Richard Laymon

Von Richard Laymon bis zu Tolstoi: Die Abteilung für Leseratten.
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Thorsten Hanisch
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Richard Laymon

Beitrag von Thorsten Hanisch » Fr 11. Mai 2012, 17:41

Der Käfig.jpg
Richard Laymon wie er leibt und lebt: Nur ein Laymolum bringt es fertig Mumien-Horror und Psycho-Sex mit SAW-Schlagseite in einem Roman unterzubringen - d.h. so ganz gelingt es ihm nicht: Das ungewohnt fahrige Ende enttäuscht, gerade vom Meister der deftigen Schlußpointen hätte man noch ein bisschen mehr BAM! erwartet, ob das allerdings am Chef selbst liegt oder daran, dass DER KÄFIG in einer angeblich noch etwas unfertigen Form erst nach seinem Tod erschien bleibt offen. Genauso hätte man sich eine Reduktion der etwas zuvielen und zu teilweise zu blassen & nutzlosen Charaktere gewünscht - die messerscharfe. eher minimalistische Erzählweise des Meister wirkt stellenweise arg verschwommen. Dennnoch: Mir hat's dank so einiger gruseliger, spannender Stellen und dem typischen Laymon-Humor gut gefallen...
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diceman
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Re: Now Reading

Beitrag von diceman » Fr 11. Mai 2012, 17:54

Apropos ...
Habe mir gerade gestern THE GLORY BUS (blind) in den Warenkorb gepackt. :?
Für lange Nachtdienste gibt's aber tatsächlich nix Besseres als Laymon, die olle, degenerierte Sau.
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Thorsten Hanisch
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Re: Now Reading

Beitrag von Thorsten Hanisch » Fr 11. Mai 2012, 18:07

GLORY BUS kenn ich (noch) nicht - scheint ja sein sein allerletztes Buch gewesen zu sein.

Bin mittlerweile absoluter Laymon-Fan: Mag sein Zeugs sehr, vor allem die früheren Werke sind super - dreckiger, provokativer, total verkommener Sleaze mit unverkennbaren Stil - jaja, keine Literatur, aber irgendwie einmalig (nobody does like it Laymon) und das ist auch was wert.
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Re: Now Reading

Beitrag von diceman » Fr 11. Mai 2012, 18:22

Von THE WOODS ARE DARK war ich etwas enttäuscht ... super Prämisse, einige ziemlich intensive Situationen, inklusive einer gesunden Portion Hillbilly-Exploitation, aber der Schluß wirkt irgendwie überhastet, unausgegoren, als hätte er keinen rechten Bock mehr gehabt. Ist aber, glaube ich, auch eines seiner Problemwerke, welches zunächst nur mit derben Kürzungsauflagen vom Verlag erschienen ist, und dann posthum aus verloren geglaubten Notizen wieder zusammengestückelt wurde.

Ansonsten noch THE CELLAR: konnte mich weitgehend begeistern, auch wenn er hier und da unentschlossen scheint, wo er damit eigentlich hin will. Erstlingswerk, glaube ich, einige Handlungen/Action-Szenen mußte ich dreimal lesen, bevor ich gerafft habe, wer da jetzt wem, was. Fiese End-Pointe.

Und natürlich, THE ISLAND, bei dem ich irgendwie das vage Gefühl habe, daß dies sein unschlagbares Opus Magnum bleiben wird. Ist aber nur so'n Bauchgefühl, bei gerade mal drei Büchern kann ich natürlich gar nicht realistisch beurteilen. Übelster, kranker Shit, der aber absolut flasht und sich weglesen lässt wie ein Comic; insbesondere die Ich-Perspektive generiert hier so einige WTF-Momente, bei denen ich schier die Kinnlade nicht mehr zugekriegt habe: Das hat der jetzt nicht wirklich geschrieben, oder? :? Das Ende ist der Hammer!
Eine ungekürzte übersetzte Ausgabe wird in Deutschland übrigens nicht mehr aufgelegt, mittlerweile ist nur noch eine zensierte, veränderte Fassung erhältlich. Kann man, glaube ich, am Cover-Artwork erkennen. Eines hat 'ne Hand, das andere eine Fliege. Aber keine Ahnung, was was ist. Ich hab's eh auf Englisch gelesen, da ist man auf der sicheren Seite ....
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Re: Now Reading

Beitrag von Thorsten Hanisch » Fr 11. Mai 2012, 19:50

Ich weiß gar nicht genau, wieviel Laymons ich hinter mir hab - dürften rund 20 sein und ich konnte bisher echt jedem Werk eine positive Seite abgewinnen, wobei man Laymon vielleicht - auch wenn's schwer fällt :) - nicht nur auf Sex & Splatter reduzieren sollte. Mir ist neulich aufgefallen, dass seine zahmeren Werke gerne abgewatscht werden, obwohl Richie auch da durchaus ebenfalls reizvolle Seiten zeigt.

WOODS seh ich wie wie Du, fand das aber dank der erwähnten Rekonstruktionsgeschichte durchaus entschuldbar.

CELLAR seh ich ebenso wie Du, muss aber noch erwähnen, dass er das Dingens mit THE BEAST HOUSE und THE MIDNIGHT TOUR zu einer überaus reizvollen Trilogie ausgebaut hat, die nicht nur Laymons stilistische Weiterenwicklung dokumentiert, sondern auch in sich durchaus stimmig ist und...tja...einfach sauviel Spaß macht.

THE ISLAND ist natürlich eine absolute Bombe und "Das hat der jetzt nicht wirklich geschrieben, oder?" find ich trifft den Nagel bei vielen Laymon-Werken ganz gut auf den Kopf.

Weiterhin empfehlenswert:

- COME OUT TONIGHT: Laymon drückt dem Serienkiller-/Slashergenre seinen Stempel auf und befindet sich in inhaltlicher sowieso erzählerischer Hinsicht dankenswerterweise in absoluter Höchstform. Hier gibt's eine etwas lange, aber sehr schöne Rezi, die genau das beschreibt, was ich über diesen Roman auch denke.

- BLOOD GAMES: Laymons "Frauenroman" über fünf Mädels und ihre Erlebnisse in einem verlassenen Sporthotel. Eher zahm, dafür aber deutlich um Suspense bemüht, vor allem, und deswegen mochte ich ihn sehr, spielt BLOOD GAMES unheimlich mit dem Gefühl, dass man hatte, als man einst in Kinderjahren in dunklen Kellern stand.

- AFTER MIDNIGHT: Komplett irre Pulp-Story um eine Babysitterin...die, nun ja, eine harte Nacht durchlebt. Verfilmung könnt ich mir gut von Tarantino oder Miike vorstellen, komplett gaga halt, paßt.

- RESUSSERECTION DREAMS: Laymons Version von Frankenstein um einen gemobbten Schulsonderling, der seltsame Hobbys hat...fast schon komödiantisch.

- NIGHT IN THE LONESOME OCTOBER: Ein bisschen die Antwort auf das "Das ist doch keine Literatur!"-Nasegerüpfe seiner Kritiker: Kein Splatter, nur ein wenig Sex (was hier und da für lange Gesichter bzw. schlechte Rezis sorgt) - aber dennoch sehr schön, sehr atmosphärisch, interessante Figuren & gute Ideen.

Hach, ich merk gerade, ich mag sie einfach alle...
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Beitrag von Julio Sacchi » Fr 18. Mai 2012, 14:55

Schlechter schreiben als Laymon kann keiner, außer vielleicht Marc Gore (könnte mir immer noch gut vorstellen, daß das ein und dieselbe Person ist).

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Beitrag von diceman » Do 25. Apr 2013, 17:40

glory.jpg

Laymons Letzter ist, nun ja, ein Laymon wie er im Buche steht. Ein fahriger, häufig zielloser Sex&Gewalt-Trip, literarisch auf Groschenroman-Niveau, nie wirklich gut, trotzdem unwiderstehlich. Made me feel consensually raped. :? Hab's mir tatsächlich an einem Wochenende reingezogen.

Beginnt als Stalker-Thriller meets Roadmovie, der dann irgendwann die Kurve ins Hillbilly-Genre kriegt, aber wie so oft bei Laymon sind hier die Grenzen zwischen "den Guten" und "den Bösen" ziemlich ambivalent gehalten: nahezu alle Charaktere habe irgendwo eine sicke Ader, welche sie irgendwann zu moralisch verwerflichen Höchstleistungen antreibt. Leider verliert Laymon immer mal wieder den Fokus, so als ob er selbst keinen Plan hatte, wo er eigentlich hin will; handelt Spannungssequenzen in wenigen Worten ab, nur um kurz darauf auf fast 10 Seiten akribisch zu schildern wie der junge, psychisch labile (Anti-)Held zwei Lesben hinterherspannt, die sich gegenseitig in der 69er das Honigtöpfchen schlecken. Oder lässt eine Krankenschwester im Fetisch-Outfit auftreten, deren einzige Funktion es ist, einem Typen einen zu blasen, und dann ward sie nie wieder gesehn. Geschrieben in seinem unverwechselbaren, aber auch reichlich undifferenzierten matter-of-fact-Stil, ganz auf Handlung fixiert, der sich zwar wie Butter runterlesen lässt, aber eben auch haltlos seine Protagonisten mal nach rechts, mal nach links schubst; Motivationen werden vage angedeutet, aber selten greifbar.

Keine Angst, Thorsten. War nicht mein letzter Laymon. ;) Laymon ist wie eine schlecht verschnittene Droge, von der man weiß, daß sie nicht gut für einen ist, aber man kommt eben auch nicht weg davon. QUAKE is next in line.
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Beitrag von Thorsten Hanisch » Do 25. Apr 2013, 18:10

:D :D :D
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Beitrag von Mr. Vincent Vega » Do 25. Apr 2013, 18:17

Wer sowas liest, liest auch Focus. Und dann bald nix mehr.
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Beitrag von dejin » Do 25. Apr 2013, 22:43

wunderbare Review!
The awkward moment when you get in the van and the old man has no candy.

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