungs, eine Freundschaft, die vor 30 Jahren schon begonnen hat und damals wie heute nur Jux im Kopf hat und Dummfug. Die Zeiten mögen sich geändert haben, das Verhalten ist geblieben, werden dumme Sprüche am laufenden Band gemacht, Politessen auf den Hintern gehauen, zusammen Unsinn gemacht und Spielereien, gerne mit ahnungslosen Mitmenschen und zu deren Ungunsten getrieben. Kalauert wird ordentlich und reichlich, Celentano bekommt hier die Stimme von Danneberg, was seine Figur nur geringfügig sympathischer macht, entpuppt man sich eingangs vor allem und dann noch im Zweierbund und Zweckverband als Verstärkung doch als ziemlicher Giftzwerg. “Ihr quatscht vielleicht ein dämliches Zeug zusammen.“ heißt es zurecht und heißt es beizeiten, aufgerissen wird trotzdem, was bei drei nicht auf den Bäumen und auch, was eigentlich nur halb so alt wie die beiden 'Charmeure' ist.

Offensiv, sexistisch, chauvinistisch, brachialer italienischer Klamauk ohne Tabus; mit Geld und Direktheit kommt man hier überallhin und überall weiter, politische Korrektheit ist nicht das Ziel, die Stimmung schwankt zwischen aggressiv und im Blödsinn heiter. Celentano hier mal nicht allein auf weiter Flur, sondern mit einem Freund, einem Partner, noch auch einem Kompagnon, es wird sich alles geteilt, die Wohnung, das Geld, im Wechsel auch die Frauen. Ein großes Junggesellenleben, immer auf Achse und nie allein, ein ereignisreiches und freies Leben und Liebe, Frechheit sieht, bis eines Tages die richtige Frau oder doch die Falsche um die Ecke biegt.

Die Frau ist eigentlich schon vergeben, kurz vor der Heirat (“Was machen Sie denn da?“ - “Ich küsse die Braut, das ist doch Brauch.“ - “Aber erst nach der Trauung.“ - “Mir ist es aber lieber unbenutzt.“), das ändert aber nichts an der aufkommenden Liebe, ein Grund, aber kein Hindernis, das kümmert die beiden Hallodris kaum, das schadet nichts. “Wer ist denn das?“ - “Das ist der Mann, den ich beabsichtige zu heiraten.“ - “Der sieht ja aus wie ein rasierter Frosch.“

Wie auch in anderen Filmen kommt Celentano mit dieser Masche natürlich durch, das mögen die Frauen, die Werke im Grunde eine Marke, ein eigenes Subgenre fast, die spezielle romantische Komödie, der Humor kommt mit dem Holzhammer und durch einige Absurditäten, welche hier in Richtung von Castellano & Pipolo auch probiert wird, die Romantik allein durch die Kombination (ungehobelter) Mann und darauf hineinfallende Frau, gerne jüngeren Datums und attraktiven Aussehens, gerade im Vergleich zum optisch eher gewöhnungsbedürftigen Barden, der selbst in den Augen seines besten Freundes eher wie der Aff' doch wirkt. Eine Mischung aus Bingo Bongo und Der gezähmte Widerspenstige hier, bloß mit dem Zusatz, dass der markante Darsteller hier noch eine Art Konkurrenz hat, keine ernsthafte zwar, eher so eine Art Miesepeter, ein Eifersüchtiger, ein die aufkommende Liebe Missbilligender, zumindest laut Skript. Immerhin ist auch der weibliche Zusatz nicht ohne, ergreift nach ersten Erkenntnissen und Verweigerungen doch die Initiative, wird vom passiven Widerstand zum aktiven Part in der Geschichte, was dann die alte Mär von harter Schale und weichen Kern auslöst und auch beim Der Größte bin ich sich zunehmend in den Fokus dann drängt: “Ja, das Telefon kann bestialisch sein. Je öfter man anruft, desto seltener antwortet einer.“ - “Nein, ich rufe ja niemanden an, wieso? Ich spiel nur mit den Fingern in den Löchern da rum, wieso?“ - “Aha, du machst aber genau das Gesicht von einem, der keinen Anschluss gekriegt hat.“ - “Also wenn überhaupt, dann haben die, die nicht antworten solche Gesichter wie ich. Also ich wollte sagen, die haben dann so ein Gesicht wie du.“
Hier wie dort gibt's in all den Geschichten auch einige Wahrheiten, die dramatisch wirken und schmerzhaft ehrlich sind.
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Re: Adriano Celentano

Beitrag von Frau Stockl » Do 25. Mai 2023, 12:42

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Es gibt immer Leute, die wissen alles. Und Leute. Die wissen Nichts.“
Eine erstaunlich aktuelle Fassade wird in Der Brummbär aufgezogen, Großstadt, Weltstadt, Hochhäuser, Straßenlärm, Glasverzierung, brodelnde Zentrale und wogende Metropole. Der erste Eindruck täuscht, New York ist nicht der Schauplatz, wird man gleich abberufen, geht es nach einem Telefonat in den Flieger, der Heimat der Filmemacher Castellano & Piplo, geht's zurück nach Italien, geplant war ursprünglich Florenz, jetzt nun Endziel Pisa, . Ein Kulturschock nicht bloß für die einbestellte Frau und Hauptfigur, sondern bald auch für die Zuschauer, zumal in den Flieger auch noch ein Scheusal auf zwei Beinen einsteigt, “Was soll dann die Frontalanquatsche?', ein Brummbär mit mehr Potenz als Eloquenz.

Weiber sind zu allem fähig. Das liegt tief verwurzelt. Und sie lügen, seit sie Kind sind. Kindeslügnerin mit Locken, typisch.“
Celentano wirkt im Deutschen immer wie sein Synchronsprecher, mal wie Hill, mal wie Chase, hier wie der Mann mit den verzogenen Mundwinkeln, mit mehr Abschreckung bis Abscheu als die wohl gewünschte Coolness, mit dem bösen stechenden Blick, also wie Stallone. Eine aussterbende Spezies, die letzte Gattung, die Grobheit als Zeichen der Komik, und trotzdem oder deswegen Schlag bei den Frauen, im Film zumindest, in Realität?: man ahnt es schon, man weiß es nicht. Wohin die Reise überhaupt geht und wozu sie führt: der Kniff mit den vertauschten Koffern, ein altes Gagkonzept, hier neu aufgelegt und umrührt und mit Celentano als Star sowie Feuer als Attraktion geschnürt.

Ein abrupter Überfall im Hotelzimmer später (“Wer sind sie? Wo ist mein Mann? Was wollen sie von mir? Wollen sie mich vergewaltigen?“) leiert sich die Geschichte auch an, man hat mehr Tempo als früher, das liegt am Krimi, den gleichen Charme wie damals (“Hier war ein Mann im Zimmer, der mich vergewaltigen wollte!' - “Und, geschafft?“), die wenigen Haare nach vorne über die Platte gestülpt und noch spärlicher. Eine Verfolgung durch die ehrwürdige Altstadt, ein paar Gauner, ein paar Schergen, ein Toter und mehrere Suchaktionen später wird dann auch begonnen, sich zu erkunden und zu ermitteln, mal zusammen mit der “Schreibmaus“, mal alleine, gerne gegen eigenen Willen.

Dass die beiden Frauen (dem Brummbär seine Sekretärin und die Klientin) dabei wesentlich besser zusammen passen würden als jemand mit dem Griesgram, dass die beiden Damen sich gleich miteinander verstehen und helfen, wenn auch in eine Richtung nur - Beziehungen sind nicht so die Stärke der Regisseure -, drückt sich dabei schnell durch und fällt auch einem Blinden auf. Den recht international wirkenden Ansatz des Filmes, welcher an die Kooperationen zwischen Douglas & Turner erinnert, oder Dundee & Kozlowski, können die Amerikaner aufwändiger und eigentlich auch besser, das Huldigen des Stars hier, der damit seine letzte Arbeit für Castellano & Pipolo absolviert hat (oder andersrum), ist zuweilen nervig bis ärgerlich bis peinlich, es gibt eine Entführung, eine Befreiung, einen Geheimplan (“Oi, oi, oi, ihr Mann muss aber ein Umstandskommissar gewesen sein, was? Kein Zufall, dass er Machiavelli hiess. Hm, versteht sowieso keiner, lach ich allein drüber.“) und eine Art Schatzjagd, wobei der arme Celentano auf seine alten Tage (und dann noch ohne viel Beachtung, der Film taucht in den mittlerweile von Hollywood dominierten einheimischen Kassenschlagerliste gar nicht mehr auf) noch ins Abenteuergenre mit den Actionszenen wie dem explosiven Beschuss eines Jeeps aus einem Kleinflugzeug und anderen Sperenzchen muss.
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Re: Adriano Celentano

Beitrag von Frau Stockl » Mo 29. Mai 2023, 09:48

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Der dritte Film unter Sergio Corbucci, diesmal im hier und heute, im zeitgenössischen Italien angesiedelt, mit Zeit- und Lokalkolorit, zu Beginn auch mit ein wenig Politik. Abgesagter Bahnverkehr, eine bewaffnete Polizeiwehr, Radau und Randale, Bilder von Mob und Todesangst, das reicht für die Schlagzeile, mehr gibt der Tumult trotz Molotowcocktails nicht her.

Ist ja ein reizender Ton hier.“
Ein Dichter und ein Fotograf, zwei Männer der Künste, ersterer etwas unsicher im Leben, der andere eine “ausgefuchste Schmeißfliege“. Ein kleiner Dicker, “Häuptling Sitzender Fettklops“, und einer, der die Frauen reihenweise ab- und rumgekriegt. Einer ist stocksteif, der andere Der Supertyp. Ein schmutziges Mundwerk hat der Film, schmutzige Gedanken auch, Frau Bach ist erst barbusig auf schwarzweißen Abzügen, und dann (vollends nackt) in farbiger Lebensgröße auch. Kein Blatt vor dem Mund, kein langes Zögern.

Ein unfreiwilliges Buddy Picture ist die Folge, es geht ums Geld, geht um den nächsten Aufruhr, es geht um Lektion und die Anpassung an das Leben. “Ich bin kein Fremder, ich bin dein Kumpel, Genosse.“ - “Du bist weder ein Kumpel noch ein Genosse.“ - “Dann eben dein Freund oder Bekannter oder Feuerschlucker.. Also jemand, für den du immer da sein kannst. Und nebenbei bin ich auch dein Guru und dein Medizinmann.“ Ein dunkles Brauses in der Handlung, viel Gesagtes, viele Wendungen, ein Feingeist und ein Freigeist, die Kultivierung des Humors, ein Hangeln von einer Bewegung zur anderen, Verfolgungsjagden vor kriminellen Pferdedieben und feministischen Arbeitsgruppen, die sich an der Handhabung des Spekulums probieren.

Die Zivilisation ist auf Aggro und Anarcho, jeder Tag ein Überleben, Freiheit, Talent und Drogen, Prügeleien alle naselang, die Gesellschaft ist am Ende. Demokratie nur dem Namen nach, Dekadenz herrscht vor und Wut; bald geschieht ein Mord. Schwarze Komödie, Satire, die Karikatur eines außer Kontrolle geratenen Staates, Neorealismus, ein menschliches Drama, alle Mann auf Gefechtsstation, von Corbucci wie aus der Hüfte geschossen und dennoch präzise. Eine freudvolle Desillusionierung, ein belichtetes Negativ, ein rastloses Treiben, jeder spielt nach seinen eigenen Vorstellungen und Regeln; “eine sehr komplizierte Geschichte, aber sehr sehr menschlich.“
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Re: Adriano Celentano

Beitrag von Frau Stockl » Mi 16. Aug 2023, 11:59

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Corbuci und Celentano eine Zeitlang als eingespieltes Team, vier verschiedene Werke, Geschichten mal damals und mal heute, Komödien mit mehr Aussage- und Sprengkraft und mal weniger. Celentano hier mit seiner Ehefrau auch an der Seite, der Vorspann verklärt und verkleidet die Zeit, ein Blick ins früher, damals war alles edler und damals war alles besser. Das Wichtigste des Tages: Frisches Wasser aus Rom und die Freilassung eines Ganoven.

Der Mann ist stadtbekannt, er wird selbst von Blinden schon an den Schritten erkannt (“Und jeder Schritt so scharf wie es sein Messer war.“). Angst wird gesät und verbreitet, “Guten Tag euch allen“, schnell flüchtet der erste Denunziant. Ein Jahr Gefängnisluft, die Gefolgschaft ist noch da, kein Benimm und keine Manieren. Die Klingen werden schon gezückt, und erst gestoppt, als die Polizei mit Untersuchung und Verhör anrückt. Das eigentliche Problem ist auch schnell erkannt, Rosa, eine Frau, 'der Größte von Borgo' besteht auf Treue und Gefolgsamkeit, hinter der Gefährlichkeit ist er ein Gockel, er ist ein Mann.

Ein Sittenbild wird hier gezeigt, ein Gangsterplot, Gesetzeshüter, Gauner, Spione und Informanten, die Hölle auf Erden, ein kleines verwinkeltes Viertel. Die Treppen sind abgeschabt, die Wände verkratzt, porca miseria, der Film spielt 1900, es geht ein wenig um die Zustände auch, die Geschichte, die Politik, die Klassenunterschiede und die Geschlechtertrennung, es geht ums Geld. Viel antike Dekoration im Rondell wird geboten, auch wenn man die Grundregeln der Hygiene widerspricht und auch keinen Orientierungssinn in den Räumlichkeiten aufweist, alles ist irgendwie nebeneinander, mit zwei Eingängen und dicht an dicht gedrängt.

Drängen tun sich auch die Fäden der Handlung, die Fehden, die Scherereien, es gibt ein Fischmassaker, eine Geschäftszerstörung, eine Stimmung im Aufruhr, wie kurz vor dem Krieg. Es gibt schnell eine Herausforderung zum Duell, es gibt eine Prügelei mit dem Dorscht als Schlagwaffe und eine Steinschlacht auf dem Felde. Oft Kindereien, wie ein großes Abenteuer zu groß gewordener Kinder, doch zunehmend mit einem Ernst und dem Regelkodex angegangen, der bald keine andere Möglichkeit als zunehmende Intensität und Fatalität in sich birgt. Bis zum letzten Blutstropfen, das Ende einer Ära, das Ende der Ehrenmänner, das Ende vom König der Ganoven, vom König der Verbrecher.
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Re: Adriano Celentano

Beitrag von Frau Stockl » Sa 19. Aug 2023, 12:34

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Eine der Zusammenarbeiten von Celentano mit Corbucci, welcher zuweilen gewisse Aussagen in die Filme mit einbrachte, die Komödie und die Unterhaltung aber nicht außen vor ließ und sich schon darauf konzentrierte, politisch oder gesellschaftlich gehauen und/oder gestochen wurde dann eher in Nebenszenen. Hier beginnend als Gefängnisfilm, Singsang im State Penitentiary, Überraschung gibt es durch einige weitere Darsteller, so spielen die junge Désirée Nosbusch und auch Vanessa Redgrave mit.

Gesiebte Luft wird hier geatmet, die Sträflingskleidung ist wie beim Zebra, schwarz-weiß gestreift, selbst die Kugel an der Fußkette ist hier vorhanden, man befindet sich humoristisch auf lautem Pegel, Klamauk und Comic. "Ich hab schon viel Mist in meinem Leben gesehen, aber noch nicht solche Scheiße!" lautet das Urteil des Produzenten und obersten Kritikers hier, handelt es sich doch bloß um eine Vorstellung, um einen Film im Film, ein Blick auf die eigenen Kommerzialität, geht es um Sein und Schein, und Kunst und Realität. Der Finanzier rastet vollkommen aus angesichts der "linken Kunstscheisse", die beiden Vollblutkomiker bleiben sitzen und reden über weitere Ideen, der nächste Film beginnt.

Ein Tanz durch die Genres hier, ein Panoptikum des Kintopp, Gedanken bereits umgesetzt in Visualität, aus den Texten werden Bilder. Der erste Film endet im Knast, der zweite beginnt im Puff, so hangelt man sich durch die Ideen und die komödiantischen Manöver. Das sind eher lange Gags mit wartenden Pointen, in einem kurzen Film mit vielen Wechseln, eine Anekdote nach der anderen, manchmal spielt Celentano mit, manchmal wartet man auf seinen Auftritt. Immerhin wagt man sich ins Ausland, hier, in England spielt die erste Story, u.a. vor dem Buckingham-Palast, man will der Königin einen Besuch abstatten, weil man sie für die leibliche Mama hält; ein Missverständnis aus frühester Jugend, das hat die Nosbusch als Blickfang in einer Nebenrolle und das hat ein paar touristische Bilder. Politik, wenn man das so nennen will, Regierungsformen, Klassenunterschiede, es gibt auch ein terroristisches Attentat, es gibt Groteske und Satire, es wird viel Unsinn geredet und um den Brei drumherum, dann wird getrunken und gebechert. "Ja, das ist deine Art von Humor. Also mir fetzt das nicht direkt die Schale vom Ständer."

Ein Krimi kommt als nächstes, diesmal tatsächlich etwas Neues, ein Unikum, Celentano nicht bloß als harter Mann wie sonst oft, sondern als Polizist, als Detektiv, als Commander Bogey, Spezialeinheit Grüner Sonnentopf, als Ermittler. Das ist unbekanntes Terrain für den Zuschauer und für ihn, und das ist so etwas wie die Antwort auf die Reihe um 'Toni Maroni' bzw 'Nico Giraldi', die Polizeigeschichten vom Tomás Milián, speziell Ein Schlitzohr außer Rand und Band (1981), zumindest anfänglich. Beginnend mit einem Mord in einem chinesischen Restaurant fallen (im Deutschen, ausgedrückt durch die Synchronisation von Thomas Danneberg) dann auch gleich die entsprechenden Kalauer ("Um-lei-tung, pfurz in Wind", als Verabschiedung eines der Zeugen, eines Küchengehilfen), um sich dann dem Fall einer gestalkten Schauspielerin, dem Star von "Panik zwischen nackten Schenkeln" zu widmen, die Drohanrufe bekommt, was der ganzen, jetzt eher an Angst über der Stadt (1975) erinnernden Angelegenheit hier eine erneute Metaebene hinzugibt, "Der Typ hat eine Meise. Ist ja auch ein Filmregisseur."; gehalten ist das übrigens reichlich grob und kräftig im Sleaze. So gibt es einen bösen Fenstersturz, eine Art Autohatz, nur rückwärts und in Zeitraffer, das zu beschützende Opfer, wahlweise "die Puppe", oder "die Braut", wird eher drangsaliert als beschützt, dazu gibt es Nackedeiaufnahmen, aber auch ein nächtliches Treffen an einem wüsten Horrorfilmset.

Celentano, welcher hier und insgesamt auch vermehrt auf der Tonspur zu hören ist, macht hier wieder seine Nummer mit dem Raubein, dem Grobian, welcher natürlich trotzdem oder dennoch oder deswegen reihenweise Schlag bei der Damenwelt hat. Ein greller Action- und Schundkrimi als billiges Milieuporträt, nicht gänzlich uninteressant, aber schon sehr seltsam im Humorverständnis, und reichlich geschmäcklerisch.
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Re: Adriano Celentano

Beitrag von Frau Stockl » Mo 2. Okt 2023, 01:08

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Anthony Quinn leitet dabei das Geschehen ein, Celentano übernimmt, “Augen wie Kastanien, ein Blick wie ein Adler, ein Mann wie ein Wolf“, das atmet erst gesiebte Luft, zuweilen erinnert man im Ton und in der Synchronisation an die Werke um Spencer/Hill, beide flott mit dem Mundwerk, einer körperlich auch flexibel, der Andere weniger ein Mann wie ein Wolf, eher ein Mann wie ein Bär. (Quinn wird im Deutschen von Arnold Marquis gesprochen, der fast zwanzigmal den Spencer 'verkörpert' hat; Celentano hört sich durch Manfred Schott eher nach dem jungen Dustin Hoffman bzw. Jack Nicholson an.)

Das sind die Dreißiger hier, oder eher die frühen Zwanziger, nach und vor dem Krieg zumindest, vor dem Faschismus, es gibt viele Fragen, vom Hauptdarsteller reichlich dumme Antworten ('Du gehst mir aufs Gemüse mit Deinem Gequatsche.“), es gibt Sexismus, die Gegend ist mit Dämmerschein bloß beleuchtet (“Nimm du dir auch 'ne Funzel, wir brauchen mehr Licht.“), mit blassen Schimmer, mit braun-grauen Tönen getäfelt, es wird noch einmal gefeiert, Champagner aus dem Knobelbecher. Man dreht sich etwas im Kreise, raus aus dem Gefängnis per Trick, rein in das Gefängnis per List, eine Handhabe mit kleineren Gaunereien, mit Rauferei und Explosionen; die letztere auch größer, aber bloß als Ablenkung und auch so nachlässig gefilmt. Dafür gibt es Überraschungen, viel ist Scharlatanerie und Scharade, ein Spiel mit Glück, mit Treu und Glauben, und mit falschen Versprechungen sowie ebensolchen Identitäten. Entsprechend dessen wird verfolgt und geflohen, zu Fuß in den Sprint gegangen, geschossen, ein Oldtimer kopfüber in ein tiefes Loch gestürzt.

Ein Duell der Giganten, stets in Bewegung, zu Wasser, zu Land und in der Luft quasi, eine zufällige personelle Kombination, die durch gemeinsame Talente und den gleichen Feind und entsprechend umso enger miteinander verknüpft ist. In Sachen Humor nutzt man wie gewohnt alle Mittel, Celentano läuft auch hier schon mal mit 'Schuhcreme' im Gesicht als “Abdullah“ herum, also 'Blackfacing' es gibt einige Ohrfeigen, ansonsten vielerlei episodenhafte Betrügereien, gerade in der erzählerischen Mitte. Es gibt Versteckspielchen, es wird geschwindelt, dass sich die Balken biegen, immerhin bemüht man sich um eine gewisse Portion Zeitkolorit, um Dekoration, um eine Mischung aus Reichtum und Simplizität. Die Welt hier voller Spielernaturen, es gibt eine Mentorenschaft und einen zweifelnden und zweifelhaften Mentee, eine persönliche Rache als Motor des Ganzen, dramaturgisch ist das eher lose: Erst wird das Startkapital erwirtschaftet, dann mit einer Motorboothatz das Finish eingelegt. 110 Minuten veranschlagt man dafür, Celentano hat für sein Schauspiel einen Preis gewonnen (“Der Einzige, der hier totalen Einsatz bringt, bin ja wohl ich.“), Quinn spielt ihn aber jedes Mal beiseite, auch Corinne Cléry wirkt eindrücklicher, vor allem ist sie attraktiver.
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Re: Adriano Celentano

Beitrag von Frau Stockl » Fr 23. Feb 2024, 17:18

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Schwarzweiß ist man hier sogar gehalten, wehmütig, ein Abschied wird 'gefeiert', eine Reise nach Amerika, allerdings nur bis zum Hafen und dem Abschied aus der Ferne und in die Ferne begleitet, dem Papa Adieu gesagt oder eher Addio, die Mutter winkt und schnäuzt und weint. Celentano spielt hier (später in Farbe) wieder mit seiner Ehefrau Claudia Mori zusammen, der Beginn fast Neorealismus, mit der Verwendung dokumentarischer Bilder, das streut und sträubt sich schnell, es handelt sich um eine Dramödie. Die Gegend ist (und bleibt) ärmlich, das Geld wird mit den Händen verdient, es wird gespart für große Ziele, die Leute sind gereizt, manche regelrecht wütend. Es wird ausgewandert wegen der Armut und wegen der erhofften und geglaubten Freiheit, dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, vom Tellerwäscher zum Millionär, so lautet der Slogan, L'Emigrante hier der eigentliche Titel, Der Kleine mit dem großen Tick so ähnlich glaubhaft wie Celentano in Perück' und Frauenkleid; “Sie ist noch hässlicher als du.

Auf geht die Reise, im Laderaum statt einer Kabine, man folgt und sucht den Vater, die einstige Heimat ist nicht so wichtig, das, was zwanzig Jahre nicht da war, ist die einzige Sehnsucht, nichts hielt einen mehr Zuhause, nicht die Mutter, die halbes Dutzend Geschwister, keine Zügel und kein Zaum. Slapstick wird geboten, neue Welten entdeckt und neue Personen, woanders wird gesungen, woanders wird gefeiert, wird am Luxus und am Leben teilgenommen, genießt man die Annehmlichkeiten, die Produktion wird spendabler, sie tut zumindest so als ob, in Ankunft in 'New York' wird dennoch klagend balladenhaft begleitet. Massenszenen und Klassenunterschiede, grober, nicht gänzlich einfallsloser Humor, und eine Desinfektionsdusche bei Ankunft auf festen Boden, die fast und dies unverblümt an eine Gaskammer erinnert.

An Dekoration wird nicht gegeizt, die alten Oldtimer aufgefahren, ein paar (kläglich aussehende) Viertel (die von Brooklyn und Little Italy) aufgebaut, es gibt viel Statisterie, die Kamera beweglich, die Dialoge zuweilen geschliffen, die Emotionen glaubhaft, ein Aussteigertraum in Kulisse und Kostüm. Dann schlägt die “Schwarze Hand“ zu, “Wer bezahlt, den schützt sie.“, ansonsten werden Bomben durch die Gegend geworfen, die Lokalität zerstört, eine rustikale Detonation, eine explosive Stimmung, das Durchbrechen eines größeren gläsernen Gewächshauses mit einem '32er Ford Modell B; Blödelgags mit Stunts und Effektivität. Bald fängt der Gangsterfilm mit an, ein ungewöhnlicher, Maschinengewehrsalven von der Konkurrenz, “Dieses Land ist nicht gut für dich.“, Celentano hier noch als Schauspieler, als Darsteller einer Rolle, als überzeugende, tatsächlich atmende Figur, als Sympathikus auch, Ein Knallkopf in der Unterwelt, als Protagonist im Schelmenstück, es gibt Arbeitslosigkeit und trotzdem oder dennoch Streik, es gibt hier wie Zuhause Schwindler, Armut, Schmutz und Dreck, es gibt trotz der Vier-Millionen-Stadt eins, zwei, drei Verbündete, die man im günstigen und im pünktlichen Moment immer wieder trifft. Eine Verlässlichkeit, die hier auch das Drehbuch und die Inszenierung umfasst, das große Ganze, die erste Zusammenarbeit von Campanile und Celentano, der im selben Jahr noch Hilfe ich bin spitz...e! und nach zwei Episodenführern (Ein total versautes Wochenende & Don Tango – Hochwürden mit der kessen Sohle) & der berühmt-berüchtigte Bingo Bongo (1982) am Folgen sind; Campanile hat (wie sein Darsteller auch) zeitlebens alles gedreht, er unterschied nicht zwingend zwischen U und E.

Dass es nicht tatsächlich im Gelobten Land spielt, also nicht dort gedreht wurde: geschenkt; die Leute haben hier andere, gar richtige Probleme, sie werden beim Schlafen gestört, von den Oberen Zehntausend, sie halten sich mit Tagelöhnerjobs mühsam über Wasser, zu viel zum Sterben, zu wenig zum Leben. Es gibt eindeutig Makaberes zu besichtigen, allerschwärzester Humor, aber ohne Sarkasmus oder gar Zynismus, wie ein Streich auf Kosten anderer, oft bleibt das Lachen im Halse stecken; dann wird es wieder albern, eine Mischung aus vielen einzelnen Bestandteilen und Abenteuern, ein Kaleidoskop aus vielen verschiedenen Eindrücken, wie stets unterbrochenen und neu aufgenommenen, teils humoristischen, teils melancholischen, teils geschmacklosen Traumata und Träumen; “Mein Lieber, das Leben ist eine Passage. (Ein dunkles Gässchen, beleuchtet einzig und allein von Frauen.“)

Das ist ein wenig ausschweifend geraten, eine Geschichte so lang wie der Schauplatz groß, man lässt sich selbst vor allem auch für die künstlerischen Darbietungen von Frau Mori Zeit und für deren Intimität im Epos, die Liebe des Emigranten, die Muse des Paten, und die Muse des Filmes, (welcher überhaupt recht musikalisch angelegt ist und auch davon lebt.) Eine gleichberechtigte Bezugsperson, die Frau hier gar die Stärke der Paarung, die mit Arbeit und Gehalt, die mit dem festen Vorsatz und dem eisernen Willen. Entsprechend gibt es wie auch in den anderen Zusammenarbeiten des Ehepaares hier eine Form des Geschlechterkrieges zu bestaunen, in der das holde Geschlecht meist die 'Hosen anhat', das letzte Wort sagt, aber auch den Ärger macht bzw. anzieht, was dann auch den Mann betrifft.
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Frau Stockl
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Re: Adriano Celentano

Beitrag von Frau Stockl » Fr 29. Mär 2024, 01:28

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Gleiches Jahr, gleicher Regisseur, nächste Zusammenarbeit zwischen Celentano und Ehefrau Mori nach Der Kleine mit dem großen Tick, hier in Rugantino, wieder ein antikes Stück. Adrett in der Kunstverwertung, der Kultur, auf mehreren Ebenen gleich, politisch auch, “Nur schmutzige Dinge sind verboten.“ Die erste Verhaftung steht gleich an, nach einem Puppenspiel, indem man durch die Blume (oder eher der hohlen Hand) einige Dinge der Zeit auf den gebracht und ausgesprochen, laut vor allem, nicht verschwiegen, trotz Mahnungen und Warnungen einfach nur geredet hat. Freie Meinungsäußerung ist hier nicht so das Mittel der Wahl, im Film nicht, vom Film umso mehr, “Papst Pius und Leo sind Gottes Gabe, solange ich zu essen habe.

Pasquale Festa Campanile, der wahrscheinlich weitgehend übersehen oder unterschätzt wird, der zwischendurch im Bereich Erotik oder Sexploitation oder mit Bud Spencer den vergleichsweise wenig geläufigen Hector, der Ritter ohne Furcht und Tadel noch mit als bekanntestes Stück gewerkelt hat, versucht sich hier in einer wahrhaften Komödie im Kostüm, an einer Liebesgeschichte natürlich auch, an unterschiedlichen Formen der humoristischen Präsentation, auch an einem Period Piece. Mori ist hier wieder der absolute Blickfang der Umgebung, Stadtgespräch schon, der Schönheit, auch der Gefährlichkeit wegen, dem Begehren anderer Männer, und der Gewalt ihres Angetrauten, der eher Aufpasser ist und auf die Keuschheit bedacht, aber selber auch nur begleiten und sein 'Hab und Gut' beschützen, nicht Anteil dran haben darf.

Rugantino ändert dies und generell die Verhältnisse, ein neuer Einfluss von außen, die Aufweichung und Ausgleichung und Angleichung der bestehenden Ordnung, Rugantino kümmert sich gleichzeitig um viel, und um wenig, vor allem nicht um Konsequenzen, nichts ist ihm heilig. Im Handeln schnell bis eilig, die Worte schneidend, die Auswirkungen in Kauf nehmend und gleichzeitig nicht beachtend; das gefällt nicht allen. “Das ist gar nicht lustig.“ lautet einmal und bis dahin die einzige Widerrede, “Wie kannst du mit so einem Gesicht lachen? Du siehst einbalsamiert aus.“ ist bloß die Entgegnung; ein Satz Prügel die Folge, eine Verhaftung, da ist die Kausalität aber schon anders. Die Erzählung hier mit dem Schalk im Nacken und dem lockeren Ton, zwischen Aufklärung und Satire, zwischen Klamauk und einer persönlichen Bearbeitung und Adaption des zugrundeliegenden Originals, des 62er-Bühnenmusicals von Garinei und Giovanni.

An den späteren Mirandolina erinnert das natürlich, die Darsteller, das Thema, die Behandlung, hier bloß frecher, lebensbejahend, mit mehr Aufwand auch, wird durch die Gegend und nicht nur durch ein Wirtshaus gestreift, mit zuweilen subtilen Ansätzen, ein schnelles Techtelmechtel, teilweise raffiniert, nicht mehr grün hinter den Ohren. Ein wenig Politik und Standesdünkel wird eingewoben, Flirt und Versuchung, Verlockung und Bedrohung. Die Unterhaltung wird gesucht und gefunden, vom Film und den Beteiligten in ihm, gerne die Schadenfreude, die Mutprobe, die Scherze auf Kosten Anderer ("Nackt bist du besser als angezogen." - "Ich weiß, bei dir ist es andersrum. Angezogen bist du weniger hässlich."), das pure, nicht das unschuldige Amüsement. Ideen werden geboten, Amor und Psyche, Albernheiten, getarnt in Exzentrik und geheimen Plänen, in Klatsch und Tratsch, in mehreren Wetten. Das geht eine Weile gut, dann wird es überspannt, es kommt zum ersten Sterben.

Mehrere Schicksale werden in Augenschein genommen, mit großen Worten und ebensolchen Gesten, mit Hohn und Schabernack, es gibt Gewalt in und durch die Komik, Einfallsreichtum im Text und in den Bildern. Celentano hier eher als Gockel, als Pfau, als Hanswurst und nicht der Intelligenteste; die Hartnäckigkeit und der dargebotene Witz als die einzigen Vorteile des Mannes; aber das ist oft schon ausreichend. Er freut sich über seine eigenen Scherze und Späßchen, “Amüsierst du dich mit dummen Sachen?“, ein Motto des Filmes auch, nur ein Teil davon, der Rest ist fast philosophisch, er ist spätromantisch, er liefert auch natürliche Verhaltensweisen und nutzt Landschaft und Architektur reichlich. Eine Vielschichtigkeit, die hier noch neu und ungewohnt in der späteren Karriere beider, von Celentano und Campanile ist. Eine Art Karneval mit Ideologie und Gehalt, die Gefühle ehrlich, die Befindlichkeiten und Empfindlichkeiten glaubhaft, die Situationen aufgelöst, aufgeklärt, gefährlich.
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