Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Die Filmtagebücher der Mitglieder.
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Julio Sacchi
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Beitrag von Julio Sacchi » Do 13. Sep 2012, 08:59

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Die ersten Minuten wähnt man sich in einem "Saturday Night Live"-Sketch, so überzogen sieht das alles aus. Doch tatsächlich, das ist Stones Annäherung an George W. Bush: Er porträtiert ihn als schlecht beratenen Bauerntrottel, der vergeblich um die Anerkennung des übermächtigen Vaters kämpft. Das ist Oliver Stone merkwürdigerweise als Sympathiebekundung ausgelegt worden. Tatsächlich waren Bushs Vergehen und ständigen Fehltritte derart monströs, daß sie für den Film abgemildert wurden, anstatt sie zu überhöhen. Dennoch irritiert diese Biopic-Satire in weiten Teilen, was nicht zuletzt an den absurden Auftritten von Thandie Newton (als Rice), Jeffrey Wright (als Powell) und Scott Glenn (als Rumsfeld) liegt. Was den Film trotzdem beinahe sehenswert macht, ist Stones Blick auf Amerikas Heartland-Mentalität und so manch inszenatorische Volte (insbesondere, wie er Essen im Film einsetzt), vor allem aber Josh Brolins unglaubliche Leistung, in der das Vorbild in Sprache, Geste und Gang jederzeit zu erkennen ist; sekundiert von grossen Auftritten der Herren Cromwell und Dreyfuss. Mittig jedoch merkt man irgendwann, daß diese Geschichte weder allzu aufregend noch besonders dringlich ist; und so endet der Film nicht, er hört einfach auf.

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Beitrag von Julio Sacchi » So 16. Sep 2012, 08:59

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Vergnüglicher STIRB LANGSAM-Klon mit Shannon Tweed in der John McClane-Rolle. Tweed wirkt dabei kaum glaubwürdiger als Anna Nicole Smith im ähnlich gelagerten TO THE LIMIT, bekommt aber Schützenhilfe von gut aufgelegten Männern: Ein bereits ordentlich aufgeschwemmter Andrew 'Dice' Clay gefällt sich und dem Zuschauer als ultrafieser Böswatz, Robert Davi ist der Kontakt zur Welt da draußen und gefällt deutlich besser als der fette Sergeant, der Bruce Wills zuquatschte - und dann wäre da noch ein hemmungslos fehlbesetzter Roddy Piper, der in einem bizarren Auftritt als psychotischer Handlanger mal wieder alle Herzen gewinnt. Paul PROM NIGHT Lynch inszeniert das Ganze zwar beherzt blutrünstig, aber mit genau der richtigen Portion Humor, wie auch der Titel NO CONTEST schon andeutet. Für einen Actionfilm, der vor dem Hintergrund einer Miss-Wahl spielt, ist der Film jedoch entschieden zu unsexy. Aber wahnsinnig unterhaltsam, das ist er.

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Beitrag von Julio Sacchi » Mi 19. Sep 2012, 14:45

Lockout-Movie.jpg
LOCKOUT erinnert unschön an Stuart Gordons Heuler FORTRESS, hat aber mit Guy Pearce den entscheidenden Vorteil gegenüber Transuse Lambert: Als Westentaschen-Snake Plissken macht Pearce selbst den abgehangensten One-Liner noch halbwegs verdaulich. Der Rest ist eine Abfolge fürchterlicher Klischees (der bekloppte Bruder, oh je) und der aus Besson-Produktionen bekannte zynische Umgang mit Menschenleben. Richtiggehend "Action" gibt es eigentlich herzlich wenig, und die Digitaleffekte ziehen einem besonders zu Anfang die Schuhe aus. Dank Pearce und einem mitunter ganz ansprechenden Set Design immerhin noch ein passabler Time-Waster, vor allem aber ein Waste of Time.

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Beitrag von Julio Sacchi » Do 20. Sep 2012, 15:38

la-proie-13-04-2011-22-g.jpg
LA PROIE fängt unheimlich stark an als beinharter Knacki-Krimi mit einer viehischen Prügeleiszene und einem Albert Dupontel, der als melancholischer Räuber stets zu überzeugen weiß, auch wenn er wie die Testosteronversion von Marco Rima aussieht. Auch die Gut/Böse-Konstellation verspricht einiges, und tatsächlich knallt die wilde Hatz bis über die Hälfte der Laufzeit ganz vorzüglich. Doch dann häufen sich die Unglaubwürdigkeiten allzu sehr und der Film fällt auch strukturell zunehmend auseinander. Die absurd schlechten Day for Night-Aufnahmen im Finale und eine selten dämliche Pointe macht das Ganze leider nachhaltig madig. Dommage!

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Beitrag von Julio Sacchi » Mo 24. Sep 2012, 18:27

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Eine griechische Tragödie, der eine etwas opulentere Inszenierung angesichts der zunehmend irrealen Ereignisse durchaus gut zu Gesicht gestanden hätte. Je mehr sich der Film jedoch in seiner parabelhaften Dramatik verliert, um so interessanter wird er, auch wenn man sich mit keiner Figur so recht einigen mag: Berenger ist ein schwacher Gegenspieler, Sean Bean gibt auch in jungen Jahren den Deppen schon genauso wie heute und John Hurt als Bauerntrottel dem Affen allzu viel Zucker. Sehenswert ist Jim Sheridans Drama aber dennoch, und zwar nur aus einem Grund: Richard Harris, der hier die Vorstellung seines Lebens liefert.

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Beitrag von Julio Sacchi » Mo 1. Okt 2012, 12:23

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Exzellentes Amalgam aus klassischem Noir und angegruseltem Psychodrama, mit einer Joan Crawford in Bestform als mental instabile, liebeskranke Pflegerin. Van Heflin gibt mit Genuß den homme fatale in diesem Geschlechterkrieg mit umgekehrten Vorzeichen, doch am Ende ist für jeden Zahltag. Regisseur Bernhardt erstaunt nicht nur mit Noir-typischem Schattenlicht, sondern besonders mit Tonspurspielereien aus der Horrorkiste. Ein toller Film.

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Beitrag von Julio Sacchi » Di 2. Okt 2012, 11:20

Ghost Rider 2 Film.jpg
Statt Plot nur noch Ideensammlung, Ideen aus dem hyperaktiven Neveldine & Taylor-Köcher; viele schlechte, einige mittelprächtige, aber auch so manch grossartige. Ein totales Durcheinander ist das, mit teils vergeigter, teils knalliger Höllenaction und Gaga-Digitaleffekten, in dem ein zumindest interessierter Cage dem Affen Zucker geben darf, wenn er denn mal in Erscheinung tritt. Das Wirrwarr im Stil eines Osteuropa-DTV-Schlockers auf Speed zickzackt sich sinnfrei einem großen Finish entgegen, wenn statt der erwarteten Fabrik/Steinbruch/Kloster-Ballerei eine Autojagd schwer auf MAD MAX macht und damit schwer punkten kann. Bei Gott nicht so scheiße, wie alle sagen.

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Beitrag von Julio Sacchi » Do 4. Okt 2012, 09:08

Haywire Banner.jpg
Genau wie GHOST RIDER 2 ist HAYWIRE nur noch an Oberfläche interessiert. Natürlich hat Soderbergh mehr Stilbewusstsein, allerdings neigt er mit seinen Farbspielen, den künstlichen Unschärfen und besonders den geschwärzten Bildecken kaum weniger zur übertriebenen Ästhetisierung. Letztlich sieht sein Pseudo-Actioner genau so aus wie David Holmes' aufdringlich omnipräsenter Prog-Funk klingt: Schick und glatt produziert, mit funky Highlights hier und da, aber auch ganz schön faux und langweilig. Zur Hilfe eilen der blassen Carano die männlichen Co-Stars, bei denen neben einem saftigen Douglas gerade jene überzeugen, von denen man nichts (McGregor), nichts mehr (Paxton) oder noch nichts (Tatum) erwartet hätte. Am Ende bleibt ein Fightfilm ohne Schweiß.

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Beitrag von Julio Sacchi » Fr 5. Okt 2012, 09:03

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Zu heiß gekochtes Polizeimelodram, das kein noch so abgehangenes Klischee auslässt und mit seinem stolz ausgestellten Fatalismus zunehmend erheitert. Die Grenze der unfreiwilligen Komik wird allerdings peinlichst durchbrochen, als sich Marchal nicht entblödet, eine dieser fremdschämigen Geburt/Tod-Montagen zu zelebrieren. Ein Film, der mich ausgesprochen verärgert hat und den man sich eigentlich nur wegen Daniel Auteuil ansehen kann, der hier eine wahrlich abgründige Vorstellung liefert.

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Beitrag von Julio Sacchi » So 7. Okt 2012, 23:51

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Hollywood-Schlock, der mit sowas wie Plausibilität nichts zu tun haben will und gegen Ende auch noch den letzten Rest von Selbstachtung bzw. Glaubwürdigkeit über Bord wirft. Zähneknirschend erträgt man die arme Genesis Rodriguez, die als voll sassy Latina ihre dicken Möpse ins Bild halten muss und findet im bunten Treiben so manch ordentliche schauspielerische Leistung, etwa von Elizabeth Banks als verkaterte Verhandlerin und Titus Welliver als Cop aus der Bronx sowie einen mal wieder brutal fiesen Ed Harris. Totaler Quatsch ist das, frei von nachvollziehbaren Motivationen für die Charaktere, aber auch ausgesprochen unterhaltsam, mitunter sogar spannend.

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