Adriano Celentano

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Frau Stockl
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Adriano Celentano

Beitrag von Frau Stockl » Mi 22. Feb 2023, 09:50

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"Setzt auf mich, und ihr habt gewonnen." Gangstergröße, Spielerkönig, Lokalmatador, Maulheld, ein gewöhnungsbedürftiges, aber markantes Aussehen, ein durchaus kräftiger Körper, das Gesicht etwas verzogen, die Haare sich lichtend, die Frisur zwischen spärlich und grell. Ein Lebemann, ein Zocker vor dem Herrn, wo er auch bald selber höchstpersönlich steht und eine zweite Chance, einen Neuanfang oder doch einen Wiederbeginn erhält. Ein langer inniger Kuss, die Braut in Weiß, die Frau in jünger, die Titelfigur wendet sich direkt an das Publikum, die Synchronisation macht schon den ersten Kalauer. Der Mann im Anzug, aber ohne Manieren, die Regie ist von Castellano & Pipolo, die Stammleute von Celentano, die wie gewohnt ihre breite Komik spendieren. "Wenn du nicht mein Freund wärst, würd' ich dir den Kotzbalken aus der Sabberrinne hauen." ist einer der ersten Sätze, im Deutschen gesprochen von Dannenberg, die Tonart kennt man, die Stimme auch, die Verweise sind deutlich, die frühen Achtziger sind am Werkeln. Bald sitzt auch die erste Backpfeife, die Witze verbal (in der Synchronisation mehr und häufig) und körperlich gestellt, zahlreich und ihre Pointen am Verscherbeln. "Hundert Tage sollen so sein wie dieser heut'."

Die nächsten hundert Tage sind etwas anders, davon erzählt die Geschichte, ein Mann mit einer Veränderung im Leben, erst die Heirat, dann der Schwur, der nicht eingehalten wird, Männer bleiben auch groß geworden bloß Kinder. Sie haben ihre Leiden, sie haben ihre Süchte, die Frau (im durchsichtigen Negligé an ihrer Bettseite) zählt nur heute und nur für den Moment, es geht um das wahre Vergnügen (des Feilschens und Spekulierens), und es geht auch um das große Geld.

Die Gegend sieht dabei eher ärmlich, nicht speziell heruntergekommen, aber vom früheren Glanze zehrend aus, nicht aufbereitet und nicht renoviert oder modernisiert. Man wirkt wie aus früheren Dekaden, die späten Sechziger vielleicht, hinten ein paar Kinoposter, vorne der billige Hinterhof-Mafiafilm. Ein (trotz der Funktion als Kinoschlager, Platz #5 der einheimischen Jahrescharts; Der gezähmte Widerspenstige war auf Platz #2) abgewirtschaftetes Halblicht- und ein Gangsterszenario könnte dies hier sein, wie Der Superraub von Mailand (1964) als Remake, dem ist nicht so, wird doch bald gepokert, das Zeitliche gesegnet, der Weg vor Gott in den Himmel und dann auch wieder zurück eingelegt. Unterstützt von einigen markanten Nebendarstellern wird hier Lässigkeit und Coolness gepredigt und auch geboten, gilt die Kunst der Überzeugung, das Vermitteln fester Überzeugungen, das sichere Auftreten, das hemdsärmelig anmutende Gebaren, ein direkter Bluff.

Der Kniff mit dem Geist, der nur von seiner ihn über alles liebenden Frau gesehen und gefühlt werden kann, ist natürlich ein Clou für sich, die übernatürliche Komponente und die daraus folgenden Irrtümer und Missverständnisse der Quell vieler Arten von Humor, gerne (wie auch die Nackedeiauftritte von Fenech) eher offensiver Art und Weise und jetzt nicht zimperlich sind. Durch die Darstellerin von vornherein sexuell agiler bis aggressiver, geht es auch um das Thema der körperlichen Liebe, es gibt Andeutungen und Einblicke, es gibt Formen von 'Selbstbefriedigung' und Voyeurismus, überhaupt ist das Geschehen auch viel Blickwinkel (konventioneller, sprich traditionalistischer) Mann und (seinen altmodischen Ansichten widersprechende, da auch autarke, feministische) Frau; das hier ist nicht Ghost Dad, nicht Mein Geist will immer nur das Eine .., nicht die Nachricht von Sam, und trotz einiger entsprechender Anlagen wie einige Stunts und Effektszenen auch nicht Jagd auf einen Unsichtbaren, sondern südeuropäisch frivol (der Verkupplerplot, das Cuckolding inklusive Präsentieren der Reize der eigentlich eigenen Frau, die mit entsprechender Vorbereitung schon als Art auf den 'Kunden' – einem eher älteren und kleinwüchsigen Herren, eine “Zwergpymäe“, ein “abgebrochenes Setzei“ – zugestimmte 'Ware' eingesetzt wird) und später auch mediterran aufgeheizt.
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Yuki
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Re: Adriano Celentano

Beitrag von Yuki » Mi 22. Feb 2023, 11:55

:mrgreen: . Hab sogar noch die dt. synchronisierte DVD-Box lol. ASSO fand ich okay. Ich glaube, IL BURBERO aka DER BRUMMBÄR aka DER UNAUSSTEHLICHE war aber mein Favorit von den Dingern.

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Joachim Bauer
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Re: Adriano Celentano

Beitrag von Joachim Bauer » Mi 22. Feb 2023, 12:04

Ich fand „Asso“ eher fad. Den in Stockls Text erwähnten „Gezähmten Widerspenstigen“ habe deutlich witziger und temporeicher in Erinnerung.
Zuletzt geändert von Joachim Bauer am Mi 22. Feb 2023, 12:29, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Adriano Celentano

Beitrag von Yuki » Mi 22. Feb 2023, 12:17

Ja, der war noch besser, hab den vergessen. Musste erstmal den italienischen Titel auch nachschauen: IL BISBETICO DOMATO lol. Fand den BRUMMBÄR aber schon besser als den ASSO aber. Das ist aber eh ewig her und ich hab die alle nur einmal gesehen in meinem Leben. Angaben eher ohne Gewähr.

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Joachim Bauer
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Re: Adriano Celentano

Beitrag von Joachim Bauer » Mi 22. Feb 2023, 12:35

Hab mal mein Posting von eben editiert, war sicher missverständlich. Den „Brummbär“ mag ich auch. Aber bin bei Dir, müsste die Erinnerung an diese ganzen Celentano-Dinger auffrischen. Hab seit Mitte der Neunzigerjahre bestimmt keinen Film mehr von ihm gesehen. Abgesehen vom „Widerspenstigen“ halt.
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Re: Adriano Celentano

Beitrag von Nahaufnahme » Mi 22. Feb 2023, 21:20

Ich möchte mit Stolz betonen, niemals einen Celentano-Film im Kino gesehen zu haben. Keine Ahnung, warum ich da eine Grenze zog, wo ich sogar für Otto, Hallervoorden oder Gottschalk& Krüger jeweils einmal gezahlt habe. Aber die Trailer zu den Celentano-Filmen waren schlimm, es wirkte wie Porno mit Titten, aber ohne Schwänze. Lag ich richtig? Ich weiß es bis heute nicht, ich habe es per TV nie nachgeholt (aber Stockl beschreibt einen Teil meines Eindrucks).

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Re: Adriano Celentano

Beitrag von Yuki » Mi 22. Feb 2023, 21:30

@Nahaufnahme: Ich hab das als quasi als Kind gesehen und kann das nicht widerlegen :mrgreen: .

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Re: Adriano Celentano

Beitrag von Nahaufnahme » Mi 22. Feb 2023, 23:03

:lol:

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Frau Stockl
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Re: Adriano Celentano

Beitrag von Frau Stockl » Do 23. Feb 2023, 06:14

Ich kannte Asso und natürlich Bingo Bongo.
Die Supernasen sind eigentlich demnächst auch wann dran, das ist halt Lisa Film.
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Re: Adriano Celentano

Beitrag von Frau Stockl » Do 23. Feb 2023, 06:31

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Muti und Celentano, das Traumpaar der italienischen Komödie, die Gegensätze nicht nur von den Geschlechtern her, sondern dort das Biest und hier die Schöne. Das Regieduo Castellano & Pipolo haben die beiden bevorzugt eingesetzt, mehrere Geschichten mit ihnen und über sie ausgedacht und erzählt, der Witz und die Liebe, die Gags und irgendwo auch die Triebe. Eine Reihe von erfolgreichen Kassenschlagern (der Film war die Nummer Eins im Jahrgang 1981/82, vor Die tolldreisten Streiche des Marchese del Grillo und La Boum - Die Fete), gut verkäuflich auch außerhalb des Landes, im Deutschen zusätzlich durch die Synchronisationsarbeit vorangetrieben, die (normalerweise in Richtung der auch auf- oder ummodulierten Filme von Spencer/Hill und entsprechend dort mit der Stimme von Thomas Dannenberg geht, hier aber von Michael Brennecke eingesprochen und dahingehend schielend auf Chevy Chase) fürderhin seinen Charme erhält.

Die Blicke auf sich ziehen tun hier natürlich die Muti, attraktiv wie eh und je, die Augen folgen hier und werden größer, das bemerkt nicht nur das (männliche) Publikum, um diesen Trumpf und Triumph wissen auch die Regisseure. Die Fürstin und der Prolet, die Junge und der Reife, der nur körperlich ein Erwachsener und innerlich noch der vorlaute Bub und der mit der großen Klappe, aber auch dem Schneid gegenüber der adeligen Klassefrau, der hoheitlichen Prinzessin höchstpersönlich ist. Entsprechend dem Status und dem Titel verkehrt man hier eingangs auch in höheren Kreisen als gewohnt und üblich, es gibt die formelle Abgesandtschaft am Airport, die Presse, die Prozession, die Führung durch die Hauptstadt Rom. Es gibt die Panoramen über die altehrwürdige historische Stadt, die Botschaftsanwesen, man zeigt seine Herkunft und präsentiert sich im Geld. Die Witze sind erst lau und dann mau, Wortspielereien mit pluralis majestatis und singularis vulgaris, Celentano macht den Kasper, den zu groß gewordenen Clown, trotz merkwürdiger Kleidung und hinten schon Platte am Haupthaar dennoch der Windhund seines Viertels und selbst Schlag bei den verheirateten und auch den deutlich älteren Frauen.

Das erste Treffen zwischen dem sich dann anbahnenden Pärchen ist zufällig (wie das Leben so schreibt und es immer so ist, im besten Fall zumindest) und gleich etwas Besonderes, für ihn zumindest, der vorher den Damen gegenüber aufgrund seiner eigenen Überzeugungen wegen und dem (begründeten) Selbstbewusstsein eher ignorierend, nicht gleich ignorant auftritt. Bei der deutlich jüngeren optischen Sensation hier geht dafür gleich das Herz auf, oder zumindest die Hose und die Augen über. “Nehmen Sie die Kurven immer so scharf?“ - “Hm, das kommt ganz auf die Kurven an.“

Eine touristische Stadtrundfahrt durch das überaus vollgestopft wirkende Zentrum später hat der Film wieder etwas innere Ruhe gefunden und Zeit für Innamorato pazzo, 'Wahnsinnig verliebt', und damit für seine beide Hauptdarsteller, er spielt tatsächlich wie Chevy Chase, viele und gewöhnungsbedürftige Clownereien inklusive, sie sehr naiv, ein bisschen einfältig und im Deutschen auch klingend wie gänzlich grün hinter den Ohren, beinahe wie frisch gewickelt. Es gibt eine leicht affektierte Geschichtsstunde, den 'Raub der Sabinerinnen', einen Strandausflug, wo Muti einen Einteiler und eine gleichfarbige Badehaube trägt, ganz in blütenweiß, die lupenreine Unschuld eben.

Was soll das heißen? Ist es dir etwa zu heiß, und das mitten im August?“ - “Es ist nur für den Fall, dass du mich vergewaltigen möchtest. Du sollst mein Kleid nicht ramponieren. Es ist ein Modell und hat drei Millionen gekostet.
Ein Herz und eine Krone demnach, eine Märchenstunde, nur etwas anders aufgezogen, als Update und modernisiert, mit ungefragten und in dem Moment auch unerbetenen Küssen, worauf es prompt eine Ohrfeige für den Mann schallert, er aber (anders als Gentleman Gregory Peck, “Ja, verstehe. Ich bin keine Hoheit. Soll ich dir mal was sagen? Du bist eingebildet und hochnäsig. Wenn wir erstmal verheiratet sind, werd’ ich dir diesen Snobismus austreiben.“) auch prompt eine zurückgibt. Am Rest des Tages ändert dieser körperliche Übergriff nichts, der Busfahrer gibt sich auch durchaus Mühe, das muss man ihm lassen, er hat's eilig, er ist eifrig, er ist hartnäckig, eine Chemie gegenseitig zwischen beiden ist dennoch und auch zwischen Muti und Celentano nicht ersichtlich, und noch viel schlimmer: der Mann, dem es vorher gut ging und der sein unbeschwertes Leben genossen hat, ist zwischendurch ohne die Frau nur noch ein halber Mensch, ein Wrack; was einem durchaus zu denken gibt. Dass die Frau 'zu ihrem Glück' entführt und quasi gezwungen werden muss, und am Ende gar mit Geld erkauft wird, ist in der Aussage auch eher konfus, und hoffentlich auch unnötig.
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