Dominik Graf
- Mr. Vincent Vega
- Beiträge: 5587
- Registriert: Do 17. Mai 2012, 19:46
Dominik Graf
Ich konnte lange Zeit nichts mit Dominik Graf anfangen und war auch mitunter genervt von der kollektiven Verehrung für ihn unter deutschen Cinephilen. Dann sah ich seine Filme ( ) und es war um mich geschehen. Absolute Meisterwerke: "Cassandras Warnung" und "Lawinen der Erinnerung". Schwächen konnte ich nur im Frühwerk ausmachen (sein erster Kinofilm, "Das zweite Gesicht", ist unbeholfen und lahm, "Treffer" etwas zu albern und vom Sujet her auch nicht meins), sonst gefiel mir bislang alles gut bis überragend. Kluge Texte über ihn und vor allem von ihm gibt es zuhauf, kann ja jeder selbst recherchieren.
Den besten Text der jüngeren Vergangenheit über sein Kino kann man bei MUBI lesen, nachdem Graf seit einer umfangreichen und von der Ferroni Brigade initiierten Rertrospektive in Rotterdam nun auch erstmals international Anerkennung findet - für ein aufregendes Oeuvre, dessen Einträge so genuin wie unverwechselbar sind, statt sich bloß an der Gebrauchästhetik jeweils gegenwärtiger (US-)Modefilmtrends anzubiedern oder ein Kino deutsch nachzustellen, das möglichst auf internationale Wiedererkennungswerte und massenkompatible Genreunterhaltung ausgerichtet ist. In Deutschland gibt es m.E. keinen Filmemacher, der Polizei-, Kriminal-, Horror-, Action- und Essayfilme, Thriller und Melodramen dreht, die so gekonnt mit regionalen Eigenheiten jonglieren, deutlich erkennbar mit einem politischen Zeitgeist verzahnt sind und sich so ungehemmten Verrücktheiten hingeben, wie sie sich sonst niemand mehr zu inszenieren traut. Aus der stets engen Zusammenarbeit mit hochklassigen Autoren bildet sich so ein organisches Gewebe an Filmen, das hierzulande einzigartig ist. Dafür wird der Mann zu Recht ohne Einschränkungen verehrt.
Den besten Text der jüngeren Vergangenheit über sein Kino kann man bei MUBI lesen, nachdem Graf seit einer umfangreichen und von der Ferroni Brigade initiierten Rertrospektive in Rotterdam nun auch erstmals international Anerkennung findet - für ein aufregendes Oeuvre, dessen Einträge so genuin wie unverwechselbar sind, statt sich bloß an der Gebrauchästhetik jeweils gegenwärtiger (US-)Modefilmtrends anzubiedern oder ein Kino deutsch nachzustellen, das möglichst auf internationale Wiedererkennungswerte und massenkompatible Genreunterhaltung ausgerichtet ist. In Deutschland gibt es m.E. keinen Filmemacher, der Polizei-, Kriminal-, Horror-, Action- und Essayfilme, Thriller und Melodramen dreht, die so gekonnt mit regionalen Eigenheiten jonglieren, deutlich erkennbar mit einem politischen Zeitgeist verzahnt sind und sich so ungehemmten Verrücktheiten hingeben, wie sie sich sonst niemand mehr zu inszenieren traut. Aus der stets engen Zusammenarbeit mit hochklassigen Autoren bildet sich so ein organisches Gewebe an Filmen, das hierzulande einzigartig ist. Dafür wird der Mann zu Recht ohne Einschränkungen verehrt.
»Hey, ich kenn das, man hat nen knallvollen Terminplan und es ist 23 Uhr nachts und sonst hat niemand mehr offen und und und...« (Thorsten H.)
- SvenT
- Beiträge: 7665
- Registriert: Sa 12. Mai 2012, 02:09
Bombentyp. Punkt.
Beschäftigt sich aber auch haargenau mit den Dingen, die mich umtreiben. Und Graf hat auch noch diese ganzen Gefühle, die es früher im Kino und im Fernsehen noch gab. Lebensgier, Lebensfreude, das ausbrechen wollen aus allen Zwängen, Melancholie, Traurigkeit. Schnaps drüber, nutzt ja nüscht. All das ist Geschichte, das fühlt heute ja kaum einer mehr, der Filme dreht. … Abgesehen davon ist das Graf-Kino, auch wenn es im TV stattfindet, oft hochpolitisch.
Außerdem habe ich einen ähnlichen Filmgeschmack wie Graf, deshalb erwischen mich seine Filme natürlich auch auf einer sinnlichen Ebene. Da ist eben viel Roeg, viel italienischer Politthriller, etc.
Thematisch ist bei Graf ein größerer Bogen als manche denken. Und da wird er dann auch unterschätzt. "Das Gelübde" fanden ja wieder alle Scheiße, weil Graf da eben die Triebfedern der Romantik und der Religion erforscht. Das kapieren die Leute nicht, weil sie eben geschichtslos sind. Dabei ist das einer der aufregendsten Fernsehfilme der letzten 25 Jahre gewesen. Jetzt dreht Graf einen Kinofilm über Schiller, und ich wette, dieselben Klugscheißer, die seine Polizeifilme abfeiern, werden den niederschreiben weil sie im Grunde Graf doch nur als Genre-Regisseur haben wollen. Hoffe, ich irre mich.
Als Autor ist Graf immer lesenswert. Texte, von denen man immer lernen kann. Und sprachlich sind sie in einem wundervollen Deutsch verfasst.
Beschäftigt sich aber auch haargenau mit den Dingen, die mich umtreiben. Und Graf hat auch noch diese ganzen Gefühle, die es früher im Kino und im Fernsehen noch gab. Lebensgier, Lebensfreude, das ausbrechen wollen aus allen Zwängen, Melancholie, Traurigkeit. Schnaps drüber, nutzt ja nüscht. All das ist Geschichte, das fühlt heute ja kaum einer mehr, der Filme dreht. … Abgesehen davon ist das Graf-Kino, auch wenn es im TV stattfindet, oft hochpolitisch.
Außerdem habe ich einen ähnlichen Filmgeschmack wie Graf, deshalb erwischen mich seine Filme natürlich auch auf einer sinnlichen Ebene. Da ist eben viel Roeg, viel italienischer Politthriller, etc.
Thematisch ist bei Graf ein größerer Bogen als manche denken. Und da wird er dann auch unterschätzt. "Das Gelübde" fanden ja wieder alle Scheiße, weil Graf da eben die Triebfedern der Romantik und der Religion erforscht. Das kapieren die Leute nicht, weil sie eben geschichtslos sind. Dabei ist das einer der aufregendsten Fernsehfilme der letzten 25 Jahre gewesen. Jetzt dreht Graf einen Kinofilm über Schiller, und ich wette, dieselben Klugscheißer, die seine Polizeifilme abfeiern, werden den niederschreiben weil sie im Grunde Graf doch nur als Genre-Regisseur haben wollen. Hoffe, ich irre mich.
Als Autor ist Graf immer lesenswert. Texte, von denen man immer lernen kann. Und sprachlich sind sie in einem wundervollen Deutsch verfasst.
- Frau Stockl
- Beiträge: 12559
- Registriert: Di 25. Sep 2012, 09:44
- Wohnort: Burg Stargard
Kenne auch nur DIE KATZE, DIE SIEGER, und DER ROTE KAKADU.
Also die Kinoarbeiten.
Allerdings ist das jeweils zu lange her, um genauer was sagen zu können.
Von DIE SEGER find ich das Remake besser.
Ansonsten hab ich, ich fürchte ja, eher Huettner geschaut.
Also die Kinoarbeiten.
Allerdings ist das jeweils zu lange her, um genauer was sagen zu können.
Von DIE SEGER find ich das Remake besser.
Ansonsten hab ich, ich fürchte ja, eher Huettner geschaut.
~ Hoffnung ist die kleine Schwester der Verzweiflung.
- Thorsten Hanisch
- Moderator
- Beiträge: 26978
- Registriert: Mo 7. Mai 2012, 20:18
- Kontaktdaten:
Kenne lediglich DIE KATZE und IM ANGESICHT DES VERBRECHENS.
Hat mir wenig bis gar nicht zugesagt, weil imo genau das: "Kino deutsch nachzustellen, das möglichst auf internationale Wiedererkennungswerte und massenkompatible Genreunterhaltung ausgerichtet ist" hier der Fall ist.
Soll jetzt aber natürlich keine generelle Wertung sein.
Hat mir wenig bis gar nicht zugesagt, weil imo genau das: "Kino deutsch nachzustellen, das möglichst auf internationale Wiedererkennungswerte und massenkompatible Genreunterhaltung ausgerichtet ist" hier der Fall ist.
Soll jetzt aber natürlich keine generelle Wertung sein.
»Wenn man der Klügste im Raum ist, ist man im falschen Raum« (K. Lauterbach)
https://diezukunft.de/users/thorsten-hanisch
https://diezukunft.de/users/thorsten-hanisch
- Mr. Vincent Vega
- Beiträge: 5587
- Registriert: Do 17. Mai 2012, 19:46
Das den "alle scheiße finden" kann ich nicht sekundieren, die Graf-Fans mochten den doch? Ich fand ihn gut, vor allem weil er die, wie Du schreibst, "Triebfedern der Romantik und der Religion" auf eine gleichermaßen sinnliche wie sehr informelle Art inszenierte. Dennoch, kleine Einschränkung, blieb mir manches doch zu verbal, auch fand ich den Film teils zu klinisch.SvenT hat geschrieben:Thematisch ist bei Graf ein größerer Bogen als manche denken. Und da wird er dann auch unterschätzt. "Das Gelübde" fanden ja wieder alle Scheiße, weil Graf da eben die Triebfedern der Romantik und der Religion erforscht. Das kapieren die Leute nicht, weil sie eben geschichtslos sind.
Wie gesagt, dieses Lagerdenken wäre mir eher neu, aber auf den Schiller-Film freue ich mich schon sehr (zumal es Grafs erster Kinofilm seit sieben Jahren ist). Ich hoffe nur, dass er nicht unter diversen "offiziellen Schranken" (Filmförderungsästhetik, Bildungsauftrag etc.) leiden oder anderweitig kompromittiert sein wird. Siehe das "X-Filme-hafte" beim roten Kakadu, dem einen Film, den ja nahezu alle Graf-Fans nicht mögen.SvenT hat geschrieben:Jetzt dreht Graf einen Kinofilm über Schiller, und ich wette, dieselben Klugscheißer, die seine Polizeifilme abfeiern, werden den niederschreiben weil sie im Grunde Graf doch nur als Genre-Regisseur haben wollen. Hoffe, ich irre mich.
»Hey, ich kenn das, man hat nen knallvollen Terminplan und es ist 23 Uhr nachts und sonst hat niemand mehr offen und und und...« (Thorsten H.)
- SvenT
- Beiträge: 7665
- Registriert: Sa 12. Mai 2012, 02:09
Ich mag den Kakadu. Weil ich die Leute in dem Film nachfühlen kann. Lieblingsszene: Das Schlagloch. Sowas kenne ich!
Dieses Lagerdenken, wie Du das nennst, bekomme ich leider öfter mit. Wenn Du das noch nicht bemerkt hast, ist das ja nur gut! Ich habe in den letzten Jahre immer wieder die Erfahrung gemacht, dass Grafs kreativen Arbeiten neben den Copfilmen und den Familiendramen ignoriert oder gar gehasst werden. Leider. Gerade die mangelnde Wertschätzung von "Das Gelübde" nagte wohl auch sehr an Graf. Wenn sich wenigstens drüber aufgeregt worden wäre …
Achja, der Audiokommentar zum Gelübde von Michael Althen und Graf ist toll.
Was mich bei Graf aber immer etwas anätzt ist das Title Design. Buuuhh! Das ist echt immer ganz hart an der Grenze …
Dieses Lagerdenken, wie Du das nennst, bekomme ich leider öfter mit. Wenn Du das noch nicht bemerkt hast, ist das ja nur gut! Ich habe in den letzten Jahre immer wieder die Erfahrung gemacht, dass Grafs kreativen Arbeiten neben den Copfilmen und den Familiendramen ignoriert oder gar gehasst werden. Leider. Gerade die mangelnde Wertschätzung von "Das Gelübde" nagte wohl auch sehr an Graf. Wenn sich wenigstens drüber aufgeregt worden wäre …
Achja, der Audiokommentar zum Gelübde von Michael Althen und Graf ist toll.
Was mich bei Graf aber immer etwas anätzt ist das Title Design. Buuuhh! Das ist echt immer ganz hart an der Grenze …
- Mr. Vincent Vega
- Beiträge: 5587
- Registriert: Do 17. Mai 2012, 19:46
...ganz besonders bei Das Gelübde. Diese Schriftart!
Die Titel waren da wirklich schlimm, schlimmer geht es fast nicht mehr. Ist aber das einzige, was ich grundsätzlich an seinen Filmen auszusetzen hätte. Die Titel bei Das zweite Gesicht sind hingegen hervorragend, aber das war auch ein Kinofilm.
Die Titel waren da wirklich schlimm, schlimmer geht es fast nicht mehr. Ist aber das einzige, was ich grundsätzlich an seinen Filmen auszusetzen hätte. Die Titel bei Das zweite Gesicht sind hingegen hervorragend, aber das war auch ein Kinofilm.
»Hey, ich kenn das, man hat nen knallvollen Terminplan und es ist 23 Uhr nachts und sonst hat niemand mehr offen und und und...« (Thorsten H.)
- Grisbane
- Beiträge: 2783
- Registriert: Mo 16. Jul 2012, 19:17
- Mr. Vincent Vega
- Beiträge: 5587
- Registriert: Do 17. Mai 2012, 19:46
- SvenT
- Beiträge: 7665
- Registriert: Sa 12. Mai 2012, 02:09
"Die Sieger" wiedergesehen. Hatte Lust darauf bekommen, weil im München-Tatort am Sonntag so eine eindeutige Hommage drin war.
Gut, wenn man gelesen hat, was der Film eigentlich alles erzählen sollte und von all Chaos um die Produktion gehört hat, dann versteht man warum der Film nur als gescheitert angesehen werden kann.
Aber seltsam, diese ganze Inszenierung ohne Ruhepunkt die aus diesem Produktionsirrsinn heraus resultiert wirkt heute schon fast state of the art.
Auch sonst wird der Film mit dem Alter (rund 20 Jahre) immer besser. "Die Sieger" ist so etwas wie der finale Paranoia-Thriller der alten Bundesrepublik (ungefähr so hat es mal wer geschrieben). Wenn Graf hier verloren hat, dann auf eine Weise, die auf jeden Fall irrsinnig erhaben ist. "Die Sieger" sind stolze Verlierer.
Gut, wenn man gelesen hat, was der Film eigentlich alles erzählen sollte und von all Chaos um die Produktion gehört hat, dann versteht man warum der Film nur als gescheitert angesehen werden kann.
Aber seltsam, diese ganze Inszenierung ohne Ruhepunkt die aus diesem Produktionsirrsinn heraus resultiert wirkt heute schon fast state of the art.
Auch sonst wird der Film mit dem Alter (rund 20 Jahre) immer besser. "Die Sieger" ist so etwas wie der finale Paranoia-Thriller der alten Bundesrepublik (ungefähr so hat es mal wer geschrieben). Wenn Graf hier verloren hat, dann auf eine Weise, die auf jeden Fall irrsinnig erhaben ist. "Die Sieger" sind stolze Verlierer.