Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

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Julio Sacchi
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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » Mo 23. Mär 2020, 10:24

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Launiges Heist Movie aus dem gerade ausgeswingten London. Gute Leistungen von Stanley Baker und einem schön schnöseligen David Warner, der erstaunlicherweise erst in Bänkerverkleidung mit Hitlerfrisur so richtig aussieht wie David Warner. Alle drei Hauptfiguren lügen einander an, sobald sie den Mund aufmachen, aber viel mehr passiert halt auch nicht, bis endlich der clevere Raubzug passiert. Was mich aber so richtig genervt hat, ist die todeslaute Tschingderasssabumm-Komödienmusik!

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » Di 24. Mär 2020, 11:47

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FRAGMENT OF FEAR, hierzulande bekannt als SCHATTEN DER ANGST, fängt als stylisher Mystery-Krimi an, aber der stressige Jazz von Johnny Harris kündet schon vom Fleck weg von strammem Hirnsausen. Ein frischgebackener Ex-Junkie und Bestsellerautor (Hemmings) verliert seine geliebte Erbtante durch ein Gewaltverbrechen und macht sich auf die Suche nach dem Täter - oder zumindest nach der Antwort auf die Frage: Warum? Dabei wird er von immer neuen Merkwürdigkeiten verunsichert, natürlich will ihm auch niemand Glauben schenken und irgendwann dreht sich die Schraube des Wahnsinns bis zum Anschlag.
Ein schön gedrehter, vom mal wieder wunderbar zerknautschten Hemmings toll gespielter Film, der allerdings nicht richtig rund ist: Für einen spannenden Thriller erfährt Hemmings einfach zu wenig, und als Film über Paranoia und Verfolgungswahn ist das alles letztlich nicht beklemmend genug. Trotzdem ein durchaus ansehnlicher Zeitvertreib mit Biß.

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » Mo 30. Mär 2020, 09:50

Odds_Against_Tomorrow(1959_film)_poster.jpg
aka WENIG CHANCEN FÜR MORGEN
Spitzenfilm. Belafonte, Begley und Ryan als unversöhnliches Bankentrio, das den großen Coup nicht aus Raublust, sondern wegen akuter Alternativlosigkeit angeht. Belafonte und besonders Robert Ryan sind sensationell gut als gewalttätige, komplexbeladene Verlierer, die ihre gelernte Männlichkeit dahinschwinden sehen. Diese bitter-brutale Tragödie bebildert Robert Wise mit der herausragenden Schwarzweißfotografie eines ausgemergelten Amerika. Top.

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » Fr 3. Apr 2020, 09:34

Underthegun.jpg

Nachtclubbesitzer Frank will endlich hier raus. Der frühere Eishockeystar ist unschuldig im Bau gewesen und hält sich jetzt mit seinem fabrikähnlichen Etablissement über Wasser. Jetzt hat er bei einem Drogendeal Kohle abgezogen und muß noch eine Nacht in seinem Laden aushalten, bis der Flieger nach Mexiko geht. Leider will ihm ausnahmslos jeder ans Leder (und fast alle Girls an die Wäsche).
Grelle Actionkomödie, die erstaunlicherweise mitunter richtig lustig ist! Das liegt nicht zuletzt am von mir hochgeschätzten Richard Norton, der hier nicht nur als begnadeter Kloppstock überzeugt - für mich ist der Australier einer der besten Actors unter den Schlagetots. Es gibt zahlreiche Fights, die leider alle ziemlich schlecht inszeniert sind, und am Ende einen saftigen Kugelhagel; alles bis dahin ist mindestens unterhaltsam, oft sogar witzig, auch Kathy Long ist sweet. Mir hat der Film gefallen.

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » So 5. Apr 2020, 09:45

TheOutfit.jpg
REVOLTE IN DER UNTERWELT
Ich bin ja nicht der allergrösste Fan von Robert Duvall. Irgendwie machen mich die Haare fertig. Wenn ich Duvall sehe, denke ich immer an alte Männer, die sich mit nem dünnen Kamm das lichte Resthaar in Form bringen. Immer leicht fettig, die Tonsur. In THE OUTFIT macht er einen auf ganz harte Sau. Nehme ich ihm aber auch nicht so richtig ab, sieht irgendwie nach arbeitslosem Handelsreisenden aus. Mit Joe Don Baker und Karen Black nimmt er es mit der ganz großen Verbrecherorganisation auf. Das Trio verhält sich dabei ungefähr so präzise und subtil wie die drei Stooges. Der armen Karen fällt erst nach einer Ladung Ohrfeigen auf, wie lieb sie den Robert hat; die 70er eben.
John Flynn Regie, Buchvorlage Richard Stark, Musik Jerry Fielding - was soll da schiefgehen? Irgendwie alles. Mir war der Film zu fies, zu unentschlossen (harte Krimikost oder launige Buddy-Sause?) und zu episodisch. So gibt es mittig eine Szene, in der Duvall und Baker bei Richard Jaeckel ein Auto kaufen. Jaeckel hat nen dummen Bruder, der hat ne nymphomane Alte (Sheree North). Die nymphomane Alte behauptet, Baker hätte sie rapen wollen. Es gibt Krawall und dann fahren Duvall und Baker weg. Hä?!

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » Mo 6. Apr 2020, 16:43

terror.jpg
Deutscher Titel GOODNIGHT HELL :crazy: :crazy: :crazy:

Muß ja wirklich sagen, daß bei mir sofort die Alarmglocken Sturm schlagen, wenn ich nach 1980 den Namen Roger Corman im Vorspann lese. Hier hat er auch mal wieder irgendwelche ollen Kulissen drittverwertet, möchte ich wetten! Ein paar unbekannte Darsteller (darunter zwei ausgesprochen hübsche Girls) teilen sich die unterirdische Basis mit Andrew Stevens und Joe Patroni. Draußen ist alles am Arsch und jetzt gebiert eine bemitleidenswerte Lady auch noch ein Monstrum im Keller! Dieses latscht nun durch die Pappflure und meuchelt die Besetzung nieder, einer der ersten Klingenspringer ist Joe Patroni.
So hätte vermutlich ALIEN ohne Scott, Giger, Moebius, Budget usw. ausgesehen. Ein Typ im Monsterkostüm flaniert tapsig durchs Cheapoland und macht schlimme Sachen, zum Beispiel ne hübsche Lady rapen. Das wird ausgesprochen schnell furzöde, auch wenn sich die Darsteller durchaus Mühe geben. Am Ende hüpfen noch ein paar andere Leute in Monsterkostümen um die Hütte rum, da geht das Licht in der Hirse dann ganz aus.
Ob ich das Sequel gucke, weiß ich noch nicht!

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » Do 9. Apr 2020, 14:02

star80poster.jpg
Bob Fosses letzter Film ist eine mehr oder minder fiktionalisierte Adaption der tragischen Geschichte von Playmate Dorothy Stratten. Seltsamerweise heißt hier z.B. Hugh Hefner auch wirklich Hugh Hefner, Peter Bogdanovich aber "Aram Nicholas". Der Kern bleibt aber derselbe; Stratten, von Mariel Hemingway mit erstaunlich viel Tiefe gespielt, versucht sich vom besitzergreifenden Einfluß ihres Ehemanns und "Entdeckers" zu lösen und bezahlt dies mit ihrem Leben. Eric Roberts kann man als schmierigen Loser, der seine Frau an den Mann bringt wie ein öliger Zuhälter, fraglos in der Rolle seines Lebens bestaunen. Fosse inszeniert das mit viel Flair und dem ihm zu eigenen Gespür für Musik, fragmentiert die Story und bedient sich sogar der Elemente einer Mockumentary; überhaupt ist der ganze Film überragend montiert. Die letzten zehn Minuten sind harter Stoff. Das Einzige, was sich nicht so recht einstellen will, ist ein Erkenntnisgewinn - was genau will uns STAR 80 eigentlich erzählen?

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » Fr 17. Apr 2020, 09:58

train.jpg

Durchgängig packendes Kriegsabenteuer, von Frankenheimer nüchtern, unsentimental und um Realismus bemüht gedreht. Hier knallen noch echte Züge ineinander oder springen aus den sabotierten Gleisen. Durch die Bank toll gespielt, besonders allerdings von Scofield und Preiss als Nazi-Konkurrenten. Ein mitreißender Actionfilm, der seinen traurigen Hintergrund nie aus den Augen verliert.

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » Mo 20. Apr 2020, 10:50

nosferatu.jpg
NOSFERATU IN VENEDIG

Mit Kinski, Plummer, Pleasence und der überirdisch schönen Barbara De Rossi attraktiv besetzter Käse, den Produzent Augusto Caminito ursprünglich als offizielles Sequel zu Werner Herzogs NOSFERATU geplant hatte. Um es gleich vorweg zu nehmen; Der Film sieht wirklich umwerfend aus; fantastisch, was Kameramann Antonio Nardi da abliefert, schon Plummers Ankunft in Venedig ist eine Wucht. Aber es hilft nichts: Was immer Caminito vor Augen hatte, gegen Kinski hatte er keine Chance. Aber dazu gleich. NOSFERATU IN VENEZIA ist ein planloser Unsinn; niemand weiß, warum Plummer als Vampirismusexperte nach Venedig kommt und warum dort eine reiche Familie die Rückkehr Nosferatus antizipiert und vor allem was Nosferatu da eigentlich will. Kinski sieht mit seiner Glitzerjacke und der weißgrauen Wischmopmähne aus wie Omma in der Dorfdisco, die meiste Zeit latscht er bedeutungsschwanger durch die Gassen. Ziemlich schnell wird klar, was Klausi hier überhaupt gereizt haben könnte: Den Vampir kriegt man nämlich weder mit Kruzifixen noch mit Knoblauch klein, auch Tageslicht stört ihn nicht im Geringsten, nein nein; aber sobald er eine Jungfrau knattert, ist es aus mit dem alten Raffzahn!
So darf sich Kinski über Frau De Rossi genauso hermachen wie über die arme Debütantin Anne Knecht und erweist sich dabei mal wieder als gelinde gesagt recht rustikaler Hupenkneter! Zum absoluten Brüllerdialog kommt es nach Vollzug mit der Unberührten, da fällt dem todgeweihten Vampir nämlich ein: "Ach jetzt hab ich aber doch Angst vorm Sterben!"

Hinter den Kulissen war das alles allerdings gar nicht so lustig. Der Film verschliß die Regisseure Maurizio Lucidi und Pasquale Squitieri, bevor der Dreh überhaupt richtig losging. Lucidi wurde nach einigen Aufnahmen mit Kinski beim Karneval in Venedig gefeuert. Squitieri wollte den Film in der Zukunft spielen lassen, aber Kinski gefiel Squitieris Ansatz nicht und da Caminito Angst hatte, seinen Star zu verlieren, übertrug er die Regie an Mario Caiano, der schon einige Filme mit Kinski gedreht hatte. Das sollte doch wieder klappen. Da hatte er die Rechnung ohne Klaus gemacht: Kinski lehnte es plötzlich ab, sich den Kopf zu rasieren, hörte nicht auf die Anweisungen seines Regisseurs und machte selbst nach dem Ruf "CUT" einfach weiter. Caiano erfuhr, daß Caminito Kinski selbst die Regie versprochen hatte und schmiß den Brocken hin. Nun übernahm Caminito selbst.
Kinski hielt sich nicht an Markierungen, so daß Nardi seine Set-Ups ständig anpassen musste; KInski weigerte sich laut Regieassistent Luigi Cozzi auch, Re-Takes aufzunehmen. Kinksi ließ Hauptdarstellerin Amanda Sandrelli feuern, nachdem er Anne Knecht, die Freundin von Co-Star Yorgo Voyagis, am Set gesehen hatte - die unerfahrene junge Frau sollte nun Nosferatus Jungfrau sein. Die wunderschönen Aufnahmen, in denen Kinski durchs neblige Venedig läuft, drehte Cozzi in einer Nacht mit Klaus. Bei der Szene, in der Nosferatu die schöne Helietta (De Rossi) zum Vampir macht, mißhandelte Kinski die Schauspielerin; er biß sie und und steckte seinen Finger in ihre Vagina. De Rossi sagte später: "Sobald er es in einer Szene mit Frauen zu tun hatte, wurde er handgreiflich." Laut Cozzi verließ irgendwann die gesamte Crew das Set, bis Kinski sich entschuldigte.
Am Ende der Drehzeit hatte Caminito nur die Hälfte des Skripts verfilmen können und war dazu gezwungen, aus dem vorhandenen Material ein spielfilmlanges Ergebnis zu schustern. Nach einer belächelten Premiere in Venedig sank NOSFERATU A VENEZIA an den Kinokassen wie ein Stein.

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » Di 21. Apr 2020, 10:24

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Völlig verquaster Versuch, auf tausend verschiedenen Hochzeiten zu tanzen. Lehrerfilm, Hood Drama, Thriller, irgendwann sogar War Movie und das alles besonders am Anfang inszeniert wie ein Horrorfilm. Reynolds taucht hier ständig alles Mögliche in Unschärfen, verzichtet aber irgendwann einfach wieder auf diesen Effekt. Stattdessen gibt's zahllose Musikmontagen und viel zu viel Massive Attack. Der Film scheint schon vorbei zu sein, dann geht er aber eine halbe Stunde weiter und gipfelt schließlich in einer völlig absurden DEER-HUNTER-Referenz. Das ist alles so drüber, daß man zumindest nicht sagen kann, man habe sich gelangweilt. Schauspielerisch gesehen hat der Film aber einiges zu bieten: Jackson ist ungewohnt nuanciert und seine Nemesis Clifton Collins Jr (damals noch/gerade Clifton Gonzales Gonzales) schlicht sensationell. Einen Payoff gibt es irgendwie nicht.

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