[Essay] - Thread

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Nudelapache
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[Essay] - Thread

Beitrag von Nudelapache » Mo 7. Jan 2013, 13:15

Hallo Freunde des gepflegten guten Filmgeschmackes - ich dachte es wäre mal ganz interessant einen Essay-Thread zu eröffnen, wo man einfach über den Tellerrand schaut, multimediale Dinge und die eigene Meinung teilt und basierend darauf entsprechend auf eine rationalen Ebene diskutiert.

Ich mache mal dreist den Anfang und würde mich auf euer konstruktives Feedback freuen :)

[Essay] - Immer diese bösen Killerspiele!

Stigmatisierung. (Vor)verurteilung. Schuldzuweisung. Drei Wörter, die recht schnell, einfach und direkt anzuwenden sind. Drei Wörter, die medial oftmals gerne der Gamingindustrie in Zusammenhang mit diversen Bluttaten von oftmals jüngeren Personen und dem hässlichen Wort "Killerspiele" auf die Stirn gedrückt werden.

Gerade aus halbwegs aktuellem Anlass sollte man sich dieser Thematik selektiert, differenziert und rational annehmen und gewissen Dingen auf den Grund gehen, um die Höhle der Unwissenheit mit etwas Licht auszustrahlen. Videospiele haben de facto mittlerweile einen festen Platz in der Wirtschaftslandschaft eingenommen und stellen einen extrem umsatz- und wachstumsstarken Sektor dar! So wurden 2011 in Deutschland beispielsweise knapp zwei Milliarden EUR mit Videospielen umgesetzt. Weltweit prognostizieren Experten bis zum Jahre 2014 einen Umsatz von 30,5 Milliarden USD¹. Gaming ist nicht nur aus diesem Aspekt in der Gesellschaft angekommen - sollte man meinen!

Leider hat man besonders als Gamer nach wie vor viel zu oft das Gefühl, dass die Auswirkungen von Videospielen medial nahezu mittelalterlich und viel zu kurzsichtig behandelt werden. Der Umgang ist viel zu suggestiv als das man objektiv, sachlich und differenziert darüber sprechen könnte. Zudem ist die Akzeptanz leider nach wie vor noch nicht da, was sehr kontroverse und meist absolut überflüssige Diskussionen zur Folge hat. Gamer müssen sich für etwas rechtfertigen, für das sie gar nicht Schuld sind.

Liebend gerne stürzen sich Medien Hals über Kopf oder beinahe ausschließlich auf das Thema Gewalt in Videospielen. Heutzutage muss alles brutaler und blutiger sein. Die Gore-Schraube muss für Verkäufe mehr und mehr angezogen werden. Aber ist das auch so? Ist es wirklich so, dass der Gewaltgrad ein wichtiger Verkaufsfaktor ist? Bei wenigen, (post)pubertären Jugendlichen ist das vielleicht so. Aber bei der Mehrheit, die alt genug ist, sich mit dem Inhalt von Videospielen differenziert auseinander zusetzten, ist dem sicherlich nicht so. Zumal es oftmals unterschiedliche Formen von Gewalt gibt. Übertriebene Gewalt wie in God of War, die einfach die Rauhigkeit und Brutalität der griechischen Mythologie darstellen soll. Nur wer brutal und kaltblütig war konnte herrschen.

Dann gibt es Gewalt, die ein Gameplay-Element an sich ist wie in The Darkness und The Darkness II. Quasi ein bewusst eingesetztes stilistisches Mittel der Entwickler. Aber hat dieser Faktor Gewalt eine direkte Auswirkung auf Jugendliche/Erwachsene? Vielleicht noch in Kombination mit höchst-verderblicher, satanistisch-angehauchter Metal Musik? Völliger Unfug. Schwachsinn. Non-Sense. Kokolores.

In den Augen des größten Teiles der Medienlandschaft ist das jedoch so. Nur warum ist das so? Auch wenn sich Gamer vor Pauschal-Urteilen hüten sollten da gerade wir doch selbst oftmals einen Stempel auf die Stirn gedrückt bekommen, ist es nun an der Zeit für ein solches. Daher stelle ich provokativ in den Raum: Die meisten medialen Instanzen können in der Regel gar nicht korrekt urteilen, weil ihnen das Hintergrundwissen fehlt. Schlicht und einfach! Die wenigsten Journalisten außerhalb des Gaming-Universums nehmen sich die Zeit und gehen bewusst an das Medium ran. Hinter die Fassade. Unter die Oberfläche. Hinein zu den ganzen kleinen Zahnräder, die den gigantischen und faszinierenden Komplex Videospiele aufrecht und am Laufen halten.

Das Resultat sind meist grauenhaft „investigativ“ recherchierte Artikel, die die Gewalt in Videospielen stigmatisieren und diese direkt auf den Rezipienten übertragen, die dann angeblich nicht mehr zwischen virtueller und reeller Gewalt differenzieren können. Ein gefährliches Pauschalurteil, schließlich sind Persönlichkeitsstrukturen sowie das soziale Umfeld nie gleich und beeinflussen den Rezipienten immer unterschiedlich. Ganze Faktoren-Bündel gehen im Rahmen des monokausalen Umgangs mit diesem Thema verloren, bzw. werden oftmals nie gefunden!

Aber hat der exzessive Konsum von Videospielen mit gewalttätigen Inhalten direkte Auswirkungen auf eigene Aggressions- und Gewaltpotential? Eine wissenschaftlich wohl unmöglich mit JA zu beantwortende Frage, da das Potential einfach nicht quantifizierbar ist.

Blicken wir kurz über den großen Teich. Dort ist es so normal eine Waffe zu besitzen wie für uns ein Smartphone. Wobei angemerkt sei, dass zu besitzen auch zu benutzen impliziert. Waffenlobbyisten mischen groß in der Politik mit, dazu kommt eine sehr lasche Gesetzeslage bezüglich der Regulierung von Schusswaffen. Damit einher gehen viele Rednecks und Waffenfanatiker, die den Finger augenscheinlich permanent am Abzug haben. Wer ist auch dort Schuld bei Amokläufen und anderen Bluttaten? Die Gamingindustrie – ist doch offensichtlich, wenn es nach dem Vize Präsident der NRA (National Rifle Association) Wayne LaPierre geht². Der Mensch, der wohlgemerkt nach dem folgenden Motto lebt: „Das Einzige, was einen Bösen mit einem Gewehr stoppen kann, ist ein Guter mit einem Gewehr!“

Dieses extrem kurzsichtige Gedankengut ist extrem schade, da das grandiose Medium Videospiel so medial im oftmals völlig falschen Licht auf dem Präsentierteller der lokalen und überregionalen Titelseiten dargestellt wird. Vielleicht sollte man Politikern, Polemikern, Kritikern und vor allem den Medien eine Sehhilfe in Form von Möglichkeiten bieten, sich genauer mit dem Medium auseinander zusetzten, wie es bereits die ESL (Electronic Sports League) im Rahmen der Bundestags-LAN getan hat³.

Nur wenn kaum ein Politiker wirkliches Interesse an dieser Sehhilfe zeigt, dann bleiben Kritiker halt blind. Im Gegensatz zum Optiker kann sich die Gaming-Industrie jedoch nicht über mangelnder Kundschaft beklagen. Schade für alle bereitgestellten Brillen, die einen monokausalen Umgang mit diesem Thema verhindern und die Faszination und Vielschichtigkeit von Videospielen verdeutlichen würden.

-Peter Schneidermann mit einem kleinen Auszug zum Thema „Killerspiele“

¹ (Prognostizierte) Umsatzzahlen der Videospiel-Branche
http://de.statista.com/statistik/daten/ ... s-branche/

² Besagte Meldung der Waffenlobby
http://www.heise.de/newsticker/meldung/ ... 74174.html

³ Interessante Hintergrundinformation bzgl. Bundestags-LAN
http://www.heise.de/ct/artikel/Bundesta ... 97633.html

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