Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

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Julio Sacchi
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Beitrag von Julio Sacchi » Di 25. Okt 2016, 15:39

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Im Grunde I SPIT ON YOUR GRAVE nochmal, aber full tilt boogie. Trashmaster Ciro Santiago dreht alles auf Anschlag. Die arme Karla muß mit ansehen, wie ihr Mann von einem fiesen Frauenschläger in Fetzen geschossen wird. Auf der Suche nach Ruhe in ihrem Heimatkaff wird sie von ausnahmslos jedem Typ gegängelt, bedrängt, beleidigt und begrabscht. Nach dem ultrabrutalen Gang Rape ballern die fiesen Schänder auch noch Karlas Eltern über den Haufen. Nun ist es genug. Rache ist hier nicht Kalkül, sondern Flucht in den Wahnsinn. Die Schweine werden von Karla abgefackelt, kastriert, zerhäckselt und zerquetscht, Hoffnung gibt es am Ende keine. Deborah Tranelli (ja, aus DALLAS) spielt all das so echt, daß es weh tut. Exploitation mit dem Mittelfinger an eine schlechte Welt - klarer Standpunkt, klare Mittel. Fight the system.

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Beitrag von Julio Sacchi » Di 27. Feb 2018, 13:47

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Ein gnadenloser rigider Familienpatriarch (Gabin, knorrig und gewaltig wie eine alte Eiche) hat keine Lust, seinen Grundbesitz von seinem mißratenen Enkel als Drogenumschlagplatz mißbrauchen zu lassen. Verhandelt wird nicht, also zeigt er den miesen Großstadtgangstern, was auf seinem Hof eine Harke ist. Dabei hat er allerdings die Brutalität seiner Gangster unterschätzt. Eisenhartes Krimidrama mit toller Musik von Serge Gainsbourg, das sich leider in den letzten zehn Minuten total verliert und am Ende auch ein wenig nach Hohelied auf alte Werte anfühlt. Andererseits weiß ein finaler Musikeinsatz das zu untergraben. In jedem Fall ein starker Film.

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Beitrag von Julio Sacchi » Di 3. Apr 2018, 12:25

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Knallharte, schnelle, tighte Richard-Stark-Verfilmung mit heißem Quincy-Jones-Score über niederträchtige Männer mit niederträchtigen Motiven. Jim Brown muß hier nicht den aufrechten Schwarzen geben, sondern führt mit saftiger krimineller Energie ein traumbesetztes Panzerknacker-Team (Sutherland, Oates, Klugman, Borgnine) zum ganz großen Coup. Ein überraschender und überaus unschöner Mord dreht den Spieß des Lebens aber um, da kann nur noch ein korrupter Bulle (Gene Hackman!) ein neues Blatt austeilen. Das Ende dieses ersten R-rated Films ist entzückend unmoralisch. Highlight!

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » So 24. Jun 2018, 17:20

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Am knochentrockenen Thema Arab-Euro-Dollar beißt sich sogar Meister Pakula die Zähne aus. Wann immer die informationsgeballten Fachterminus-Dialoge zugunsten von genreaffiner Dramatik (Liebesfilm, Thriller) unterbrochen werden, gerät ROLLOVER schwer in Schieflage. Kris Kristofferson erweist sich in der Rolle des Hedgefonds-Bankers erwartungsgemäß als krasse Fehlbesetzung, während Jane Fonda faszinierend leblos durchs Geschehen stakst: Sie spricht jede ihrer Zeilen so, als wäre sie selbst von ihr überrascht. Dazu macht Michael Small zumindest anfangs auf Dave Grusin und liegt damit - sehr untypisch für ihn - komplett neben der Spur.
Als Experiment ist ROLLOVER dennoch faszinierend und sogar packend. Der Film will den ganz großen Bogen zur Weltwirtschaftskrise schlagen und präsentiert kalte und unsympathische Hauptfiguren, die genau genommen die verheerende Apokalypse in Kauf nehmen, wenn es ums eigene Geld geht - ganz bestimmt Fonda, die sich nur um ihre Aktien sorgt (ein erstaunlich naiver Denkfehler). Was außerdem bleibt, ist Pakulas Gespür für Räume, Licht und Architektur. Ein Film, den ich mir gern noch einmal ansehe, und der heute auch aktueller wirkt als 1982; die viehischen Ressentiments und Vourteile gegenüber Arabern inklusive.

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » Fr 14. Sep 2018, 16:43

Scott Glenn als texanischer Marshal, der alles und jeden hasst: Jews, Spics, Negroes, Women, Faggots. Sein hemdsärmeliger Approach bei der Geiselnahme in einer Kirche (reingehen, auf alles schießen, was sich bewegt) geht in die Hose, die zugedrogten Böswatze machen sich mit einer Grundschullehrerin aus dem Staub. Glenn wird selbst zu Mus geschossen, erholt sich als harte Sau aber schnell und folgt der Blutspur nach Miami. Dort tritt er mit seinen Cowboyboots natürlich jedem auf die Füße, vor allem William Forsythe als - hold your horses - deutschem Druglord! Die sexy Cop-Kollegin aus Florida erkennt natürlich den guten Kern im Knochenmann und bietet sich willig als Sexualproviant an. It's a movie. Am Ende gibt's ziemlich gutes Geballer und zünftige Auto- und Motorbootstunts, da lacht die Bierdose! Ach ja, die Grundschullehrerin wird (offscreen) vergewaltigt und weggeworfen, das geht ja im Grunde auf Glenns Kappe. Und zwar nicht nur das: Ich kann mich an keinen anderen Film erinnern, in dem der "Held" den Tod so vieler Unschuldiger vernantwortet! Ohne Glenns sture "Jetzt ballere ich hier!"-Attitüde würden Dutzende Partygäste, Passanten und ein hilfsbereiter Motelrezeptionist noch am Strand von Miami sonnenbaden, und bei Rettungsversuchen lässt er sich so viel Zeit, daß die zu Rettenden wiederum IHN retten müssen! Crazy!
Also unterm Strich einfach spitze.

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » Sa 5. Jan 2019, 15:56

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THE VISTORS bringt den Incident on Hill 192 an die Heimatfront. Fernab der späteren Ausschlachtung in De Palmas grellem Vietnam-Thriller CASUALTIES OF WAR untersucht Elia Kazan, was die Greuel des Krieges eigentlich mit den Wiederkehrern machen. Seine Antwort fällt niederschmetternd aus; der letzte Akt dieses Kammerspiels, auf den der Film unmißverständlich und konsequent zusteuert, erschüttert und bebt nach. Kazan, der vielleicht zu Unrecht fast nur noch über seine Rolle bei der McCarthy-Hexenjagd begriffen wird, erweist sich selbst in diesem kaum bekannten Nebenwerk als kompromißloser, einfühlsamer Filmemacher mit beinahe konkurrenzloser Schauspielführung. Unvergeßlich Patrick McVey als alter, versoffener Macho, der nicht mal vorm eigenen kleinen Enkel Respekt hat: "I wanted a grandson. That kid... I can't even tell what it is."
Ein schmerzhafter, stiller Schlag in die Magengrube.

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » So 6. Jan 2019, 12:07

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Der große Eugene O'Neill hat sich bei seinem Theaterstück "Desire under the Elms" zweifelsohne von der griechischen Tragödie beeinflussen lassen, namentlich von Euripides' "Hyppolytus", kaum zu übersehen sind aber auch die Parallelen zum Werk August Strindbergs. Um so erstaunlicher also, daß diese Hollywood-Adaption, erst der dritte Film von MARTY-Regisseur Delbert Mann, all diese Einflüsse genauso spürbar macht. Ohne falsche Sentimentalitäten, ohne Glitzerkitsch oder konstruierte Gefühle setzt auch dieser Film seine Figuren ihren eigenen Fehlern aus und begleitet sie, teils fast klinisch beobachtend, in ihr eigenes Fegefeuer. Die drei Hauptdarsteller sind absolut perfekt: Der junge, schlaksige Perkins als unversöhnlich verbitterter Sohn mit Wut im Bauch; Sophia Loren in der Rolle der patzigen Verführerin, die doch eigentlich nur ein Leben will; und Burl Ives, der monströse Tyrann, dessen schlußendliches Zerbrechen dank seiner Übergröße um so erschütternder wirkt. Die fantastische Schwarzweiß-Fotografie von Daniel L. Fapp liefert unvergeßliche Bilder für dieses abgründige Drama über die Unmöglichkeit von Freiheit. Ein dankenswerterweise recht moderner Score von Elmer Bernstein bespielt das zurückhaltend.
KIno als ergreifendes, pures, sprachlos machendes Erlebnis.

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » Di 29. Jan 2019, 11:15

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"The mind that moves too fast is crazy. The mind that moves slow is sane. The mind that stops... is God."

Vier Geistesgestörte büxen während eines Stromausfalls aus ihrem recht gemütlichen Klinikum aus, um ihren neuen Arzt und dessen Familie zu meucheln. Jack Sholders Film von 1982 darf Geisteskrankheit noch unverblümt als Gruselquelle anzapfen, erweist sich aber schnell als doppelbödig: Die Psychopathen verzweifeln an einer Welt, die kaum weniger psychotisch ist als sie selbst. Die Grenzen verschwimmen von Anfang an, bis sie sich in einer endgeilen Schlußszene komplett auflösen. Eine Punkband namens "The Sick F*cks" bespielt diesen großartigen Moment adäquat.

Geschmadder gibt es übrigens recht wenig, außer wenn der "Bleeder" einem bemitleidenswerten Plünderer die Gedärme aus dem Wanst hobelt. Sholder ist ein Könner, der setzt auf Random Violence (der Briefträger wird gekillt weil "I WANT THE HAT") im goldenen Herbst. Die Altstars Landau, Palance und Pleasance geben derweil Vollgas.

Ein Mitglied der "Sick F*cks" traf Jack Palance Jahre später auf den Straßen New Yorks und sprach ihn auf den Film an. Palance: "We were all sick fucks in that movie."

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » Do 7. Feb 2019, 10:07

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Erstklassiger Film. James B. Harris inszeniert dieses eiskalte Kriegs- und Kriegerdrama hochkonzentriert und mit kühler Strenge als unwirtliche Höllenfahrt - keine falschen Emotionen, keine Musik, keine künstliche Dramatik. Schauspielerisch ist das durch die Bank herausragend, dabei brillieren insbesondere Widmark als unbelehrbares Kanonenboot und Martin Balsam in der Rolle eines sensiblen Arztes, der an den Demütigungen des drakonischen Kapitäns verzweifelt. Der Schluß haut dann die Wurst vom Teller - so eindringlich hat ein Film selten vor verhärteten Kriegsfronten gewarnt. Top.

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Re: Julio Sacchi - Dynamit und fromme Sprüche

Beitrag von Julio Sacchi » Mo 11. Feb 2019, 13:55

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Zunehmend unglaubwürdiger, sogar ein wenig unverständlicher Thriller (alle wollen Steiger an der Durchführung seines Selbstmordattentats hindern, warum arbeiten sie dann konsequent gegeneinander), der diese Minuspunkte aber mit guten Darstellern und hoher Spannung weitestgehend auszugleichen weiß. Steiger und Remick mühen sich sympathisch am irischen Accent ab. Der Anfang ist so hart, daß man Rod Steigers Verbitterung und seine Sucht nach Rache zu keinem Zeitpunkt zu hinterfragen wagt, zumal er einem trotz Mordlust näher bleibt als seine Häscher - allen voran Richard Johnson als eiskalter und rücksichtsloser Ermittler. Das Pünktchen auf dem I sind natürlich die realen Aufnahmen der Queen, deren Freigabe die Regierung nach Erscheinen des Films bitter bereut hat!
Ein wenig bekanntes, aber mitunter packendes Drama von Routinier Don Sharp, das sich der IRA gegenüber verblüffend zugeneigt orientiert.

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