R.I.P. US-Mainstreamkino

Auf der Suche nach der besten Literaturverfilmung oder dem männlichsten Schauspieler?
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Thorsten Hanisch
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Beitrag von Thorsten Hanisch » Di 31. Mai 2016, 20:12

Das die Kommerz-Kritik alt ist, weiß ich, Kunst vs. schnöder Mammon war ja schon immer Thema, es geht in diesem Fall (jammern tun übrigens nicht nur Soderbergh, sondern aktuell auch z.B. Almodóvar) aber nicht so sehr darum, dass mit Kunst Geld verdient werden soll, sondern, dass gerade wegen dieser Kostenexplosion der Kommerz-Faktor nunmal eben weitaus ausgeprägter ist, als damals bzw. mittlerweile praktisch alles andere erstickt.

Irgendein Hollywood-Mensch (leider vergessen wer :( ) meinte auch, dass die Studios nur noch Interesse an großen Megafilmen haben, weil man damit, wenn's denn einschlägt ( :) ), auf einen Schlag so richtig Asche verdienen kann.

Also, für mich zumindestens, klingt das alles schon plausibel, das Kommerz-Gejammer ist definitiv ein anderes als früher.... :)
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Beitrag von Nahaufnahme » Di 31. Mai 2016, 22:12

Die Kostenexplosionen haben vielleicht auch damit etwas zu tun, dass mit Russland und China zwei große Märkte für das US-Kino dazu gekommen sind, die das leichtsinnige Geld ausgeben irgendwie akzeptabler machten, wenn selbst frühere Flops letztlich doch ihre Herstellungskosten irgendwann einspielten, ist der Irrsinn der Kostensteigerungen vielleicht begründbar? Im Prinzip ist es eine Ware, die man auch fünfzig Jahre später (Cleopatra) noch irgendwie verkaufen kann, spätestens beim nächsten neuen Datenträger sogar zu ordentlichen Preisen, das ist nur mit wenigen Waren möglich. Von daher sehe ich kein Ende des Kreislaufs, vielfach publizierte Extrembeispiele wie Heaven's Gate und neulich John Carter haben zu keiner Zeit für eine Bremse der Entwicklung gesorgt. Dass der Kommerzfaktor "weitaus ausgeprägter" sein soll als zu Zeiten der Valentinos und Garbos glaube ich auch nicht. Es fällt Dir erst jetzt auf. :mrgreen:

Was soll denn durch die Filme der letzten zehn Jahre verdrängt worden sein? Das Hollywood-Kino hat doch bereits in den Tagen des Stummfilms mit ihrer Verleihpolitik die europäische Konkurrenz in den großen Kinoketten langsam aber sicher verdrängt - u.a. mit Stars wie Chaplin, der heute nur noch in Arthouse Kinos zu sehen ist...

Du konsumierst Filme nicht wie der Durchschnittskinogänger. 2014 ging der Durchschnittskinogänger 1,51 mal ins Kino - diese wenig imposante Zahl kommt auch nur dadurch zustande, dass wenigstens 5,8 Millionen Menschen in Deutschland mindestens einmal im Monat ins Kino gehen. Die Finanzanalysten hinter den Produzenten haben nur diese Menschen als Zuschauer im Blick. Die Produzenten anderer Waren, Autos oder Literatur, machen es nicht anders (tja, meine Schlussfolgerungen sind auch immer gleich :cry: ) und wäre ich Buchhändler würde ich ähnlich klagen wie Kinobetreiber und als Schriftsteller würde ich bei der Bestsellerliste rauf und runter das Kotzen kriegen, da wird auch kaum noch Kreativität entdeckt oder gefördert, sondern stattdessen die Nichtigkeiten von bereits aus anderen Medien bekannter Promis oder leicht vermarktbarer hipper Mädels veröffentlicht, wo es inzwischen wie in der Musik egal ist, ob die selbst oder die verpickelte Nachbarin von nebenan hinter dem Produkt stehen - es werden sich immer Blogger und verliebte SPON-Jungredakteure finden, die uns das professionell wie Marvel und Coca Cola verkaufen werden.

Berechtigter Aufschrei Deinerseits, aber keine Lösung in Sicht, außer einem Versprechen: es wird nicht schlimmer, es war schon immer schlimm und man gewöhnt sich dran, außerdem muss man nicht alles gesehen haben, Trailer sind vielleicht auch dazu da, um uns abzuschrecken, wir sollten die Warnung ernst nehmen... :idea:

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Beitrag von Thorsten Hanisch » Di 31. Mai 2016, 23:00

Nahaufnahme hat geschrieben:Dass der Kommerzfaktor "weitaus ausgeprägter" sein soll als zu Zeiten der Valentinos und Garbos glaube ich auch nicht. Es fällt Dir erst jetzt auf. :mrgreen:
:D Möglich...
Nahaufnahme hat geschrieben:Was soll denn durch die Filme der letzten zehn Jahre verdrängt worden sein? Das Hollywood-Kino hat doch bereits in den Tagen des Stummfilms mit ihrer Verleihpolitik die europäische Konkurrenz in den großen Kinoketten langsam aber sicher verdrängt

Okay, okay, mit der Stummfilm-Zeit hab ich mich nicht beschäftigt (liegt mir auch ehrlich gesagt nicht so :) ) ABER: Es ist doch wohl unbestritten, dass wir hierzulande mal eine Zeit hatten (die gar nichtmal so lang her war), in der man im Kino zwischen "Die Ehe der Maria Braun", "Star Wars" und "Ein Zombie Hing am Glockenseil" wählen konnte - heute dagegen, hab gerade mal das Programm von unserem Multiplex gecheckt, läuft zu 85% US-Big-Budget-Zeugs. Ich bin mir, zumindestens, was diesen Punkt angeht, nicht so ganz sicher, ob's tatsächlich "schon immer schlimm war".
Nahaufnahme hat geschrieben:und man gewöhnt sich dran
Na ja, ich glaub eher, dass ich mich gerade tierisch entwöhne, aber abgesehen davon: Ist doch eigentlich schlimm, wenn man das tut, nein?
Nahaufnahme hat geschrieben:außerdem muss man nicht alles gesehen haben, Trailer sind vielleicht auch dazu da, um uns abzuschrecken, wir sollten die Warnung ernst nehmen... :idea:
Das stimmt natürlich. X-MEN hätte ich mir unter normalen Umständen auch nie angesehen. Wäre aber trotzdem schön, wenn wieder mehr laufen würde, was man gesehen haben muss :) ....ich geh halt furchtbar gerne ins Kino...*heul*...*jammer*
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Beitrag von SvenT » Mi 1. Jun 2016, 00:27

Thorsten Hanisch hat geschrieben:ABER: Es ist doch wohl unbestritten, dass wir hierzulande mal eine Zeit hatten (die gar nichtmal so lang her war), in der man im Kino zwischen "Die Ehe der Maria Braun", "Star Wars" und "Ein Zombie Hing am Glockenseil" wählen konnte - heute dagegen, hab gerade mal das Programm von unserem Multiplex gecheckt, läuft zu 85% US-Big-Budget-Zeugs. Ich bin mir, zumindestens, was diesen Punkt angeht, nicht so ganz sicher, ob's tatsächlich "schon immer schlimm war"
Man kann es ja zeitlich schon eingrenzen. Seit "Star Wars" und "Jaws" gibt es das Blockbuster-Zeitalter, dessen Entwicklung von Jahr zu Jahr dank neuer Märkte (Asien!) immer drastischer wird.
Davor gab es knapp zehn coole Jahre. Grob von 1967 bis 1977.
Davor war es aber auch fies. "Papas Kino", Zensur ohne Ende, sinnentstellende Synchros ohne Ende, Heintje, kotz, brech, würg.
In den Zwanzigern war es noch mal ein paar Jahre ganz gut. Zumindest relativ.
Sonst war es fast immer nicht so doll. Je mehr man drüber nachdenkt, desto scheisser wird es.
Aber natürlich gibt es trotzdem in jedem Jahr gute Filme, auch aus dem Mainstream. Wobei es ja nicht das Problem ist, die zu sehen - das ist es ja eher bei den kleineren Filmen.
Und ja, auch ich gehe immer seltener ins Kino.

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Beitrag von Nahaufnahme » Mi 1. Jun 2016, 01:07

Thorsten Hanisch hat geschrieben:Es ist doch wohl unbestritten, dass wir hierzulande mal eine Zeit hatten (die gar nichtmal so lang her war), in der man im Kino zwischen "Die Ehe der Maria Braun", "Star Wars" und "Ein Zombie Hing am Glockenseil" wählen konnte - heute dagegen, hab gerade mal das Programm von unserem Multiplex gecheckt, läuft zu 85% US-Big-Budget-Zeugs. Ich bin mir, zumindestens, was diesen Punkt angeht, nicht so ganz sicher, ob's tatsächlich "schon immer schlimm war".
Tatsächlich liefen in den späten 70er Jahren geschätzte ein Drittel, wenn nicht bloß ein Viertel, der Menge von Heute an Filmen im Kino. Das Kinosterben hatte schon in den 60er Jahren eingesetzt, in den 70ern blieb nicht viel übrig (warum es auch an den Filmen lag -> @SvenT). Die Schachtelkinos entwickelten sich ab Ende der 70er Jahre erst langsam, hatten ihre Boomzeit in den 80er Jahren (die Anzahl der Filme erhöhte sich auch wieder, weil Hollywood mehr produzierte, übrigens auch dank der so genannten Blockbuster, die den Trend zu höheren Budgets erst richtig losgetreten haben).

Neben ein paar neuen Filmen hatte man in den 70ern allerdings in Programmkinos noch die Möglichkeit jeden Tag einen anderen sehenswerten Klassiker zu sehen. Die wenigen großen Kinos hatten eine Menge Wiederaufführungen im Programm, Bud Spencer und Terence Hill, Bruce Lee oder die Bond-Filme liefen in Endlosschleife, nichts davon kam zu der Zeit im Fernsehen, auch das ging erst in den 80er Jahren los, nachdem Leo Kirch einen Deal für ARD/ZDF abschloss, der es sogar auf den Spiegel-Titel schaffte, d.h. Kinofilme im Fernsehen waren ziemlich altdeutsch, ein paar europäische Perlen, ansonsten Hollywood nur bis in die 50er Jahre, aber nicht Gone with the Wind, Ben Hur usw., die liefen nämlich manchmal als WA in den wenigen, großen Kinos... Miss Marple und Edgar Wallace waren die Highlights! "Ein Zombie Hing am Glockenseil" hatte es auch schwer, der steckte nämlich im Bahnhofskino fest, das ebenfalls in der Zeit verschwand (Imageproblem für die Bahn, Video kam als Konkurrenz besonders im Schmuddelbereich). Die Schachtelkinos sollten dann das zeigen, was zehn Jahre später in den besser ausgestatteten Multiplexen lief und bis heute läuft - dort oder in den Arthouse Programmkinos hat letztlich auch der Zombie wieder ein Zuhause gefunden. Du hast heute immer noch Werner Herzog, Wim Wenders, Star Wars und Zombies. Eigentlich fehlt aus der von Dir angeführten Ära nur Fassbinder.

Schade, dass ich keine Anzeigenseiten der Zeitungen im Netz aus den genannten Zeiträumen finde, das würde es konkret darstellen.
Thorsten Hanisch hat geschrieben: Na ja, ich glaub eher, dass ich mich gerade tierisch entwöhne, aber abgesehen davon: Ist doch eigentlich schlimm, wenn man das tut, nein?
Nein, wenn man sich dran gewöhnt, entwöhnt man sich und das ist gut, zu viel Konsum lenkt von zu viel ab. Ich gehe seit knapp zehn Jahren nicht mehr ins Kino, die mobilen Telefone waren mir zuwider, der Pöbel hat mich besiegt.

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Beitrag von SvenT » Mi 1. Jun 2016, 01:21

Da kommen ja Erinnerungen hoch, wenn ich das lese.
Ich habe aus den Frühachzigern noch einige Ufa-Kinowerbeblätter und Cinemas. Wenn ich die alle paar Jahre mal durchblättere gruselt es mich auch eher, als dass ich alten Zeiten nachtrauere. Unglaublich, was für ein Rotz damals im Kino lief.
Die Sommerpause, in der es keine aktuellen Filme im Kino gab sondern die von Nahaufnahme erwähnten Klassiker liefen, war für mich oft genug der Höhepunkt des Kinojahres. Und natürlich die Nachmittage im Bremer Atlantis.

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Beitrag von Nahaufnahme » Mi 1. Jun 2016, 02:20

SvenT hat geschrieben: Und natürlich die Nachmittage im Bremer Atlantis.
Ich werde sentimental, die Nachmittage im Atlantis, da habe ich in den frühen 80ern die Klassiker studiert :ugeek: und @SvenT saß neben mir :o .

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Beitrag von Thorsten Hanisch » Mi 1. Jun 2016, 07:16

Nahaufnahme hat geschrieben:"Ein Zombie Hing am Glockenseil" hatte es auch schwer, der steckte nämlich im Bahnhofskino fest
Der Glockenseil-Zombie war ne spontane Wahl, besser hätte vielleicht VOODOO-DIE SCHRECKENSINSEL DER ZOMBIES gepaßt: 1979 mit 1,6 Millionen Besucher immerhin noch Platz 18. Heutzutage für so einen Film unvollstellbar.
Nahaufnahme hat geschrieben:Du hast heute immer noch Werner Herzog, Wim Wenders, Star Wars und Zombies.
Na ja, Herzog läuft ja - wenn überhaupt mal - unter Ausschluß der Öffentlichkeit und der letzte Zombie-Film war ne 200-Dollar-Megaproduktion mit schlechten CGIs.
Nahaufnahme hat geschrieben:Nein, wenn man sich dran gewöhnt, entwöhnt man sich und das ist gut
Weiß nicht, für mich hat das eher was resignierendes...
SvenT hat geschrieben:Wenn ich die alle paar Jahre mal durchblättere gruselt es mich auch eher, als dass ich alten Zeiten nachtrauere.
Mir geht's eher umgekehrt, vor allem fand ich das Programm, völlig abgesehen von Qualitätsfragen, wie gesagt, unheimlich bunt und vielfältig.
SvenT hat geschrieben:Unglaublich, was für ein Rotz damals im Kino lief.
Ähy, wir haben's mittlerweile mit Verfilmungen von Apps zu tun! :)

Aber okay, okay, mag sein, dass das alles ein rein subjektives Empfinden ist.

Ich sag's mal so: Ich persönlich hätte mit dem Kinoprogramm der 60er oder 70er weitaus mehr Spaß gehabt! 8-)
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Beitrag von SvenT » Mi 1. Jun 2016, 09:40

Tja, ich bin erst zum Kinogänger geworden, als überall das Ende des Kinos verkündet wurde und die Filmpaläste längst durch kleine Schachtelkinos ersetzt waren. Aus einem waren da schon sechs oder gar acht kleine Kinos geworden.
Eigentlich kenne ich es gar nicht anders, als dass das Kino mit R.I.P. versehen wird.
Nahaufnahme hat geschrieben:
SvenT hat geschrieben: Und natürlich die Nachmittage im Bremer Atlantis.
Ich werde sentimental, die Nachmittage im Atlantis, da habe ich in den frühen 80ern die Klassiker studiert :ugeek: und @SvenT saß neben mir :o .
8-) Und was wir da alles gesehen haben! Glaubt einem ja kein Mensch, was man in den Früh- und Mitachzigern als filmbegeisterter Steppke da alles kennenlernen konnte.

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Julio Sacchi
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Beitrag von Julio Sacchi » Mi 1. Jun 2016, 10:21

Sommerkino in Hannover. Da hab ich auch so viele schöne alte Filme auf der grossen Leinwand gesehen.

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