Pro-Filmwissenschaft!

Auf der Suche nach der besten Literaturverfilmung oder dem männlichsten Schauspieler?
Stefan Borsos
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Beitrag von Stefan Borsos » Di 17. Jul 2012, 16:32

Thorsten Hanisch hat geschrieben:Also ich halte Filmwissenschaft ebenfalls für sehr sinnvoll. Das Problem ist nur, und, wie ich die Tage erfahren habe, ist das selbst hier in der Provinz so, dass sie schnell zur Nase-Hoch-Attitüde verleitet. Da werden dann die gängigen Theorien nach dem Motto "Was nicht paßt, wird passend gemacht" einfach überall draufgeklatscht und offenkundlich miese Filme wie ROLLERBALL zu Jahrhundermeisterwerken verklärt, was weder aus Otto-Normalseher- noch aus wissenschaftlicher Perspektive viel Sinn macht.
Aber schon da gibt's ein Missverständnis. In der Wissenschaft sollte es NIE darum gehen, irgendwas abzufeiern oder abzukanzeln (egal, wie nachvollziehbar es argumentiert sein mag). Und die Nase-Hoch-Attitüde gibt's überall, auch (und eigentlich im höherem Maße) im Filmjournalismus, um beim Thema zu bleiben! Das mit ROLLERBALL hat Dir wohl ein Vöglein gezwitschert, das sich regelmäßig auf FB herumtreibt. ;) Und ob der Film jetzt offenkundig mies, okay oder superduper ist, bleibt nachwievor Ansichtssache, nicht?!

----- Di 17. Jul 2012, 16:35 -----
Julio Sacchi hat geschrieben:McTiernans ROLLERBALL. So viel Zeit muss sein.

Mir ist Filmwissenschaft im Studium unfaßbar auf die Nüsse gegangen.
Das habe ich schon mitbekommen. :mrgreen: Und teilweise kann ich's auch nachvollziehen. Nur diese grundsätzliche Ablehnung kann ich nicht unterschreiben (wär ja auch schön blöd). Als Requisiteursgehilfe hab ich früher auch so gedacht. Aber dann kam die Erleuchtung (oder so ähnlich). :)

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Thorsten Hanisch
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Beitrag von Thorsten Hanisch » Di 17. Jul 2012, 16:47

Stefan Borsos hat geschrieben:Aber schon da gibt's ein Missverständnis. In der Wissenschaft sollte es NIE darum gehen, irgendwas abzufeiern oder abzukanzeln
Weiß ich. Ich formulier's anders: Ich bin angenervt, wenn filmwissenschafliche Instrumentarien, dazu benutzt werden um unter einem intellektuellen Deckmäntelchen Filme abzufeiern oder abzukanzeln. Oder, plumper formuliert, wenn getan wird, als ob. Und das gibt's leider immer öfter bzw. für mich zu oft.

Hab übrigens auch n Buchtip:

Wer sich für Licht & Farbe im Film interessiert, sollte dies hier durchackern:
FarbeimKino.jpg
Ich hab bei der Autorin letzten Winter eine Vorlesung besucht und fand's ganz, ganz toll. So einiges dazugelernt.
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Stefan Borsos
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Beitrag von Stefan Borsos » Di 17. Jul 2012, 22:07

Thorsten Hanisch hat geschrieben:Weiß ich. Ich formulier's anders: Ich bin angenervt, wenn filmwissenschafliche Instrumentarien, dazu benutzt werden um unter einem intellektuellen Deckmäntelchen Filme abzufeiern oder abzukanzeln. Oder, plumper formuliert, wenn getan wird, als ob. Und das gibt's leider immer öfter bzw. für mich zu oft.
Beispiele! Mir erscheinen die von mir aufgeführten Punkte wesentlich dominanter zu sein. Und bitte nich mit 'ner FB-Diskussion wie bei ROLLERBALL kommen! ;) Wenn Du Texte z.B. von Niedzielski meinst - der praktiziert ja einfach Theoretiker-Namedropping (und auch das schon lange nicht mehr).
Thorsten Hanisch hat geschrieben:Wer sich für Licht & Farbe im Film interessiert, sollte dies hier durchackern:[...] Ich hab bei der Autorin letzten Winter eine Vorlesung besucht und fand's ganz, ganz toll. So einiges dazugelernt.
Jou, Technikgeschichte ist auch so'n Gebiet, wo's viele tolle wissenschaftliche Bücher und Aufsätze gibt - allerdings so gut wie immer auf Englisch (Marschall ist wohl neben Flückiger eine der wenigen hier, die sich für sowas interessiert; kenne aber selbst nur ihre Bollywood-Texte). BTW, Vorlesung - in Stuttgart??? Das ist doch geisteswissenschaftliches (und eigentlich ja auch kulturelles) Ödland. :mrgreen:

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Beitrag von Thorsten Hanisch » Di 17. Jul 2012, 22:47

Stefan Borsos hat geschrieben:Beispiele!
Neee, garantiert nicht. Sonst hab ich meinen Fanclub gleich wieder auf der Matte! :)
Stefan Borsos hat geschrieben:Vorlesung - in Stuttgart??? Das ist doch geisteswissenschaftliches (und eigentlich ja auch kulturelles) Ödland. :mrgreen:
Jup, deswegen dachte ich, gehst mal nach Tübingen! :) War ne Vorlesung an der Uni, also, über n Semester lang.
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Beitrag von ScheichHabib » Di 17. Jul 2012, 22:56

Alles, was ich in der Uni zum Thema Film erleiden musste, war beschämend. Absoluter Knaller war n´ Prof, der eiskalt behauptete, "Hannibal" wäre in D verboten :roll:

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Beitrag von Stefan Borsos » Di 17. Jul 2012, 22:59

Thorsten Hanisch hat geschrieben:Neee, garantiert nicht. Sonst hab ich meinen Fanclub gleich wieder auf der Matte! :)
:mrgreen: Feigling! :P Außerdem musste ja nicht gleich bashen! Und war das nicht ohnehin ein Problem von Julio? ;) Oder wen meinst Du jetzt? Na? Na?

Und ja, in dieser Hinsicht ist in Tübingen echt mehr los (da hätte ich fast selbst studiert). Peinlich für die Landeshauptstadt!

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Beitrag von Thorsten Hanisch » Di 17. Jul 2012, 23:18

ScheichHabib hat geschrieben:Alles, was ich in der Uni zum Thema Film erleiden musste, war beschämend. Absoluter Knaller war n´ Prof, der eiskalt behauptete, "Hannibal" wäre in D verboten :roll:
:D Ne, also in der Hinsicht kann ich echt nicht klagen - war auch überrascht wie unglaublich viel die Frau kennt (ist ja nicht unbedingt ne Selbstverständlichkeit).

Aber auch sonst sind bei den Dozenten n paar echte Filmjunkies unterwegs: Einer hat sogar mal ne komplette Sitzung geopfert um ein flammendes Plädoyer für das Gucken von Filmen im Originalton (+ Untertitel bei nichtenglischsprachigen Filmen) zu halten. Einziger Kommentar aus dem Plenum: "Im O-Ton guck ich nicht gerne - da kann ich dann nebenher nichts anderes machen.".
Stefan Borsos hat geschrieben:Außerdem musste ja nicht gleich bashen! Und war das nicht ohnehin ein Problem von Julio?
Doch, müsste ich. :D Und das Problem hatte ich schon ne Weile vor Julio.

Ich hab mir jedenfalls vor ner Weile geschworen mich aus Internetgezanke komplett rauszuhalten und das werd ich (hoffentlich) auch tun.
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Beitrag von Thorsten Hanisch » Fr 20. Jul 2012, 15:56

Julio Sacchi hat geschrieben:Mir ist Filmwissenschaft im Studium unfaßbar auf die Nüsse gegangen.
Ich finde, dass es gerade auf der Uni bzw. bei akademischen Stoffen - noch viel, viel, viel mehr als auf der Schule - extrem davon abhängig ist, wer Dir die Mahlzeit anrührt. Ich für mein Teil hab extrem gute Erfahrung mit älteren Herrschaften gemacht, die seit vielen Jahren dabei sind und wirklich serious business betreiben. Gerade die wirklich Schlauen mit Lebensläufen, die DIr deine eigene Winzigkeit ins Bewußtsein rufen, entpuppten sich durch die Bank weg als angenehme, bescheidene Zeitgenossen, die oft auch die große Kunst beherrschen komplexe Sachverhalte klar & verständlich zu erklären (ganz wichtig! nicht andersherum, liebe Jungakademiker!) und vor allem das eigene Ego hintenanzustellen, denn nur mit wirklich textimmanenter Arbeit lassen sich brauchbare Resultate erzielen.

Und hier liegt - für mich - auch der Hund in vielen Texten begraben: Stefan Rybkowski (equilibriumblog.de), der ja auch gerne Uni-Termini in seine Text miteinfließen läßt, z.B. hat mir mal erläutert, dass man den (meist sowieso nur herbeifantasierten) "Hype" um einen Filmen in die Wertung miteinfließen lassen muss - ich seh da absolut keinen Sinn drin, Gefühlswallungen (die ohnehin meistens nur bis 12:15 Uhr dauern) in die (wissenschaftliche) Rezeption eines Werks miteinzubringen.

Das ist jetzt aber nur ein Beispiel. Will sagen: Dieser akademisch-populistische Mischmasch von so einigen Kandidaten geht mir persönlich gegen den Strich und ich glaube auch, dass das der Hauptgrund ist, wieso viele nicht so wahnsinnig gut auf Filmwissenschaft zu sprechen sind.
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Beitrag von Nahaufnahme » Fr 20. Jul 2012, 16:13

Thorsten Hanisch hat geschrieben: Und hier liegt - für mich - auch der Hund in vielen Texten begraben: Stefan Rybkowski (equilibriumblog.de), der ja auch gerne Uni-Termini in seine Text miteinfließen läßt, z.B. hat mir mal erläutert, dass man den (meist sowieso nur herbeifantasierten) "Hype" um einen Filmen in die Wertung miteinfließen lassen muss - ich seh da absolut keinen Sinn drin, Gefühlswallungen (die ohnehin meistens nur bis 12:15 Uhr dauern) in die (wissenschaftliche) Rezeption eines Werks miteinzubringen.
Zustimmung.

Problematisch finde ich aber auch, dass einem in diesem Forum die Kassenergebnisse von Filmen um die Ohren gehauen werden, um die Negativ- oder Positiv-Bewertung zu verstärken, was leider auch in den US-Berichten über Filme ständig auftaucht. Inzwischen ist auch die deutsche Filmkritik z.B. bei SPON dazu übergegangen, das zu erwähnen. Für mich ist das eine Nullinfo, so wenig wie Einschaltquoten im TV mich dazu bewegen würden, irgendwas gezielt einzuschalten, so wenig macht das für mich einen Film sehenswerter. Das ist was für Buchhalter.

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Beitrag von Julio Sacchi » Fr 20. Jul 2012, 16:16

Bei Big Budget-Produktionen, die einzig und allein der Geldgewinnung dienen (sollen), finde ich die Zahlenspiele interessant.

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