SvenT - Augen auf, Kühlschrank zu

Die Filmtagebücher der Mitglieder.
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SvenT
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SvenT - Augen auf, Kühlschrank zu

Beitrag von SvenT » Sa 14. Jul 2012, 15:23

Buchstaben aneinander zu reihen kann ja auch Spaß machen.
Als Ausgleichssport zum täglichen Einerlei will ich ab und an über Dinge schreiben, die mir gute Laune bereiten.
Ein kleines Filmtagebuch ist da eigentlich eine gute Idee. Auch aus ganz praktischen Gründen. So kann ich schnell herausfinden, wann ich was gesehen habe.

Mögen die Spiele beginnen!

Inside Man (Spike Lee, 2006)
Schon die Musik zum Filmtitel kündigt an, worum es geht. Während die Gangster, die gleich eine Bank überfallen werden, in New York mit dem Auto herumfahren und ein Komplizen nach dem anderen zusteigt, ertönt A. R. Rahmans Hit Chaiyya Chaiyya aus dem Bollywoodfilm Dil Se. Mani Ratnams Drama thematisiert den Kaschmir-Grenzkonflikt und den Terrorismus, aber auch ganz allgemein die Konflikte beim zusammenleben unterschiedlicher Kulturen. Ein schöner Anknüpfungspunkt an das Werk Spike Lees, der mit seinem Heist-Movie nicht nur ein perfekt choreografiertes Genrestück abliefert, sondern auch ein präzises Porträt des Post-Nineleven-New York zeichnet. Terrorangst und Misstrauen sind allgegenwärtig, und wenn die Gangster die Bankkunden als Geiseln nehmen, erscheint die Gruppe der Gefangenen als Mikrokosmos der Gesellschaft.
Im Vordergrund steht aber der Coup. Schließlich sind wir sind im Spannungskino, um das schöne Wort einmal zu benutzen. Russell Gewirtz hat ein vielschichtiges Drehbuch voller Wendungen und Drehungen sowie geschichtlicher Hintergründe geschrieben, das an Eric Amblers Romane erinnert. Clive Owen als Anfüher der Gangster und Denzel Washington als Cop führen ein perfekt agierendes Ensemble an. Jodie Foster, Willem Dafoe und Altmeister Christopher Plummer begeistern genauso wie die vielen Nebendarsteller.
Inside Man ist eine besten US-Produktionen der letzten 20 Jahre. Man wünscht sich, dass sich Spike Lee sich bald wieder an einen solchen Stoff wagen wird.


American Gangster (Ridley Scott, 2007)
1972 erklärte Richard Nixon den „War On Drugs“. Dass dieser gescheitert ist, gestehen sich die Fahnder mittlerweile ein, weitergekämpft wird aber trotzdem. Ohne Kampf kein Mampf, ohne Feind keine Politik. Die Drogenkartelle freut das, schließlich bedeutet die Kriminalisierung Preissteigerung und gutes Einkommen, garantiert steuerfrei. Mit Ridley Scotts Film hat das nur soviel zu tun, als das der Kampf gegen die Drogen der Filmindustrie sehr viele Stoffe (hehe) schenkte. French Connection, der wie American Gangster auf reale Begebenheiten beruht, ist einer der bekanntesten Filme zum Thema und nebenbei auch einer der einflußreichsten Polizeifilme.
American Gangster bezieht sich in vielerlei Hinsicht auf Friedkins Klassiker, allerdings ohne, das muss gesagt sein, dessen Klasse zu erreichen. Wenn Russel Crowe als Cop im New York der 70er Jahre hinter den Drogenhändlern her ist, sieht das schon ganz ähnlich wie Gene Hackmans Schnitzeljagd in French Connection. Und wir erfahren fast nebenbei, was mit dem Heroin geschah, dass Hackman beschlagnahmte. So gesehen ist Ridley Scotts Film fast eine Fortsetzung. Die Schwäche des Films ist allerdings, dass er, speziell im Directors Cut, viel weniger intensiv, dafür aber überladen wirkt. Es ist aber auch nicht so, das er langweilen würde.
American Gangster folgt zwei Figuren. Zum einen dem erwähnten Cop Russell Crowe, der vielleicht nur deshalb so ehrlich im Job ist (so ziemlich als einziger), weil er als Vater und Ehemann genau das Gegenteil ist. Zum anderen den Drogenhändler Denzel Washington, der, ganz Geschäftsmann, erklärt, wie Angebot und Nachfrage, Produkteinführung, Marketing und Direktvertrieb funktionieren. Man sieht, es geht neben dem Duell zwischen Polizist und Gangster auch um den Kapitalismus und wie er funktioniert.
[+] Spoiler
Konsequent, dass am Ende des Films ein Handel steht.
Denkt man hier weiter, begreift man auch, warum der „War On Drugs“ auch 40 Jahre später nicht gewonnen werden kann. Schlicht und einfach, weil die Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus stärker als die Gesetze von Staaten sind. Was im Film natürlich nicht gesagt wird. Auch das ist Kapitalismus. Und das ist Ridley Scott.
[+] Spoiler
Dem reicht es, wenn jede Menge korrupte Bullen hopps gehen
Provozieren ist die Sache des Briten nicht.
Einen eindeutigeren Film hätte jemand wie Oliver Stone drehen können.



Family Plot (Alfred Hitchcock, 1977)
Nein, ich habe eigentlich nichts gegen Zufälle in Drehbüchern. Zufälle passieren im Leben jeden Tag, und so wie Zufälle das eigene Sein beeinflussen, können sie natürlich auch eine Geschichte mitbestimmen.
Allerdings müssen Autoren extrem aufpassen mit Zufällen. Denn die Vorwürfe „Unglaubwürdigkeit des Buches“ oder „Faulheit des Autoren“ klopfen schon an die Tür, sobald der Texter die Buchstaben Z,u,f, a, sowie l und nochmals l in die Tasten gehauen hat.

Ärgerlich, dass Hitch und sein Autor Ernest Lehman bei der Vorbereitung zu Family Plot das Klopfen beharrlich ignoriert haben.
Dabei fängt alles so gut an. Bis zur Mitte des Films kommt man aus der Bewunderung kaum raus, so gut gefällt die Geschichte der beiden Pärchen, um die sich die beiden Handlungsbögen spannen. Es geht um Entführungen, Diamanten, ein falsches Medium, eine Erbschaft, ein leeres Grab, einen verschwundenen Sohn und, natürlich, Mord. Das ganze ist heiter vorgetragen, gewürzt mit jeder Menge sexueller Anspielungen. Wirklich jeder Menge. Und zwar ganz ohne ordinär zu werden.
Grade weil das alles so gut geschrieben ist, irritiert der brachial einschlagende Zufall dann unheimlich. Ich will den falschen Zufall nun auch nicht weiter erwähnen, sondern noch einmal die Vorzüge des Films preisen, der immerhin Alfred Hitchcocks letzter war: Es geht um Entführungen, Diamanten, ein falsches Medium, eine Erbschaft, ein leeres Grab, einen verschwundenen Sohn und, natürlich, Mord. Das ganze ist heiter vorgetragen, gewürzt mit jeder Menge sexueller Anspielungen. Wirklich jeder Menge. Und zwar ganz ohne ordinär zu werden.

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Beitrag von SvenT » Do 19. Jul 2012, 16:56

Spetters (1980, Paul Verhoeven)
Das hört sich doch erstmal langweilig an: Drei junge Kerle, die alle noch bei ihren Mamas und Papas in der holländischen Vorstadt wohnen, wollen als Motocross-Fahrer ganz groß rauskommen. Und alle drei wollen sie mit der hübschen Frittenverkäuferin (Renée Soutendijk) ins Bett. Die betreibt mit ihrem schwulen Bruder einen Imbisswagen, träumt aber von einem neuen Leben an der Seite eines Mannes mit Geld. Es geht hin und her und her und hin bis sich am Ende alle Schicksale erfüllen. Könnte eine langweilige Vorabendserie sein, ist aber ein faszinierendes Kleinstadtporträt, das viel weniger mit Motorrädern zu tun hat, als man befürchten möchte. Paul Verhoeven und sein Autor Gerad Soeteman schauen genau hin und beschreiben, wie das Leben ist in diesem Ort vor den Toren Rotterdams. Da sind einerseits Solidarität, Gemeinsinn und Hilfsbereitschaft, andererseits Homophobie, christlicher Fundamentalismus und Sexismus. Eingefangen ist das Kaleidoskop menschlicher Verhaltensweisen inklusive expliziter Darstellung von Sex und Gewalt von Jost Vacanos umwerfender Kamera.
Aber kein Verhoeven-Film ohne hysterische Reaktionen: Speziell eine homosexuelle Vergewaltigung ließ Spetters zu einem Alptraum für Jugendschützer werden. Zumal Spetters keine wertenden Kommentare oder Urteile abgibt, sondern es dem Zuschauer überlässt, sich selber Gedanken zu machen. Verurteilt wird zum Ärger der Moralapostel auch nicht die Frittenverkäuferin Fientje, die jederzeit ihren Körper feil bietet um ihr Ziel zu erreichen. Ganz im Gegenteil ist sie grundehrlich und sagt allen Beteiligten ganz offen, was sie will. Passend zu einem der umstrittensten Werke der niederländischen Filmgeschichte.

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Beitrag von SvenT » Mi 1. Aug 2012, 23:52

Haywire (2012, Steven Soderbergh)
Die Gattin* hatte es in der 51. Minute erkannt: Steven Soderbergh hat einen Belmondo-Film gedreht, nur dass eine Frau die Hauptrolle spielt.
Stimmt. Haywire ist ein klassischer Agentenfilm, und zwar einer aus der Kategorie actionbetont. Auf den Punkt geschrieben und mit 90 Minuten keinen Augenblick zu lang. Die Kickboxerin Gina Carano prügelt sich als Agentin Mallory Kane durch Verrat und Intrigen, um sie herum schwirren Ewan McGregor, Antonio Banderas (sieht immer mehr aus wie Götz George), Michael Douglas (wieder genesen) und Michael Fassbender. Auch wenn die Rolle Carano auf den Leib geschrieben sein mag: Wie sie sich gegenüber diesen Schwergewichten behauptet, verdient allen Respekt. Aber natürlich geht es hier in erster Linie um Physis. Haywire ist ein körperbetonter Film. Die Gesetze der Schwerkraft bleiben in Kraft, die Actionszenen behalten einen Hauch Realismus. Wenn Carano fällt, dann hat sie auch Schmerzen. Wie in Oceans 11 oder The Limey sind Soderberghs Bilder dazu elegant und gediegen, während leicht jazzig ein unaufdringlicher Score die Szenen unterlegt. Erstaunlich, wie gut in diesem wunderbaren Genrefilm alles, wirklich alles zusammenpasst.
Eine dicke Empfehlung für einen schönen Sommerabend. Wir empfehlen dazu einen trockenen Weißwein.

*Den Damen und Herren im Forum auch unter ihrem nom de guerre Sweetlemon bekannt. Sie hat ihren Eindruck von Haywire in ihrem neu angelegten Filmtagebuch niedergeschrieben.

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Beitrag von SvenT » Mi 8. Aug 2012, 23:03

The General (John Boorman, 1998)
Dass kaum ein Mensch "The General" kennt gehört zu den traurigen Gewissheiten, wenn es um den Regisseur John Boorman geht. Man redet (zurecht) viel über "Deliverance", erinnert sich freudig an "Point Blank" (auch zurecht), wundert sich immer wieder über "Excalibur" und macht (zurecht) dumme Witze über Sean Connerys Bekleidung in "Zardoz". Dem einen oder anderen fällt noch ein, dass "Exorcist II: The Heretic" einer der schlechtesten Filme der Welt ist, aber das "Hope and Glory" recht gut war. Über Boormans großartig inszenierten Gangsterfilm von 1998 kann man indes mit kaum jemandem sprechen.
Warum nur? "The General" wurde brav von der Kritik gelobt und in Cannes ausgezeichnet. Lief in deutschen Kinos und im Fernsehen. Eine VHS-Kassette erschien im Jahr 2000. Dann begann die Stille. Erst im vorletzten Jahr erschien heimlich, still und leise eine DVD bei Arthaus. Seitdem haben bis heute immerhin drei Amazon-Kunden begeisterte Rezensionen verfasst. Sonst ist Ruhe im Karton.
zudritt.jpg
Zu dritt ist's auch ganz nett: Cahill und seine Frauen

Hauptdarsteller Brendan Gleeson als Dubliner Einbrecher Martin Cahill kann nicht der Grund sein, warum Boormans Film es so schwer hat. Mit seinem intensiven Spiel reiht sich Gleeson ein in die großen Gangsterporträts Cagneys, Pacinos oder DeNiros.
So liegt der es wohl an diesem Cahill selbst, der soviel weniger strahlend ist als Scarface oder Don Corleone. Der Dubliner Kriminelle Cahill (es gab ihn wirklich) und seine Bande haben so gar nichts von den berühmteren Leinwandgangstern. Cahill trägt T-Shirts mit Schweinchen drauf, ist treusorgender Familienvater und Ehegatte (mit der Schwägerin teilt er ebenfalls das Bett. Der Gattin gefällts). So wie andere Leute morgens zur Arbeit gehen, macht sich er sich des Abends auf um Villen auszuräumen. Cahill ist Verbrecher aus Passion und Klassenbewusstsein. „It’s us against them!“ heißt es immer wieder. Aber er ist kein Robin Hood, eher ein rebellischer Ire aus Tradition. Seine Gangsterkumpel sind Idioten, Drogenabhängige, Pädophile oder einfach nur ganz gewöhnliche Asoziale, aber sie kommen aus dem Viertel, von daher kann Cahill ihnen vertrauen. Ein Haufen Arschlöcher, aber wenn sie alle miteinander losziehen und ihre Dinger drehen, dann bleiben Respekt und Bewunderung nicht aus. Abscheu und eine gewisse Sympathie liegen hier dicht beieinander.

Von diesem Zwiespalt lebt der klassischen Gangsterfilm seit Sternbergs "Underworld", also seit Stummfilmtagen. Was aber die erfolgreichen Filmgangster zu Identifikationsfiguren macht, ist immer auch ihr Stil. Ihr schillerndes Auftreten, ihr Charisma. Dieses kann derart stark ausgeprägt sein wie im Falle von Al Pacinos Scarface, der noch heute eine Ikone für viele jugendliche Rapper und Aushilfs-Gangsta ist.
Martin Cahill, der Einbrecher mit Schweinchen-T-Shirt, hat kein Glamour. Der Film ist auch folgerichtig nicht ausladend inszeniert wie es das zahlende Publikum von einem Kriminellen-Epos erwartet. Boorman drehte zwar in Farbe, entsättigte das Material aber so sehr, dass "The General" ein kontrastreicher Schwarzweiss-Film wurde. (im US-Fernsehen lief er allerdings in Farbe)
Okay, die Frage warum dieser Streifen kein Fanfilm ist, dürfte beantwortet sein. Falls doch wider erwarten irgendwo Merchandise-Produkte in Form von Martin Cahills Schweinchen-T-Shirts erhältlich sind, möge man mir das bitte mitteilen. Ich würde eines kaufen.
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Jon Voight kackt rum: "Ich bin nicht den ganzen beschissenen Fluss in Deliverance runtergeeiert um mir von dir Assi auf die Nüsse gehen zu lassen!"

Eine Binsenweisheit: Das Schicksal der Kino-Verbrecherikonen läuft im Grunde fast immer gleich ab. Geschildert wird der Aufstieg des Negativ-Helden, seine Hybris, dann der Fall. Die Ordnung muss schließlich wieder hergestellt werden. Es wird nicht zu viel verraten, wenn man erzählt, dass auch Martin Cahill den Tod durch Blei stirbt. Das passiert nämlich ganz am Anfang, allerdings nicht durch die Polizei, sondern durch ein IRA-Kommando. Cahills Leben wird nach diesem Auftakt als Rückblick erzählt. Wie er immer dreistere Dinger dreht. Wie die Bullen ihm nichts anhaben können, weil er doch zu schlau ist. Und wie sie ihn hassen, weil er sie auch noch demütigen muss. Es geht hier viel ums demütigen. Darum, den anderen zu zeigen, dass man stärker ist. Den Gegner dumm vorzuführen. Leiden zu lassen. Auch physisch leiden zu lassen. Jon Voight, der Hauptdarsteller aus Boormans "Deliverance", spielt einen Polizeioffizier, der es eigentlich gut meint mit Cahill und seiner Community. Aber am Ende, welches wie gesagt der Anfang des Films ist, zieht er seine Männer von Cahills Haus ab und überlässt der IRA die Bühne. Ein proletarischer Ire aus Dublin der von der IRA getötet wird hat es wirklich verstanden, sich Feinde zu machen. Wenn die Schüsse fallen und die Nachricht die Polizei erreicht, jubeln die Uniformierten. Nur Jon Voight mahnt, dass dies kein Tag zum feiern sei. Noch eine Binsenweisheit: Ein guter Kriminalfim ist auch immer einer über die Gesellschaft, in der er spielt.

Vielleicht ist die Gesellschaft, von der "The General" erzählt, einfach zu weit weg. Der Film spielt vor dem Sprung des keltischen Tigers, wie das irische Wirtschaftswunder genannt wurde. Und das auch schon wieder Geschichte ist. Mittlerweile ist Irland ja wieder arm wie eine katholische Kirchenmaus. Die Zeit Martin Cahills ist ebenso jene der Auseinandersetzungen zwischen der IRA und den loyalistischen Paramilitärs im britisch okkupierten Norden. Wer weiß schon, wofür die Abkürzung UVF steht? Irland ist weiter weg als die USA, die tagtäglich im Kino und im Fernsehen ihre Geschichten erzählen darf.

"The General" ist ein Underdog. Genau wie seine Figuren.


Nachtrag:
„The General“ lief nicht nur amerikanischen TV in Farbe, wie Jaan im After Dark-Filmforum feststellt. Auch bei dem in Deutschland veröffentlichten VHS-Tape handelt es sich um die Farbversion. Im Fernsehen lief diese ebenfalls, woran sich Joachim Bauer erinnert.
Die Farbfassung kenne ich nicht. Der normalerweise geschmacksichere Jaan ist jedenfalls von dieser nicht begeistert: „die unvermeidlichen 80er-Jahre-Pastelltöne verleiten nicht gerade zum Dranbleiben“. Es gibt keinen Grund, Jaan hier zu misstrauen.
Ich habe „The General“ das erste Mal vor Jahren in s/w im Fernsehen gesehen. Damals wurde der Film unter dem Titel „Der Meisterdieb von Dublin“ ausgestrahlt. Den Film im Originalton habe ich erst in den letzten Tagen das erste Mal geschaut. Die Arthaus-DVD ist empfehlenswert, auch wenn die Lautstärke des O-Ton hie und da etwas schwankt.

Erwähnenswert ist auch, dass die Geschichte von Martin Cahill im Jahre 2000 erneut in die Kinos kam. In „Ordinary Decent Criminal“ (deutsch: „Ein ganz gewöhnlicher Dieb“) spielt Kevin Spacey unter der Regie von Thaddeus O'Sullivan den Martin Cahill, der hier allerdings Michael Lynch genant wird, wohl, weil Boormans Film ja erst zwei Jahre alt war. Ich kenne diesen Film nur auszugsweise. Ein Vergleich zwischen beiden Filmen habe ich hier gefunden:
http://bristle.wordpress.com/2008/01/02 ... -criminal/.

Wer sich für den echten Martin Cahill interessiert, findet in der englischsprachigen Wikipedia einen längeren Text mit vielen Links:
http://en.wikipedia.org/wiki/Martin_Cahill

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Beitrag von SvenT » Mi 15. Aug 2012, 22:24

The Town (Ben Affleck, 2010)
Shippin’ back to Boston. Nach Ben Afflecks gelungenem Regiedebüt „Gone Baby Gone“ erzählt auch seine zweite Regiearbeit eine Kriminalgeschichte aus der Hauptstadt von Massachusetts. Während er in „Gone Baby Gone“ seinen Bruder Casey Affleck als Privatdetektiv durch die Straßen Bostons jagen ließ, übernimmt er dieses Mal selber die Hauptrolle. Als Bankräuber aus einem Bankräuberviertel verliebt er sich ausgerechnet in die Filialleiterin der Bank, die er mit seinen Kumpels überfallen hat. Klingt vielleicht doof, funktioniert aber im Film durchaus. Wobei das mit dem Bankräuberviertel kurz erklärt werden muss, denn dieses Viertel ist auch der Namensgeber des Film: Charlestown, kurz und knapp von allen „The Town“ genannt. Charlestown hat in vergangenen Zeiten tatsächlich eine ganze Menge Krimineller hervorgebracht. Irischstämmige Mobster, wie sie für die Gangster in Martin Scorsese „The Departed“ Modell standen. Oder für diejenigen in Clint Eastwoods „Mystic River“, um einen weiteren erfolgreichen Boston-Thriller zu nennen. Eine gute Gegend für eine Räubergeschichte also. Dass das Bild des längst gentrifizierten Stadtteils etwas übertrieben gezeichnet ist, stört im Film bestenfalls am Rande. Denn Affleck macht seine Sache richtig gut. Als Darsteller und auch als Regisseur. Man merkt, dass er seine (erkennbaren) Vorbilder wie Michael Manns „Heat“ ganz genau kennt. Bis in die kleinsten Nebenrollen perfekt besetzt bewegt sich „The Town“ auf hohem Niveau. Ganz ohne Ironie, ganz ohne Sadismus, aber durchaus mit gesunder Härte.
So ist „The Town“ ein gutes Beispiel für einen gelungenen Genrefilm, der sein Figuren genauso ernst wie seine Zuschauer nimmt. Also im Grunde etwas, dass heute eher im Fernsehen zu finden ist. Insofern geben Filme wie dieser dem Kino etwas zurück.
Auf Ben Afflecks weitere Zukunft als Regisseur kann man gespannt sein. In diesem Jahr wird zunächst „Argo“ anlaufen, ein Film über das Teheraner Botschaftsdrama von 1979. Im Grunde ja auch ein Thrillerstoff. Wenngleich meilenweit von Boston entfernt …

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Beitrag von SvenT » Mi 19. Sep 2012, 21:54

Barry Lyndon (Stanley Kubrick, 1975)
Stanley Kubricks dreistündiger Historienfilm „Barry Lyndon“ wurde seinerzeit weitestgehend verschmäht. Später war er, trotzdem auf VHS und später auf DVD erhältlich, immer der „Kubrick im Schatten“, der große Unbekannte. Fast vierzig Jahre nach seiner Uraufführung zeigt sich Lyndon auf Blu Ray heute in bester Form. Man wundert sich, wie modern und frisch das im 18. Jahrhundert verortete Drama heute wirkt. Und entgegen anderslautender Gerüchte ist der Film auch kein Stück langweilig.
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Alle ma uffstehn, die "Barry Lyndon" langweilig finden! Danke!

„Barry Lyndon“ erzählt die Geschichte des gleichnamigen irischen Opportunisten und Hochstaplers nach William Makepeace Thackerays Roman „The Luck of Barry Lyndon“ aus dem Jahre 1844. Die Handlung umfasst die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts, beginnt kurz vor dem Siebenjährigen Krieg (1756–1763) und endet am Vorabend der Französischen Revolution im Jahre 1789. Für Thackeray, geboren 1811 als Sohn eines Kolonialbeamten, ist diese Zeit jene der Eltern und Großeltern.
Es ist die Epoche des Absolutismus und der Machtspiele zwischen den Europäischen Mächten. Von Ränkespielen am Hofe wollen aber weder Thackeray noch Kubrick etwas wissen. Ihnen geht es in ihren Werken darum, ein exaktes, wenngleich ironischen Sittengemälde jener Zeit zu entwerfen. Eingerahmt wird die Handlung durch zwei in Echtzeit inszenierte Duelle (im Film, der Roman endet anders), präziser Studien der Angst, die für sich genommen schon Kunstwerke sind. Dazwischen führt Barry Lyndons Weg über die Schlachtfelder des Krieges, später wird er Spion, dann Glücksspieler. Schließlich heiratet er, um gesellschaftlich voran zu kommen. Der Emporkömmling taugt jedoch nicht als Bewahrer und Mehrer des angeheirateten Reichtums. Aber nicht nur mit Lyndon geht es bergab. Wer die europäische Geschichte kennt, weiß, wie die Arroganz der Herrschenden zur französischen Revolution und schließlich zum Umbruch auf den gesamten Kontinent führte. Überdeutlich zeigt Kubrick am Ende des Films die Ziffer „1789“ auf einem Papier – einem Scheck. Abgerechnet wird zum Schluss.
Der große Literat Thackeray und der bahnbrechende Filmemacher Kubrick ähneln in ihrer Sicht menschlicher Schwächen sehr. Sie sind die großen Ironiker ihrer Künste. Und mit beiden haben viele Leser und Zuschauer Probleme, da die Figuren als Sympathieträger oder gar Identifikationsfiguren nicht viel taugen. Das ist der Grund, weshalb Kubricks Filme so oft als „kalt“ beschrieben werden. Wie anfangs gesagt, war „Barry Lyndon“ kein Publikumserfolg. Die kubricksche Kälteskala zeigt auf „frostig“. Zumindest, wenn man einfach nur einen spannenden Kostümfilm erwartet. Lässt man sich hingegen auf Kubrick ein, verfolgt man die Handlung mit einer faszinierenden Mischung aus Verachtung und Empathie für die Figuren.
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Darüber reden die Leute, wenn es um "Barry Lyndon" geht: Kerzen.

So wenig beliebt „Barry Lyndon“ beim Publikum auch war, stand eines nie zur Diskussion: Kubricks handwerkliches Können und die Gabe, großartige Bilder zu schaffen.
Schon in der zeitgenössischen Kritik wurde der Look von „Barry Lyndon“ über alle Maße gelobt. Auch von jenen, die dem Film sonst reserviert gegenüber standen. Immer wieder wurden die Szenen erwähnt, die nur mit Kerzenlicht gedreht wurden. Genauso oft fanden die NASA-Objektive Erwähnung, mit denen gefilmt wurde.
Kubrick und sein Kameramann John Alcott orientierten sich einerseits an Gemälden des 18. Jahrhunderts, sorgten andererseits für einen ultrarealistischen Look. Lange, ruhige Einstellungen von Räumen und Landschaften dominieren, bei den (wenigen) Actionszenen ist die Kamera beweglich wie später in Spielbergs „Saving Private Ryan“ am Strand. Sowieso: Wenn man wissen will, warum spätere Historienfilme so aussehen wie sie aussehen, sollte man sich „Barry Lyndon“ angucken. Vom zwei Jahre später entstandenen „Duellists“ von Ridley Scott über die Arbeiten Terrence Malicks bis zu Tom Hooper („Elizabeth I.“. „John Adams“) und P.T. Andersons „There Will Be Blood“ – überall findet man die Spuren von „Barry Lyndon “. Aber nur die allerwenigsten können es mit Stanley Kubricks großen, unbeliebten Film aufnehmen.

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Beitrag von SvenT » Fr 21. Sep 2012, 18:12

The Big Steal (Don Siegel, 1946)
bigsteal.jpg
Schade, der Papagei kommt leider nur am Anfang vor. Dafür gibt es in Mexikos malerische Landschaft jede Menge Esel, Schafe und Ziegen zu betrachten. Mitchum und Greer sehen aber immer aus wie für den Stadtgang angezogen.


Manchmal schwimmen einem die dickeren Fische einfach unterm Netz hindurch. Ich hatte zum Beispiel noch nie „The Big Steal“ gesehen. Zugegeben, kein Werk, das als Meilenstein des Kinos bezeichnet werden muss. Aber immerhin ein Gangsterfilm von Don Siegel mit keinem Geringerem als Robert Mitchum in der Hauptrolle. Don Siegel. Robert Mitchum. Na, wenn das kein Garant für gute Unterhaltung ist …
Und natürlich ist das ein toller Film! Mitchum jagt mit der schönen Jane Greer an der Seite einen Kerl, der mit einem Koffer flüchtet, durchs schöne Mexiko. Wir raten: Darin ist doch bestimmt die Beute aus dem titelgebenden „Big Steal“. Aber es gibt noch mehr Parteien: Hinter Mitchum wiederum ist ein Army-Captain (stinksauer: William Bendix) her, und auch ein paar mexikanische Polizisten haben gerochen, dass es hier irgendwas zu holen gibt. Nur was – oder: wieviel? Und wer ist hier eigentlich „der Gute“? Die erste halbe Stunde hat man noch keine Ahnung worum es eigentlich geht – dafür wird ordentlich aufs Gaspedal getreten. Zwischen den Schüssen fallen scharfe Dialoge, vor allem zwischen Mitchum und der famosen Jane Greer.
Viva Mexico! Hier ist nichts verkehrt!

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Beitrag von SvenT » Mo 3. Dez 2012, 19:13

In Which We Serve (David Lean/Noel Coward, 1942)
„This is the story of a ship …“ sagt eine Stimme am Anfang und schon sieht man, wie der Zerstörer HMS Torrin gebaut wird. Es folgt der Stapellauf, danach schwimmt ein Exemplar des Daily Express durch verschmutztes Rinnsteinwasser. „No war this year“ lautet die Schlagzeile – nichts könnte falscher sein in diesem September 1939. Eine Einstellung später ist die HMS Torrin im Seegefecht vor Kreta – es ist das Jahr 1941. Wir erleben kurz die Mannschaft rund um Captain Kinross (Noel Coward), und schon wird der Zerstörer durch deutsche Bomber versenkt. In Rückblicken wird nun einerseits die Geschichte einzelner Besatzungsmitglieder und ihrer Familien, andererseits die des Schiffs und des Kriegsverlaufs erzählt. Dies ist ein Film des Jahres 1942, deshalb ist die Botschaft klar: alle Klassen sitzen in einem Boot und es muss zusammengehalten werden, denn das Schiff verteidigt England. Und auch wenn es versenkt wrird, ist nichts verloren, denn für die Überlebenden der Mannschaft geht der Krieg weiter.
„In Which We Serve“ ist in erster Linie das Kind von Noel Coward. Der spielte die Hauptrolle, produzierte, schrieb Drehbuch und Musik und wollte zunächst auch alleine inszenieren. Bei letzterem wurde dem Tausendsassa dann aber doch mulmig und so sicherte er sich mit David Lean einen Helfer, der zu diesem Zeitpunkt einer der besten Cutter Großbritanniens war. Nach einer Weile ließ Coward Lean dann ganz übernehmen, und so ist dies die erste Regiearbeit eines der bedeutendsten Filmemacher des 20. Jahrhunderts. Deshalb und wegen der besonderen Rolle die der Film in Noel Cowards Schaffen einnimmt, ist „In Which We Serve“ schon aus historischem Blickwinkel interessant. Leans und Cowards Propagandastreifen ist aber auch sonst sehenswert und gehört so in eine Reihe mit Filmen wie Michael Powells „49th Parallel“ oder „Life And Death Of Colonel Blimp“. All diesen Werken ist gemein, dass sie ihre Botschaft ohne Opferkult und mit sehr dosierter Portion Pathos erzählen. Stattdessen vertrauen sie auf gute Drehbücher, großartige Darsteller und auf das damals wohl beste technische Personal Europas. Großes Kino.

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Beitrag von SvenT » Fr 1. Feb 2013, 12:33

Double Feature:
"This Gun For Hire" und "The Glass Key"
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Als 1942 Veronica Lake und Alan Ladd gemeinsam in den Paramount-Produktionen „This Gun For Hire“ und „The Glass Key“ auftraten, war das Publikum so begeistert, dass die beiden fortan als Traumpaar des harten Kriminalfilms galten. Veronica Lake, die bereits Erfolge gefeiert hatte, und der eiskalte Ladd trafen genau die Stimmung, welche Dime Novels, die Gangsterfilme der 1930er Jahre und vor allem „The Maltese Falcon“ (1941) bereits angeheizt hatten. Die beiden wurden zu Stars, die in insgesamt fünf Filmen zusammen auftraten.
Nach ihren Erfolgen meinte es das Leben nicht allzu gut mit Lake und Ladd. Lake soff sich irgendwann kaputt und starb 1973 mit nur 50 Jahren. Ladd wurde nicht älter. Er starb sogar schon 1964 in seiner Badewanne, vermutlich an einer Medikamenten- oder Alkoholvergiftung. Immerhin hatte Ladd noch ein paar große Rollen, von denen „Shane“ (1953) neben der des Killers Raven aus „This Gun For Hire“ sicher am bekanntesten ist. Bezeichnenderweise spielt er auch dort einen Mann, der mit Knarren gut umgehen kann, nämlich einen Revolverhelden, der von seinem alten Leben die Schnauze voll hat.

„A Gun For Sale“ – von Graham Greenes Roman zur Leinwandadaption
Aber zurück zum ersten Film der beiden, dem bahnbrechenden „This Gun For Hire“, der vor allem wegen Ladds psychologisch vielschichtiger Darstellung des Katzen liebenden Killers Raven berühmt ist. Von Raven führt eine von hunderttausend Filmkennern beschriebene Kontinuität zu Melvilles „eiskaltem Engel“, Michael Winners „The Mechanic“ oder John Woos „The Killer“. Kurzum, Raven gilt als Prototyp des Hit Man im Film. Dabei wäre es falsch, „This Gun For Hire“ nur unter diesen Aspekt zu sehen. Der Film hat mehr Qualitäten, schon die Wahl der Vorlage zeugt von Geschmack und Hirnschmalz. Kein Seltenheit beim Film Noir, im Gegenteil: Die Klassiker des Genres sind nahezu allesamt Literaturverfilmungen und erfuhren ihre Drehbuchbearbeitungen durch exzellente Autoren.
Der Brite Graham Greene war Mitte der 1930 Jahre bereits ein etablierter Schriftsteller, als er, quasi als Lockerungsübung, einen kurzen Kriminalroman namens „A Gun For Sale“ (deutsch: „Das Attentat“) schrieb. Raven ist ein Auftragskiller, der für einen britischen Stahlkonzern einen italienischen Minister umbringt. Aber Raven wird betrogen – was er sich als Freiberufler natürlich nicht bieten lassen kann. Das Thema von „A Gun For Sale“ ist neben dem Porträt des einsamen Killers der Waffenhandel britischer Konzerne. Damals waren die Rüstungsgeschäfte mit dem faschistischen Italien für die durch die Weltwirtschaftskrise geschwächte britische Wirtschaft eine Frischzellenkur. Kurzum: die Briten rüsteten ihre späteren Kriegsgegner gnadenlos auf. Greene, der später mit Werken wie „Der stille Amerikaner“, „Die Komödianten“, oder „Der menschliche Faktor“ noch oft genug die Schweinereien der Mächtigen thematisieren sollte, war bereits damals ein Mann, der politische Zusammenhänge deuten konnte und kein Blatt vor dem Mund nahm.
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Das Cover der Erstausgabe von 1936. Man beachte das Aussehen des Killers mit Mantel und Hut.

Um aus dem in Europa spielenden Roman einen amerikanischen Thriller zu machen, ließ Paramount zwei Männer das Drehbuch schreiben, die nicht besser hätten geeignet sein können: W. R. Burnett und Albert Maltz. Wie Greene schätzten auch die beiden klare Ansagen. Burnett war damals bereits dank seines Romans „Little Ceasar“ ein Starautor. William Wellman hatte das Buch 1931 mit Edward G. Robinson unter demselben Titel verfilmt und die Welle der Gangsterfilme mit losgetreten. Beliebt waren Burnetts ungeschminkte Dialoge, weil sie wie aus dem echten Leben klangen. Was sie auch waren. Burnett hatte zur Zeit Capones in Chicago gelebt und in einem schmierigen Hotel malocht, in dem sich nicht die feinsten Gäste die Ehre gaben. (Das Leben ist eben doch die beste Schule, und nebenbei bemerkt würde auch heute manch Drehbuchautoren die gelegentliche Gesellschaft von Prostituierten und Kleinkriminellen ganz gut tun.) Albert Maltz war kein Bestseller-Autor, als Schriftsteller aber auch kein unbeschriebenes Blatt und wie Burnett O.-Henry-Preisträger. Er sollte später noch erfolgreich Drehbücher schreiben, auch für den Film Noir, aber als Kommunist in den 50ern gewaltigen Ärger bekommen.
Die Übertragung der Story in „amerikanische Verhältnisse“ gelang jedenfalls bestens.
Handlungsort ist nun die amerikanische Westküste, genauer gesagt St. Francisco und Los Angeles. Durch den japanischen Angriff auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 hatte der zweite Weltkrieg mittlerweile auch für die USA begonnen, und so wurde aus dem Waffendeal mit dem faschistischen Italien in der Vorlage Geheimnisverrat und Sabotage für die Achsenmächten, die allerdings im Film nicht explizit genannt werden.

Immer unterwegs
Regisseur Frank Tuttle inszenierte einen schnörkellosen Film Noir mit großartigen Darstellern, wobei Lake und Robert Preston als Hauptdarsteller gelistet sind, während Ladd nur an dritter Stelle Erwähnung findet.
Veronica Lake spielt die Tänzerin Ellen, die mit dem Polizisten Michael (Robert Preston) liiert ist. Von Senator Burnett (!) (Roger Imhof) wird sie beauftragt den korrupten Nachtclubbesitzer Gates (Laird Cregar) auszuspähen. Gates ist Zuarbeiter für den Industriellen Brewster (Tully Marshall) und hat Raven beauftragt, einen Mord zu begehen, ihm als Bezahlung aber registrierte Scheine angedreht. Während sich Raven auf dem Rachefeldzug befindet wird Ellen zu seiner Begleiterin wider Willen. Die Handlung wird sehr schnell erzählt und die Figuren sind immer in Bewegung, speziell Züge spielen bei Ellens und Ravens Reise eine besondere Rolle. Die unterschiedlichen Schauplätze, von Kameramann John F. Seitz hervorragend in Szene gesetzt, machen einen großen Reiz des Films aus.
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Schön gemütlich mit der Bahn fahren. "THis Gun For Hire" ist ein Hohelied auf den Schienenverkehr.

Eine Reihe herrlicher Arschlöcher
Die Figuren sind allesamt herrlich überzeichnet, aber doch glaubwürdig. Am meisten Spaß machen natürlich die Schurken: Gates ist ein genusssüchtiger fetter Feigling, sein Chauffeur und Helfershelfer Tommy (Marc Lawrence) ein narbengesichtiger Sadist, der Industrielle Brewster schließlich ein steinalter und kranker Plutokrat, der in seinem Marmorpalast lebt. Seine Anweisungen gibt Brewster heiser vom Rollstuhl aus, während er fortwährend Kekse mit Milch zu sich nimmt. Die angesehen Bürger Gates und Brewster reden mit den Polizisten übrigens wie mit ihren Dienstboten, was sie sich auch erlauben können. (Im zweiten Ladd/Lake-Film ist die Polizei dann fast nur noch Staffage.)
Gegen solche Typen wirken die Guten natürlich langweilig. Gut, dass es Veronica Lake gibt, die alle Register ihres Könnens ziehen kann und eine hochinteressante Figur verkörpern darf …

FORTSETZUNG FOLGT mit aufreizenden Tänzen von Frau Lake, einer Beschreibung von Dashiell Hammetts Weltsicht durch Raymond Chandler und vielen Sensationen mehr …

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