Hongkong-Interviewbuch (CineAsia)

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Stefan Borsos
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Hongkong-Interviewbuch (CineAsia)

Beitrag von Stefan Borsos » Mo 18. Feb 2013, 06:10

So, hier also nun das erste Posting zu meinem work-in-progress Interviewbuch-Projekt. Ich habe mich doch für einen eigenen Thread entschieden. Keine Ahnung, ob's ungefähr das ist, was Ihr Euch vorgestellt hattet. :oops: Für Fragen und Kritik bin ich natürlich jederzeit offen.

Entstanden ist die Idee zum Buch um 2001/02 herum, als in CineAsia nicht genug Platz war für die Menge und Länge der Interviews, die ich jedes Jahr in Hongkong führte. Also, warum nicht einfach ein kleines Buch draus machen? Zunächst sollten es noch 16 RegisseurInnen werden, doch zum einen gestaltete sich die Zusammenarbeit mit einigen schwieriger als mit anderen (to say the least), zum anderen führte das im Laufe der Jahre anwachsende Material irgendwann zu einem Platzproblem. Ich hoffe, die Auf-der-Strecke-Gebliebenen (z.B. Johnnie To, Fruit Chan, Jeff Lau, Mabel Cheung/Alex Law oder Pang Ho-cheung) irgendwann in einem Fortsetzungsprojekt unterbringen zu können. Zu Wort kommen nun aber erstmal:

Gordon Chan (Fight Back to School, The Final Option, A-1, Beast Cops)
Samson Chiu (Golden Chicken 1 & 2, News Attack, Lost Boys in Wonderland)
Dante Lam (The Beast Stalker, The Sniper, Jiang Hu-The Triad Zone)
Carol Lai (Glass Tears, The Floating Landscape, The Second Woman)
Daniel Lee (Black Mask, What Price Survival?, Three Kingdoms: Resurrection of the Dragon)
Lo Chi-leung (Double Tap, Inner Senses, Koma, The Bullet Vanishes)
Alan Mak (Infernal Affairs I-III, Overheard, A War Named Desire)
Michael Mak (Long Arm of the Law II-IV, Sex and Zen, Island of Greed)
Stephen Tung (Hitman, Extreme Challenge, Fox Hunter, Magic Cop)
Herman Yau (From the Queen to the Chief Executive, Taxi Hunter, Ebola Syndrome, Troublesome Night 1-6)

Lediglich Teile bei Daniel Lee, Stephen Tung und Alan Mak wurden 1999, 2000 resp. 2001 (in Burning Paradise resp. CineAsia) bereits veröffentlicht. Das restliche Material ist exklusiv, und auch bei Lee, Tung und Mak wurde das Ursprungsmaterial soweit durch weitere Interviews (vor Ort und per e-mail) ergänzt, dass die veröffentlichten Passagen nur noch einen Bruchteil ausmachen.

Meine Auswahl ist freilich völlig subjektiv. Ausschlaggebend war letzten Endes, was die Leute zu sagen und erzählen hatten. Die Interviews verstehen sich als Mischung aus oral history und Werkstattgespräch. Es wird der Versuch unternommen, sowohl rund dreißig Jahre Hongkong-Kino nachzuzeichnen, als auch zu verstehen, wie die HKer Filmindustrie funktioniert und natürlich wie die ganz individuelle Arbeitspraxis und -philosophie aussieht, die ich durch Setbesuche z.T. auch selbst nachvollziehen konnte. Von besonderem Interesse sind (problematische) Produktionsgeschichten (etwa BLACK MASK oder ISLAND OF GREED), Spezialthemen wie Actionchoreografie (bei Tung, Lee und Lam) und Kamera (bei Yau) sowie bislang wenig beachtete Aspekte (etwa Yaus Studenten- und Independent-Filme der 80er, Tungs TV-Arbeiten und Kungfu-Filme der 70er und frühen 80er (als Schauspieler) oder Lams Werbefilme); das Buch dokumentiert zudem auch etliche Projekte, die im Laufe der Jahre nicht verwirklicht wurden, ganz eklatant: Lo Chi-leungs Vampirfilm, der ein, zwei Tage vor Drehbeginn gestoppt wurde.

Jedes Regie-Interview wird ergänzt und bewusst kontrastiert durch weitere Interviews und Kommentare mit/von Drehbuchautoren, Kameraleuten, Komponisten, Ausstattern, Editoren, Produzenten, Produktionsleitern, u.a. Anthony Carpio, Joe Chan, Philip Chan, Teddy Chen, Tony Cheung, Felix Chong, Christopher Doyle, Fung Chih-chiang, Brother Hung, Peter Kam, Benz Kong, Stanley Kwan, Henry Lai, Tony Leung Siu-hung, Bill Lui, Jingle Ma, Joe Ma, Szeto Kam-yuen, Manfred Wong, John Woo, Yuen Kai-chi uvm. (plus Kurzbiografien der wichtigsten Mitarbeiter und Weggefährten der Regisseure) Besonders im Kontext der Produktionsgeschichten sollen verschiedene Versionen/Blickwinkel nebeneinander gestellt werden.

Eine (möglichst) komplette Filmografie (Kino, TV & Werbung) für jeden Regisseur soll es natürlich auch geben.

Abgerundet wird das Buch schließlich durch Filmstills, Poster Art, viele Arbeitsfotos (z.T. aus den persönlichen Archiven der Regisseure), Storyboards (u.a. zum Finale von INFERNAL AFFAIRS), inkl. Fotografien von Samson Chiu (der regelmäßig als Standfotograf und Reisejournalist/-fotograf arbeitet) und Bilder von Alan Mak in Theateraufführungen der Hong Kong Academy of Performing Arts. Und damit das Bildmaterial einigermaßen zur Geltung kommt, habe ich mich für ein Zwischenformat (zwischen DIN A4 und 5) entschieden, das sich an der schönen HKFA-Publikation zu Tsui Hark orientiert.

Daniel Lee hat sich netterweise bereit erklärt, die Titel-Kalligrafie für das Buch zu entwerfen.

Evtl. könnte es neben meinen einleitenden Worten zu jedem Regisseur noch Essays und Exkurse geben (wahrscheinlich von anderen Autoren). Da sich das Buch aber auch ohne diese Zusätze schon zwischen 400-500 Seiten bewegen wird, bin ich noch nicht sicher, ob das finanzierbar ist.

Soweit das Konzept. Seit Dezember habe ich nun wieder Arbeit und Recherche aufgenommen und hoffe, diese Phase bis Anfang April beendet zu haben. Tatsächlich konnte ich jetzt über andere Kanäle endlich einige Leute ausfindig machen, bei denen ich früher keine Chance hatte (meistens weil schon lange aus'm Geschäft). Weiter geht's dann im Sommer, wo es an allerletzte Updates mit den Regisseuren, die restliche Übersetzung, und an das Layout geht.

Zumindest sofern die Hongkies mitspielen: Obwohl alle Beteiligten über die Jahre hinweg eine Engelsgeduld bewiesen und sich immer wieder Zeit genommen haben, war/ist es nicht immer einfach, den Kontakt aus Deutschland zu halten bzw. wiederherzustellen, besonders wenn man längere Zeit nicht mehr in Hongkong war. Daniel Lee ist z.B. besonders schwierig in dieser Hinsicht. Wenn der an einem Drehbuch schreibt - momentan: MANCHURIAN EXPRESS, für den angeblich ein westlicher Actionstar verpflichtet werden soll -, isser einfach raus aus der Welt.

Ansonsten warte ich momentan noch auf die Beantwortung meiner Fragen u.a. an: Cheung Ka-fai, Abe Kwong, Angie Lam, Lau Ho-leung, Li Chi-tat, Guy Norris, Sin Kwok-lam, Wu Hsing-kuo, Tim Yip. Ebenfalls in Vorbereitung: Nick Cheung, Chin Ka-lok, Moshe Diamant, Paul Hunter, Francis Ng, Etchie Stroh und Anthony Wong.

Was Neues zu CineAsia gibt's in Kürze im entsprechenden Thread. Soweit. :D
Dante Lam.jpg
Dante Lam bei den Dreharbeiten zu THE VIRAL FACTOR, 2012
Tung Wai.jpg
Stephen Tung bei den Dreharbeiten zu A BATTLE OF WITS, 2006
Daniel Lee & Tony Jeung...-Star Runner.jpg
Daniel Lee bei den Dreharbeiten zu STAR RUNNER, 2003
Herman Yau, Puccini Yu, Ng Kin-man-Papa Loves You.jpg
Herman Yau bei den Dreharbeiten zu PAPA LOVES YOU, 2003

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Thorsten Hanisch
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Beitrag von Thorsten Hanisch » Mo 18. Feb 2013, 10:25

Supergeil! Danke!
»Wenn man der Klügste im Raum ist, ist man im falschen Raum« (K. Lauterbach)

https://diezukunft.de/users/thorsten-hanisch

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kami
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Beitrag von kami » Mo 18. Feb 2013, 14:06

Bei dem geplanten Umfang sollte ich vielleicht jetzt schon mal mit Sparen beginnen.

Stefan Borsos
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Beitrag von Stefan Borsos » Mo 18. Feb 2013, 15:21

Nun ja, das mit dem Preis ist noch einigermaßen offen. Ich habe zwar mal einige Kalkulationen durchgespielt, aber das ist schon was her. Grundsätzlich soll das Ding nicht zu viel kosten (so wie viele unverschämt teure wissenschaftliche Publikationen). Dennoch muss das Geld auch irgendwie wieder reinkommen. Ich kann zwar hier und da sparen (Mischdruckverfahren, teils selbst layouten etc.). Aber Qualität und Handling dürfen nicht darunter leiden. Das erwähnte Tsui-Hark-Buch, das hier ein wenig als Vorbild dient, ist z.B. soft und geklebt, hat aber auch nur rund 270 Seiten. Auch das ähnliche "The Cathay Story" liegt bei rund 400. Da muss man sehen, ob man nicht besser HC und Fadenbindung nimmt. Es soll ja nicht gleich auseinanderfallen. :mrgreen: Vielleicht werde ich tatsächlich mal Tim Lucas auf die Nerven gehen, das Bava-Buch wollte ich mir ohnehin endlich mal holen. :D

----- Mo 18. Feb 2013, 15:29 -----

PS: Das Foto von Herman Yau entstand übrigens während der Hochphase der SARS-Epidemie, wo die meisten Hongkies mit Maske durch die Gegend rannten. Ein irrer, aber auch sehr lustiger Jahrgang. Stephen Tungs erster ranting-Marathon (wobei ich davon wohl leider nicht alles veröffentlichen darf). Komischerweise waren so gut wie alle bereit, sich zum Interview zu treffen; nur jemand Gebrechliches wie He Menghua zog es vor zuhause zu bleiben. :D

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Sylvio Constabel
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Beitrag von Sylvio Constabel » Mo 18. Feb 2013, 16:29

Hört sich ganz prima an!
Bei Sylvio mag ich, er guckt halt auch viel mit dem Herzen. Jimfried Nullinie

Stefan Borsos
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Beitrag von Stefan Borsos » Mo 18. Feb 2013, 17:11

Danke!

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Chevinger
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Beitrag von Chevinger » Mi 20. Feb 2013, 15:01

MEGA!!! MERCI!!!
When you have to shoot, shoot, don't talk.

Munin
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Beitrag von Munin » Sa 23. Feb 2013, 12:50

Hört sich ja alles ganz toll an, meine Frage ist jetzt noch: Das Ganze kommt jetzt auf Deutsch oder Englisch?

Stefan Borsos
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Beitrag von Stefan Borsos » Sa 23. Feb 2013, 19:19

Errstmal erscheint eine Kleinstauflage auf Deutsch. Ob ich danach noch bei den englischsprachigen Verlagen hausieren gehe, weiß ich noch nicht.

Und um die Frage zu beantworten, warum nicht gleich zu 'nem (englischsprachigen) Verlag? Nun, zum einen geht es (zumindest in Deutschland) bei derartigen Projekten kaum noch mehr ohne Druckkostenzuschuss. Zum anderen habe ich bestimmte Layout/Design-Vorstellungen, die ich (for better or worse) auch so durchgesetzt haben möchte. Bild und Text sollen, so gut es geht, ineinandergreifen, einander kommentieren, ergänzen, kontrastieren. Daher erstmal eine kleine, aber (druck)kostendeckende Auflage, so wie ich mir das Buch vorstelle. Danach: mal sehen. Aber ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass was draus wird, zumal es nochmal ein ziemlicher Aufwand wäre.

Kl. Update: Es scheint, als ließe sich das Monstrum HKer Fernsehen vielleicht doch bezwingen. Habe fast die ganze Woche damit verbracht, die TV-Arbeiten von Daniel Lee, Stephen Tung und Michael Mak zu recherchieren. Und, siehe da, ich bin schon erheblich weiter als ich es beim letzten Versuch war - Facebook und (begrenzter) chinesischer Sprachkenntnisse sei Dank. Sogar Stills wird es geben (wenn auch nur gegen Kohle :x ). Ich konnte vor einigen Jahren zwar etliches Material zu Wai Ka-fai und Johnnie To zusammenkratzen, aber zum einen erschöpfte sich meine "Recherche" damals hauptsächlich im wahllosen Kaufen von neu erschienenen VCD-Boxen von TV-Serien (im englischsprachigen Netz gab's nur äußerst spärliche Infos), zum anderen musste ich die Interviews aufgrund mangelnder Zusammenarbeit ohnehin erstmal schieben. Ich hoffe, da geht in naher Zukunft wieder was!

Evtl. wird es auch einen kleinen Text zu Tsui Harks Wong-Fei-hung-Serie geben (scheinbar kein TV, sondern Direct-to-video), zu der Daniel Lee und Michael Mak je einen Beitrag inszeniert haben. Interessant ist der Zusammenhang vor allem deshalb, weil Daniel Lee wohl den Großteil des Gesamtbudgets schon für seine, erste Folge verbraten hat und dann Mak, Tsui Hark selbst und die drei TV-Regisseure das Kind aus dem Brunnen holen mussten.:-)

Schließlich noch die Antworten von F/X-Künstler Jensen Ho und Ausstatter Tim Yip reinbekommen. Yip über Stephen Tung: "He is not the patient type and can be impulsive [...]". :mrgreen:

Stay tuned.

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Sylvio Constabel
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Beitrag von Sylvio Constabel » So 24. Feb 2013, 04:22

Super. Ich will mein Exemplar signiert haben.
Bei Sylvio mag ich, er guckt halt auch viel mit dem Herzen. Jimfried Nullinie

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