Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

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Julio Sacchi
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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » Fr 9. Apr 2021, 09:12

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FLAWLESS (2007)
London in den 60er Jahren: Der Hausmeister einer großen Diamantenfirma überredet eine frustrierte leitende Angestellte zum ausgeklügelten Klunker-Klau. FLAWLESS hat ästhetisch gesehen richtig Klasse, die 60er werden elegant und stilsicher emuliert, die Bilder haben richtig schönes sattes Schwarz und keiner wirkt verkleidet. Aber wie es manchmal so ist: Mit Michael Radord war hier ein renommierter Regisseur (IL POSTINO, 1984) am Steuer und mit Demi Moore und Michael Caine zwei Top-Stars in Top-Form vor der Kamera, aber dennoch funkelt der Film nicht so richtig. Unterm Strich durchaus passable Unterhaltung, die unter etwas zu ausgedehnter Laufzeit, einem gewohnt schwachen Lambert Wilson und dem völlig behämmerten Glücksbärchi-Ende leidet.

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » Fr 16. Apr 2021, 12:07

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SIX DEGREES OF SEPERATION (1993) (ich weigere mich, den deutschen Titel zu nennen)
Ein junger Mann (Will Smith) platzt, aus einer Schnittwunde blutend, ins Upper-West-Side-Apartment des wohlhabenden Kunstdealer-Ehepaars Kittredge (Stockard Channing und Donald Sutherland). Der ungebetene Gast ist laut eigener Aussage Opfer eines Raubüberfalls im Central Park geworden und hat sich von den Kittredges Zuflucht und Hilfe versprochen, weil er mit deren Kindern in Harvard studiert. Der junge Mann ist klug, gewitzt, höflich, kann kochen und ist außerdem der Sohn von Hollywood-Legende Sidney Poitier! Die Kittredges sind so hingerissen von ihrer neuen Bekanntschaft, daß sie den jungen Mann in ihrer Wohnung übernachten lassen. Am nächsten Morgen gibt es eine böse Überraschung.

Adaption des gleichnamigen Theaterstücks, für das Autor John Guare für den Pulitzer Prize nominiert wurde. Und eine der inszenatorisch interessantesten Bühnenadaptionen, die ich überhaupt je gesehen habe. Fred Schepisis Film, von Kameramann Ian Baker in edle, aber nicht abgeschmackte Bilder getaucht, erzählt fragmentarisch, springt in Rückblenden hin und her, überrascht mittendrin aber auch mit kurzen Schlaglichter, die auf Kommendes hinweisen oder Vergangenes neu beleuchten. Ein zunächst etwas hektisches, undurchsichtiges Puzzle, das dank der abstoßend schnöselig-überheblichen Art der New Yorker Upper Class unzugänglich wirkt, sich dann aber so faszinierend entwickelt und aufblättert wie die Identität des vermeintlichen Poitier-Sohns. Daß das so gut funktioniert, liegt am trickreichen Drehbuch des Autors, an der subtilen Regie Schepisis, aber eben auch am herausragenden Schnitt des britischen Editors Peter Honess. Und natürlich an den Schauspielern, von in Nebenrollen aufblitzenden Glanzlichtern wie Heather Graham und Ian McKellen bis zum Hauptdarsteller-Trio. Man freut sich über und für Donald Sutherland, der hier eine der wenigen seiner seit 1990 betrüblich knapp bemessenen Gelegenheiten, eine interessante Figur nuanciert zu verkörpern, voll ausnutzt und einen nachdrücklich daran erinnert, was für ein toller Schauspieler er eigentlich ist.
Ein ungewöhnliches, reiches Filmerlebnis.

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » Fr 23. Apr 2021, 11:21

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THE STATEMENT (2003)
Michael Caine als französischer Nazi-Kollaborateur, der Anfang der 90er von seiner Vergangenheit eingeholt wird. Unglaublich uninspirierter und langweiliger Film, der nach altem Fernsehen müffelt und zu keiner Zeit authentisch wirkt. Caines Rolle (oder seine Performance) verstehe ich nicht; meistens ist er ein jämmerlicher Waschlappen, dann aber wird er im Beisein seine Frau zum manipulativen Macho oder ballert mühelos Leute über den Haufen. Alle anderen (namhaften) Schauspieler sind FURCHTBAR, allen voran Tilda Swinton als resolute Nazi-Jägerin, die immer zu spät am Tatort eintrifft. Mal wieder ein echter Beresford! (Nur daß allen Ernstes Norman Jewison drunter steht)

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » Di 12. Okt 2021, 08:36

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FRAUEN HINTER ZUCHTHAUSMAUERN
Zu diesem Klassiker des WiP-Genres kann man ausnahmsweise Quentin Tarantino zu Wort kommen lassen: Der Film ist in der Tat, wie er sagt, "just harsh, harsh, harsh". Hier wird pausenlos gequält, gefoltert, gedemütigt und gehasst; das Ganze nicht mit dem Exploitation-Gloss des späteren Oberhammers CHAINED HEAT, sondern einfach nur fies und niederschmetternd, trotz der einfallsreichen bis absurden Foltermethoden von Aufseherin Pam Grier ohne falsche Reize dargestellt, harsh, harsh, harsh. Als es endlich zur Flucht kommt, wird die aufkeimende Hoffnung doppelt und dreifach zerstört. Das letzte Bild nannte Tarantino eines "of devastating despair", und das stimmt genau so. Die deutsche Fassung zerstört diesen Effekt allen Ernstes mit einem Off-Kommentar von Manfred Schott im klassischen Schulmädchen-Modus.

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » Mi 13. Okt 2021, 12:04

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LOGAN - EIN BULLE RÄUMT AUF :roll:
Burts Career Moves nach dem Comeback mit BOOGIE NIGHTS kann man einfach nicht verstehen. Sackschlechter Fernsehfilm, in dessen Vorspann schon die Todeswarnung "Degeto" steht. Reynolds sieht grotesk aus mit seinem weißen Toupet und wirkt mit seiner antiquierten Bullennummer wie ein Relikt aus einer vergangenen Zeit. Zusammen mit dem total entgrenzten Fettsack Durning bildet er das wohl unfähigste Cop-Duo der jüngeren Fernsehgeschichte. Neben Burt und Charles geben sich noch Robert Loggia und Billy Dee Williams die Ehre, außerdem darf Roddy Piper als Watschenmann vorbeischauen.

Den Aufstand alter Männer versucht man geradezu zwanghaft mit den Auftritten junger Babes auszugleichen, was von total schmierig (Reynolds beschattet eine Blumenverkäuferin, die in den eigenen vier Wänden prompt einen Strip hinlegt) über total absurd (Reynolds hat eine Affäre mit Mia Sara?!) bis total abartig (Fat Durning tanzt mit jungen Babes) alles zu bieten hat. Das ist die Art Film, in dem der erste Auftritt einer jungen Frau folgendermaßen aussieht: 1. Close-Up ihrer hohen Hacken 2. Schwenk die Beine hoch 3. Saxophon.

Diese Cop-unter-Verdacht-Schnurre macht leider auch noch auf lustig, aber damit nicht genug, Reynolds' Regie ist zum Haareraufen und der Schnitt Marke Heckenschere, bei manchen Szenen weiß man überhaupt nicht, was die da machen (anfangs sieht man Loggia zum ersten Mal, der steht am Strand, rechts ein Bodyguard, links auch, er guckt die an, dann guckt er aufs Meer, dann kommt ne andere Szene ohne Loggia WTF), und bei anderen sieht man, wie cheap das Ganze ist (es gibt drei exakt deckungsgleich gesetzte Szenen mit Burt und einer Transe in Untersuchungshaft, das soll sich an drei verschiedenen Tagen abspielen, aber alles sieht genau gleich aus UND DIE TRANSE SITZT IMMER AN DERSELBEN STELLE). Richtiger Schrott ist das.

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » Fr 15. Okt 2021, 08:18

MICHAEL-CAINE-FESTIVAL

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DAS MÄDCHEN AUS DER CHERRY-BAR (1966)
Die damaligen Kinozuschauer wurden vom Marketing des Films animiert, ruhig das Ende zu verraten, aber bitte niemals den Anfang. Mit Recht! Der erste Twist dieses grandiosen Gaunervergnügens stellt nach einer halben Stunde, in der Shirley MacLaine kurioserweise kein einziges Wort sagen darf, den Film komplett auf den Kopf und macht die Bühne frei für einen stilvollen, unwiderstehlichen Filmspaß. Das gewitzte Drehbuch wird dankenswerterweise von einem fantastischen Darstellertrio zum Leben erweckt: MacLaine ist schlicht hinreißend, Caine einmalig in seiner schon perfektionierten Rolle des kalten Briten und Lom, ach, Herbert Lom. Ein Traum!

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RITA WILL ES ENDLICH WISSEN (1983)
Lewis Gilberts schwache Regie spielt, zumindest im ersten Drittel, in der unteren Boulevardtheater-Liga und schreckt auch vor Slapstick nicht zurück. Julie Walters' schrille Darstellung wurde in den 80ern sehr gefeiert, ich fand sie regelrecht irritierend. Die Musik ist FURCHTBAR. Was aus all diesen Gründen anmutet wie die x-te Variante des Pygmalion-Stoffes (und keine gute), schlägt dann aber eine andere Richtung ein - das Miteinander dieser Menschen ist zum tragischen Scheitern verurteilt und der Blick auf das Für und Wider eines Selbstfindungsprozesses erfrischend ungeschönt. Sehenswert ist fraglos das unglaublich nuancierte Spiel Michael Caines in einer seiner besten Rollen.

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DIE TODESFALLE (1968)
Einfallsreich und superstylish (über-)inszenierter Heist-Krimi, der einem mit einem sündhaften schönen John-Barry-Score und dem eiskalten Michael Caine sofort im Sack hat. Erstaunlicherweise kackt der Film nach dem hochspannenden ersten Raubzug total ab. Caine wird plötzlich zum gefühlsduseligen Loverboy, seine Souveränität verschwindet spurlos und die Story tritt nur noch Wasser. Die überraschende Auflösung der verwandtschaftlichen Verhältnisse ist dann auch schon herzlich egal. Wie schade!

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QUICKSAND (2003)
Ich mag Keaton, aber er ist einfach zu schräg für den Hitchcockschen Everyman, der unwillentlich ins Fadenkreuz gerät. Sonst ganz okaye Schnurre von Routinier MacKenzie, die aber nicht so recht bis zum Ende tragen will und neben ein paar inszenatorischen Unsicherheiten und einer leicht ranzig-misogynen Grundstimmung auch noch mit einem sehr gestrigen House-Score um die Ecke kommt. Vorm Zusammenfall rettet das Ganze ein absolut unwiderstehlicher Michael Caine, der in seinem hauseigenen Idiom kräftig fluchen darf und über die Missetaten seiner Auftraggeber nicht schockiert, sondern herrlich angepisst ist. Tatsächlich eine große Performance in einer kleinen Rolle, die den Film fast sehenswert macht. Fast.

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » Di 26. Okt 2021, 12:31

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ANGEL TOWN (1990)
Jacques Montaigne ist der Neue in der Stadt. Der freche Franzose ist als hoffnungsvoller College-Student nach Los Angeles gekommen, auch wenn er ganz offensichtlich stramm auf die 30 zugeht. Aber gut, er soll ja auch ein Olympia-Team von Fightern trainieren! Dazu kommt es allerdings nie. Jacques hat sich nie um eine Unterkunft gekümmert und muss nun in einer räudigen Gegend bei der alleinerziehenden Maria und ihrem halbstarken Sohn unterkommen. Die beiden werden regelmässig von der ansässigen Strassengang drangsaliert, deren Anführer pausenlos mit einer Uzi fuchtelt, die er nie abfeuert! Es dauert natürlich nicht lange, bis Jacques die ersten Fressbretter poliert und sich dementsprechend die Sympathien der Gang verspielt.
Was ich an diesem unterhaltsamen Heuler, der das erste Star-Vehikel für Olivier Gruner darstellt, besonders gelungen finde, ist die ambivalente Zeichnung der Hauptfigur. Jacques ist nicht nur aufrechter Rächer der Enterbten, sondern auch arroganter und eitler Fatzke, der die Spirale der Gewalt unüberlegt eskalieren lässt und so insbesondere Maria, aber auch einen Kumpel mit seiner Martial-Arts-Schule böse in Mitleidenschaft zieht. Die Kicks sitzen, die Kloppe macht Spaß und das Ganze hat einfach wunderbares Videothekenflair, auch wenn damals sogar ein deutscher Kinostart drin war! Nur das Finale ist dann doch ein wenig enttäuschend, da wird sich im Vorgarten gebalgt und wenn der Anführer die Fresse poliert bekommen hat, ziehen auch seine Jünger von dannen. Naja!

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » Mo 15. Nov 2021, 11:25

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IRRSINN DER GEWALT :crazy: (1973)
Ein Indianer (sagt man das noch?) wird der Vergewaltigung eines Mädchen bezichtigt. Natürlich ist er unschuldig! Ihr Stiefvater kommt nur nicht damit klar, dass die Kleine ein sexgeiles Luder ist und prügelt sie zu Mus. Ab jetzt wird Jagd auf die Native Americans gemacht, das ganze Dorf steht stramm hinter dem bigotten Sheriff! Der Mob prügelt, zerstört und sperrt ein, die Meute ist so besinnungslos, dass irgendwann sogar auf ein Pärchen geschossen wird, das gar nicht indianisch ist ("Sorry, war ne Verwechslung")! Als der schwerhörige Bruder erschossen und kastriert wird, sieht Camper John rot. Leider kommt es nicht zum Rache-Supergau - Camper John ist eher an der Lehre des Friedens interessiert. Es fliegt ein Auto in die Luft und der irre Stiefvater wird gefesselt, das war es dann auch schon. Der Film kann sich nicht so recht zwischen Exploitation und Drama entscheiden und landet am Ende im Nirgendwo. Zum eher trashigen Gesamteindruck tragen auch die Schauspieler bei, die grösstenteils agieren wie nach dem siebten Kaffee!

Von Bildqualität kann man bei der deutschen DVD nicht sprechen, kompett unscharfe VHS mit intakten Dropout-Streifen. Lustig: Es wird eine Auswahl zwischen "remastered" und "original" angeboten, also zwischen total scheisse und ultra scheisse! Die Porno-Synchro ist gewöhnungsbedürftig. Immerhin spricht Heiner Lauterbach den irren Stiefvater!

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » Do 18. Nov 2021, 11:46

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ULEES GOLD (1997)
Damals im Kino gesehen und gemocht, nun wieder geschaut und wieder sehr gemocht.
Ulysses Jackson ist Imker in einem Kaff in Florida. Seit dem Tod seiner Frau bläst er vorwiegend Trübsal, sein Sohn sitzt im Knast, und seit seine Schwiegertochter das Weite gesucht hat, zieht Ulee seine Enkelinnen alleine auf. Das Leben ist eine Baustelle. Dann plötzlich sieht sich Ulee gezwungen, die verhasste Schwiegertochter - mittlerweile komplett runtergekommener Junkie - bei sich aufzunehmen und sich zu allem Überfluß mit den Ex-Komplizen seines Sohns herumzuschlagen. Die Katastrophe scheint unumgänglich.
Der Film von Victor Nunez ist so ruhig und still wie seine Hauptfigur. Die Story bietet Gelegenheiten für jede Menge Klischees, aber Nunez gelingt das beeindruckende Kunststück, sie alle zu umschiffen. Obwohl man das dräuende Unheil und Ulees Erschöpfung förmlich spürt, hat ULEE'S GOLD in vielen Szenen fast etwas Beruhigendes, insbesondere, wenn man dem Bienenzüchter bei seiner geliebten Arbeit zuschauen darf. Der melancholische Score von Charles Engstrom tut sein Übriges, diese spätsommerliche Stimmung unwiderstehlich zu machen.
Natürlich kommt man nicht umhin, Peter Fondas Darstellung zu preisen. Es ist fraglos seine beste Rolle und unbedingt seine beste schauspielerische Leistung, eine Performance voller Tiefe und Integrität. In Nebenrollen sieht man Jessica Biel in ihrem ersten Leinwandauftritt sowie eine großartige Patricia Richardson, die ganz offensichtlich viel mehr zu bieten hat als die patente Ehefrau in Tim Allens schrecklicher Heimwerker-Sitcom.
Ein schönes Stück amerikanisches Erzählkino mit all dessen Tugenden, das mich zusätzlich berührt, weil es unter anderem im Apalachicola gedreht wurde, wo ich einst einen der schönsten Tage meines Lebens verbrachte.

PS: Die deutsche DVD von Pidax ist ne absolute Frechheit.

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » Mi 30. Mär 2022, 11:16

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BILLY JACK (1971)
Wurde mal Zeit, dass ich den nachhole. Autokino-Blockbuster der 70er, der die Figur Billy Jack nach ihrem ersten Auftritt in BORN LOSERS zum Franchise-Hero machte und angeblich Tarantino zu Cliff Booth inspirierte. Aus einem 800.000-Dollar-Budget hat Tom Laughlin damals mit Eigenvertrieb satte 60 Millionen gemacht. Sieht man sich den Film an, muss man sich schon fragen, was genau die Leute so begeistert hat.
Billy Jack ist Halbblut und Kriegsveteran. In einem von Rassisten, fiesen Geschäftsmännern und korrupten Cops gebeutelten Pupsdorf ist er der Fels in der Brandung. Billy predigt Gewaltlosigkeit und Frieden und beschützt die alternative Hippie-Schule mit ihrer antiautoritären Community. Billy predigt Gewaltlosigkeit aber immer nur so lange, bis ihm oder einem, den er mag, einer doof kommt. Der kriegt dann Bunkerschellen, und zwar aus dem Hause Karate. Klingt nicht nach 114 Minuten Laufzeit? Das stimmt. Die 114 Minuten Laufzeit werden u.a. mit komplett ausgespielten Hippie-Songs, einer schier endlosen indianischen Initiationszeremonie und harzigem Improv-Theater der langhaarigen Kommune erreicht. Irgendwann, so kommt es ja immer, gehen die Bösen zu weit, und nach einer recht fiesen Vergewaltigungsszene brennen Billy die Sicherungen durch. Allzu heftig fällt aber auch diese Eskalation nicht aus, und so bleibt letztlich alles so steif und holzig wie Laughlins Spiel.

Angesichts des derzeitigen Autokino-Booms in Deutschland könnte man dem Film aber eine Wiederaufführung spendieren! Wer da den Finger am Puls der Zeit hat, verdient Millionen!

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