Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

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Julio Sacchi
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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » Do 23. Apr 2020, 15:20

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In jeder Hinscht recht bescheidener HBO-Katastrophenfilm, der für eine Fernsehproduktion damaliger Zeit fast sleazig daherkommt: Statt Wissenschaft gibt es Knutschen und Klopperein, dazu haben ausgerechnet Goblin ihren Blubbersound eingespielt. Bis zum finalen Ausbruch des Vulkans wird ganz schön viel Wasser getreten. Die gelinde gesagt dürftigen Spezialeffekte und Stunts reduzieren sich auf ein absolutes Minimum, die stattdessen zahlreich eingesetzten Originalaufnahmen und -fotos passen zu den Film natürlich zu keinem Zeitpunkt. Ein harsches Flickwerk ist das.

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » Mo 11. Mai 2020, 11:57

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MACHENSCHAFTEN
Paul Newman als desillusionierter Drifter. Joanne Woodward als verlorene Seele. Anthony Perkins als hoffnungsvoller Idealist. Newman ist abgegessener Zyniker, also hat er auch keine Probleme damit, sich vom rechtsnationalen Radiosender WUSA anheuern zu lassen. Selbst als der nach allen Regeln der Kunst verarschte Perkins ihn darauf aufmerksam macht, daß WUSA überaus sinistre Pläne hat, bezieht Newman keine Stellung. Die Katastrophe ist unabwendbar. Die Guten bleiben auf der Strecke, der Zyniker zieht weiter. "I'm a survivor".
Ein Herzensprojekt von Paul Newman, das für ihn nach dem Blockbustererfolg von BUTCH CASSIDY allerdings einen herben Rückschlag an den Kinokassen bedeutete. Ein Wunder ist das nicht: Stuart Rosenbergs Film fühlt sich fast an wie ein Essayfilm, dokumentarische Szenen wechseln sich mit theaterhaften Dialogen ab, einige Nebendarsteller chargieren enthemmt bis zum Verfremdungseffekt. Die politische Message wird didaktisch an den Zuschauer gebracht, mit Entertainment im klassischen Sinne hat das wenig zu tun. Erfolgreich ist dieses Quasi-Experiment nicht, aber fraglos interessant und als Bestandsaufnahme amerikanischer Gegenkulturen der 70er sogar satisfaktionsfähig. Insbesondere die Rolle der Hippies, bei denen der völlig indifferente Newman abhängt, ist hier überaus zwiespältig; auf der anderen Seite ist es ausgerechnet der Idealist Perkins, der die schlußendliche Katastrophe herbeiführt. Angesichts der Entwicklung FOX News als waschechtem Propagandasender ist WUSA sogar regelrecht prophetisch.

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » Di 12. Mai 2020, 13:59

Impasse_1969_movie_poster.jpg

AUF DER JAGD NACH DEM VERLORENEN GOLD
Wie bei vielen Heist-Filmen der späten 60er wird nach Zusammenstellung des Teams irrsinnig viel gelabert und dann auch noch ein Riesenfaß zwischen der männlichen Hauptfigur und einer über sechs Ecken involvierten Frau aufgemacht. Hier ist das alles so ermüdend und langweilig, daß einen der eigentliche Raubzug (der hier auch nicht sonderlich clever ausfällt) überhaupt nicht mehr interessiert. Reynolds spielt ein ziemlich unangenehmes und rücksichtsloses Arschloch und gibt sich auch keinerlei Mühe, daran irgendwas zu ändern; wie er am Ende lachend mit der Beute davonbraust, während es seine Kollegen im Kugelhagel wegreißt, schmeckt schon n bißchen bitter. Mittig gibt's immerhin eine ganz nette Verfolgungsjagd zu Fuß durch Manila, aber die mickymausige Tschingderassabumm-Musik macht auch das kaputt.

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » Mi 13. Mai 2020, 10:55

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DANGER ZONE

Der Film fiel mir damals im herrlichen Wust der Action-Videopremieren positiv auf. Mehr wusste ich nicht mehr!
Ein schwer aufgedunsener und völlig aufgespulter Robert Downey Jr besucht seinen Kumpel Billy Zane (mit Perücke und Bandana) in dessen Mine in Afrika und bringt direkt Ärger mit. Söldner fallen über die Mine her und ballern alles zu Schutt und Asche; diese Sequenz ist so erstaunlich fett, daß sie bereits einen Großteil des Budgets verschlungen haben dürfte! Bis zur nächsten Äktschn muß man ne Weile warten, aber der tolle Zane hält einen genauso bei Laune wie die abgehangenen Abenteuer-Klischees: Die Zane bei der Jagd nach Downeys Giftmüllfässern zur Seite gestellte WHO-Expertin tritt zunächst als strenge Wissenschaftlerin auf, aber im Verlauf des Films gehen die Haare auf, die Bluse öffnet sich Knopf um Knopf und die Hosen werden erst enger und dann nass (also noch enger). Ron Silver gibt mal wieder genießerisch den bösen Obermufti, synchronisiert sich aber selber so wie jemand, der sich auf dem Pott einschließt, um heimlich ein Telefonat zu führen.
Topstar Cary-Hiroyuki Tagawa (bekannt aus dem Blockbuster LA TAKEDOWN) veredelt das bunte Treiben als Söldner des Todes.
Auch wenn der Actionpegel vom Anfang nie wieder erreicht wird, wartet hier doch ein erstaunlich dickes Action Adventure auf den hungrigen Zuschauer, bei dem Herz und Humor stimmen und eine attraktive Besetzung von einem mal wieder herrlich entspannten Billy Zane angeführt wird. Und das Finale spielt auf einem Zug (Superstar Tagawa ergreift im wilden Shooutout noch schnell die Gelegenheit, sich an der WHO-Frau zu vergehen; watt mutt datt mutt)! Was will man mehr?

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » Do 14. Mai 2020, 09:17

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BLOOD AND WINE
Nicholson als Weinhändler vor der Pleite. Gemeinsam mit dem abgehalfterten Gauner Caine will er ein kostbares Collier aus dem Safe seiner Stammkunden klauen. Ein einfacher Plan, bei dem allerdings das traumhaft schöne Kindermädchen (Lopez), die enttäuschte Ehefrau (Davis) und der mißratene Stiefsohn (Dorff) stören.
Schön öliger Neo Noir, angesiedelt im schwülen Miami, mit fast altmodischer, atmosphärischer Filmmusik schön auf Mystery getrimmt. Hervorragend gespielt von Nicholson, Caine, Davis und Lopez, aber stark beschädigt durch den notorisch furchtbaren Stephen Dorff. Rafelsons Film ist unterhaltsam und auf schmierige Weise attraktiv, hat aber einfach zu wenige Überraschungen und Wendungen im Plot. Ist ok.

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » So 17. Mai 2020, 13:44

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FIRE ON FIRE aka BLOOD RANSOM aka FAIR TRADE aka CAPTIVE RAGE usw usf
Ollie Reed als Ex-General/Drogendealer/Diktator irgendeines südamerikanischen Shithole Countrys. Um seinen Sohn aus dem Knast zu erpressen, entführt er die Tochter seines Gegenspielers (Robert Vaughn) und noch ein paar weitere heiße College-Girls. Die restlichen Passagiere des gehijackten Flugzeugs lässt er sofort über den Haufen schießen. Ab geht's für die heißen Bienen in den handelsüblichen Dschungelknast.
Man erwartet die üblichen Gängelungen, Rapes und Lesbo-Adventures, aber die werden hier vergleichsweise knapp abgefrühstückt: Vier der Girls lenken ihren Wächter mit einem Blowjob ab und fliehen in den Dschungel. Unterwegs bewaffnen sie sich, erweisen sich sofort als Hardcore Soldiers und ballern die ansässigen Urwaldvölker gleich im Dutzend über den Haufen. Mit der Hilfe zweier Trottel in nem Jeep, die sich beim ersten Griff zum Gewehr ebenfalls als sofortige Hardcore Soldiers erweisen, geht es zurück ins Dschungelcamp. Hier schießt der Film nochmal ein beachtliches Feuerwerk an Explosionen und Ballereien ab. Insgesamt ganz unterhaltsame Exploitation ohne allzu bittere Fiesheiten.

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » Sa 30. Mai 2020, 12:47

CatChaserDVD.jpg
CAT CHASER mal wiedergesehen.
Die turbulente Produktionsgeschichte ist hier mal wieder spannender als der fertige Film, oder zumindest spannender als das, was nach all den Turbulenzen davon übrig blieb. Ich kann mir aber nicht vorstellen, daß ein 3-Stunden-Cut hier wirklich für den großen Aha-Effekt sorgt. Natürlich merkt man, daß hier was zusammengeschustert wurde, der Film ist gleichzeitig wirr und langweilig. Großes Plus die Elmore-Leonard-Dialoge und eine gewisse Entspanntheit in der Schauspielführung, da prallen wirklich komplett unterschiedliche Ansätze sehr interessant aufeinander. Weller wurde für seine "stiff performance" oft kritisiert, aber ich mag eigentlich, was er hier macht, auch wenn man nie kapiert, was er eigentlich für eine Rolle spielt. Charles Durning ist der vermutlich fetteste Hitman der Filmgeschichte und Tomas Milian einfach ein Chamäleon. Unterm Strich aber doch eher ne Gurke, das Ding.

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » Mo 1. Jun 2020, 12:38

blood.jpg
Dank Spulio endlich mal gesehen.
Hackfords Film fängt vielversprechend an und entwickelt sich schön tragisch. Die absurde Lauflänge von sagenhaften 190 Minuten bricht ihm aber das Genick. In der letzten Stunde wird nur noch im Knast hin- und hergeschachert, was erstens zum Rest des Films nicht passt und zweitens ziemlich schnell auch keine Sau mehr interessiert (nur Delroy Lindos Abgang ist ein echter Hingucker). Aber selbst ohne diese ultrazähen sechzig Minuten hätte der Film zwei eklatante Probleme: Erstens spielt er in einem Zeitraum von 1971 bis 1984 und sieht trotzdem in wirklich jeder Szene aus wie 1993. Und zweitens spielt Damien Chapa in der Hauptrolle als weißer Hispanic so erbärmlich schlecht, daß man seinem, also dem hauptsächlichen Handlungsstrang gar keine Aufmerksamkeit mehr schenken mag. Eine Geduldsprobe.

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » Mi 3. Jun 2020, 12:23

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AMOK-JAGD :lol: :crazy:
Brett. Kriegsveteran Rod Steiger, dessen Sohn in Vietnam gefallen ist, kriegt die Motten: In seiner Stammlodge im Wald arbeitet jetzt ein Deserteur. Den Hass muß natürlich dessen hübsche Freundin ausbaden.
Weniger Exploitation als grimmige Auseinandersetzung mit der Generation Gap, die der Vietnam-Krieg durch die USA geschlagen hat. Burt Kennedys zutiefst pessimistischer Film verortet sich zwischen OPEN SEASON und THE VISITORS, aber mit Schlagseite zu Kazan. Steiger verzichtet aufs Overacting und brilliert als fleischgewordene Verachtung. Ein starker Film.

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » Mo 8. Jun 2020, 09:43

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Hatte den sicherlich 30 Jahre nicht gesehen und ein bißchen Angst vor der Darstellung der Frauenrolle. Meines Erachtens unbegründet.
Scheidungsdrama-Blockbuster, hervorragend gedreht, superb gespielt. Der Vorwurf der Einseitigkeit ist meiner Meinung nach nicht haltbar. Im Gegenteil: Die Rolle der (Haus-)Frau wird in all ihren Einschränkungen und ihrer Unfreiheit dargestellt; trotz der 68er Revolution hat sich im Eheleben noch wenig getan. Er geht arbeiten, sie schmeißt Haushalt und Erziehung, was auch ganz selbstverständlich von ihr erwartet wird. Der Mann, plötzlich mit dieser Verantwortung allein gelassen, muß erkennen, daß er von diesen Dingen absolut nichts versteht, weil er ihnen nie Bedeutung beimaß.
Dabei bleibt der Film immer ehrlich, zum Beispiel wenn Hoffman eine Pro/Contra-Liste zu seinem Dasein als Vater schreiben soll und ihm nur Contra einfällt: "No privacy, no social life, no let-up". Am Ende erkennt er, welche Fehler er in der Beziehung zu ihr zu verantworten hat, und sie erkennt, daß selbst die verdiente Freiheit ihren Preis hat.
Angesichts dieses emotionalen, aber nie sentimentalen Films möchte man doch fast sagen, daß Filme früher einfach besser waren. Heute wäre das eine Schnulze mit Gerard Butler und Dauerbeschallung von irgendnem Zimmer-Zögling, also der nackte Horror.

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