Amanda Gorman und die Folgen

Von Richard Laymon bis zu Tolstoi: Die Abteilung für Leseratten.
Antworten
Benutzeravatar
Thorsten Hanisch
Moderator
Beiträge: 26978
Registriert: Mo 7. Mai 2012, 20:18
Kontaktdaten:

Re: Amanda Gorman und die Folgen

Beitrag von Thorsten Hanisch » Do 25. Mär 2021, 11:56

Na ja, wenn ich allein schon dran denk, was in diesem Forum alles erdulden muss....?

Eigentlich hätte ich Gormans Gedicht übersetzen sollen! :D

Jedenfalls, dieses "alte weiße Männer"-Argument ist in meinen Augen ein Totschlagargument, mit dem Du jede Diskussion sofort abwürgen kannst (ist ja auch total austauschbar mit "Männer", "priviligiert" oder sonstwas und schwupp ist jede weitere Auseinandersetzung komplett überflüssig und schon haben wir wieder zwei Lager, die sich bekämpfen und nix geht voran).

Ich für mein Teil hatte jedenfalls mehr als genug Gespräche (im echten Leben, nicht online) mit anderen Menschen (aus aller Welt), die wirklich, wirklich Schreckliches erlebt haben (vor allem mit Frauen; puh, manchmal schämt man sich regelrecht ein Mann zu sein) um mir ne Meinung zu bilden. Alt (na ja) und weiß zählt da ganz einfach nicht.
»Wenn man der Klügste im Raum ist, ist man im falschen Raum« (K. Lauterbach)

https://diezukunft.de/users/thorsten-hanisch

Benutzeravatar
Julio Sacchi
Beiträge: 29698
Registriert: Do 10. Mai 2012, 17:52

Re: Amanda Gorman und die Folgen

Beitrag von Julio Sacchi » Do 25. Mär 2021, 12:03

Das kann ich über mich genauso sagen, aber genau das ist ja der komplett falsche Ansatz, nämlich alle Themen nur über eigene Erfahrungen (aus zweiter Hand) zu definieren. Außerdem reden wir doch gerade gar nicht über #metoo?!

Ich meine vielmehr, daß es doch wirklich Quatsch ist, wenn sich Gottschalk, Beisenherz, Kunze und Milski darüber austauschen, wie überflüssig angeblich die Aufregung über das Wort "Zigeunerschnitzel" sei und was denn so schlimm am Blackfacing wäre.

Und genauso ist es ein Unding, wenn sich ausschließlich Männer über Sexismus austauschen oder über die Belange von Behinderten geredet wird, ohne die Betroffenen zu beteiligen usw. Ich glaube an Inklusion und Diversität und NICHT daran, daß man weiterhin den immergleichen Bevölkerungsgruppen die Deutungshoheit überlässt. Mir scheißegal, was denen schon mal irgendwer im Vertrauen erzählt hat.

Benutzeravatar
Thorsten Hanisch
Moderator
Beiträge: 26978
Registriert: Mo 7. Mai 2012, 20:18
Kontaktdaten:

Re: Amanda Gorman und die Folgen

Beitrag von Thorsten Hanisch » Do 25. Mär 2021, 13:35

Julio Sacchi hat geschrieben:
Do 25. Mär 2021, 12:03
Das kann ich über mich genauso sagen, aber genau das ist ja der komplett falsche Ansatz, nämlich alle Themen nur über eigene Erfahrungen (aus zweiter Hand) zu definieren.
Find ich nicht. Ich muss z.B. auch nicht erst Krebs kriegen, um zu wissen, dass Krebs scheiße ist.
Julio Sacchi hat geschrieben:Außerdem reden wir doch gerade gar nicht über #metoo?!
Hab gerade auch das Gefühl, dass diverse kleinere Baustellen vermengt werden.
Julio Sacchi hat geschrieben:Ich meine vielmehr, daß es doch wirklich Quatsch ist, wenn sich Gottschalk, Beisenherz, Kunze und Milski darüber austauschen, wie überflüssig angeblich die Aufregung über das Wort "Zigeunerschnitzel" sei und was denn so schlimm am Blackfacing wäre.
:D Ja, gut, aber das ist jetzt wirklich ein Extrembeispiel. Ich würde keinen von uns in dieKategorie "alte weiße Männer" verorten wollen. Gibt`s Ausfälle solcher Art denn öfter im Fernsehen? Kann man da wirklich von nem strukturellen Problem reden oder sind da einfach nur bei nem Redakteur die Lampen völlig ausgegangen?

(Außerdem: Immerhin scheint zumindest Gottschalk nach dem Backlash ins Grübeln gekommen zu sein (ich bin jetzt mal gutherzig und glaub`s :angel:), paßt doch dann irgendwie auch; vielleicht hätts ohne nie ne tatsächliche Änderung gegeben?))
Julio Sacchi hat geschrieben:Und genauso ist es ein Unding, wenn sich ausschließlich Männer über Sexismus austauschen oder über die Belange von Behinderten geredet wird, ohne die Betroffenen zu beteiligen usw. Ich glaube an Inklusion und Diversität und NICHT daran, daß man weiterhin den immergleichen Bevölkerungsgruppen die Deutungshoheit überlässt. Mir scheißegal, was denen schon mal irgendwer im Vertrauen erzählt hat.
Wir sind hier aber nicht im Fernsehen. Wär das ne Talkshow würde ich die Runde anders zusammensetzen.

Zu dem Fall gab`s übrigens was echt Schönes:

Wie wir in der Rassismusdebatte vorankommen können (lesenswert!)
Verbale Abrüstung, bitte! Ich schreibe bewusst Vorschlag, nicht Forderung. Als weiße Autorin kann und will ich Opfern von Rassismus nicht vorschreiben, wie sie mit Diskriminierung umgehen sollen. Aber niemand wird sich über Anfeindungen gewinnen lassen. Oder mit Forderungen, die er nicht versteht. Wir sollten als Gesellschaft zudem wollen, dass Menschen freiwillig und ohne Zwang auf diskriminierende Bezeichnungen verzichten. Wer das tut, der hat verstanden, der ist überzeugt. Das muss das Ziel sein.
»Wenn man der Klügste im Raum ist, ist man im falschen Raum« (K. Lauterbach)

https://diezukunft.de/users/thorsten-hanisch

Benutzeravatar
Julio Sacchi
Beiträge: 29698
Registriert: Do 10. Mai 2012, 17:52

Re: Amanda Gorman und die Folgen

Beitrag von Julio Sacchi » Do 25. Mär 2021, 13:52

In Deinem Zitat hast Du aber den wichtigen vorangestellten Satz unterschlagen:
Daraus ergibt sich ein Vorschlag an jene, die nach der WDR-Debatte gleich alle zu Nazis erklärten:
Verbale Abrüstung in Sachen Nazi-Vorwurf. Da hat sie ja auch Recht.
Viel entscheidender find ich das hier:
So geht es beiden Gruppen um Freiheit. Der Unterschied ist: Für Opfer von Rassismus geht es um das Erlangen von Freiheiten, die eine Mehrheit in Deutschland schon genießt. Es geht um die Korrektur eines Missstandes, nicht um die Prävention einer abstrakten Gefahr.
Und damit entkräftet sie ja auch wunderbar Deinen behaupteten Wunsch nach Freiheit.

Außerdem verstehst Du mich auch weiterhin (absichtlich?) miß. Es geht nicht darum, daß ich Rassismus nicht scheiße finden kann, nur weil ich selbst kein Opfer dessen werde. Es geht darum, daß für Ewigkeiten die Stimmen der Betroffenen überhaupt nicht gehört wurden. Da kommt dann wieder der great white savior um die Ecke und darf es richten. Und das muß aufhören.

Das gilt aber auch und genauso für die Vielzahl an AutorInnen, Twitter-Freaks und sonstigen Social-Media-Tröthörnern, die wiederum für Minderheiten entscheiden wollen, wann die sich beleidigt oder beschimpft oder ausgegrenzt zu fühlen haben. Das können die nämlich immer noch selber für sich entscheiden.

Benutzeravatar
Youri
Beiträge: 671
Registriert: Di 18. Jun 2013, 15:12

Re: Amanda Gorman und die Folgen

Beitrag von Youri » Do 25. Mär 2021, 13:57

Thorsten Hanisch hat geschrieben:
Do 25. Mär 2021, 11:30
Wie wär`s mal mit nem Kompromiss? Wie wär`s damit, wenn zueinander findet, statt immer weiter von einander weg zu treiben?
Kompromisse find ich gut, sind aber natürlich auch sehr bequem, wenn man seinen eigenen Standpunkt als die Kompromissposition begreift. Dennoch ein Kompromissvorschlag: Du akzeptierst die Sprachverhunzung Gendersternchen und die anderen akzeptieren die Sprachverhunzung, einen Akzent als Apostroph zu gebrauchen. Alle glücklich.

Benutzeravatar
Savior
Beiträge: 13791
Registriert: Do 10. Mai 2012, 03:29
Kontaktdaten:

Re: Amanda Gorman und die Folgen

Beitrag von Savior » Do 25. Mär 2021, 13:57

Julio Sacchi hat geschrieben:
Do 25. Mär 2021, 13:52
[...] Da kommt dann wieder der great white savior um die Ecke und darf es richten. Und das muß aufhören. [...]
Ich versuch mich zu bessern. :(

Benutzeravatar
Julio Sacchi
Beiträge: 29698
Registriert: Do 10. Mai 2012, 17:52

Re: Amanda Gorman und die Folgen

Beitrag von Julio Sacchi » Do 25. Mär 2021, 14:03

Youri hat geschrieben:
Do 25. Mär 2021, 13:57
Alle glücklich.
*hust*

Benutzeravatar
Bewitched240
Beiträge: 16662
Registriert: Di 29. Mai 2012, 00:15

Re: Amanda Gorman und die Folgen

Beitrag von Bewitched240 » Do 25. Mär 2021, 14:03

Youri hat geschrieben:
Do 25. Mär 2021, 13:57
Thorsten Hanisch hat geschrieben:
Do 25. Mär 2021, 11:30
Wie wär`s mal mit nem Kompromiss? Wie wär`s damit, wenn zueinander findet, statt immer weiter von einander weg zu treiben?
Kompromisse find ich gut, sind aber natürlich auch sehr bequem, wenn man seinen eigenen Standpunkt als die Kompromissposition begreift. Dennoch ein Kompromissvorschlag: Du akzeptierst die Sprachverhunzung Gendersternchen und die anderen akzeptieren die Sprachverhunzung, einen Akzent als Apostroph zu gebrauchen. Alle glücklich.
Und wenn man beides ablehnt? :think:

Benutzeravatar
Youri
Beiträge: 671
Registriert: Di 18. Jun 2013, 15:12

Re: Amanda Gorman und die Folgen

Beitrag von Youri » Do 25. Mär 2021, 14:05

:D :D

Wenn am Ende niemand glücklich ist, ist das ja auch ein typisches Kompromiss-Ergebnis.

Benutzeravatar
Thorsten Hanisch
Moderator
Beiträge: 26978
Registriert: Mo 7. Mai 2012, 20:18
Kontaktdaten:

Re: Amanda Gorman und die Folgen

Beitrag von Thorsten Hanisch » Do 25. Mär 2021, 16:16

Julio Sacchi hat geschrieben:
Do 25. Mär 2021, 13:52
Das gilt aber auch und genauso für die Vielzahl an AutorInnen, Twitter-Freaks und sonstigen Social-Media-Tröthörnern, die wiederum für Minderheiten entscheiden wollen, wann die sich beleidigt oder beschimpft oder ausgegrenzt zu fühlen haben. Das können die nämlich immer noch selber für sich entscheiden.
+ Rest

:shock: :shock: :shock: Ich glaub's ja nicht - wir finden tatsächlich mal halbwegs zusammen?

Und das im 20ten Jahr unserer wunderbaren Psycho-S/M-Beziehung?

Wär eigentlich fast schon n Grund für n Maximalbesäufnis!
»Wenn man der Klügste im Raum ist, ist man im falschen Raum« (K. Lauterbach)

https://diezukunft.de/users/thorsten-hanisch

Antworten