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Von Richard Laymon bis zu Tolstoi: Die Abteilung für Leseratten.
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SvenT
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Beitrag von SvenT » Mi 17. Sep 2014, 18:50

Ich lass mal kurz die letzten Monate Revue passieren:

Ken Bruen: London Boulevard Solider Brit Noir. Schreiben kann Bruen ja wirklich und wer seinen schweinebrutalen Antihelden zum Ende hin den guten alten Derek Raymond lesen lässt muss eh ein guter Mensch sein. Macht extrem Laune, die Verfilmung einfach mal nicht anzugucken! Muss wohl doch mal seine Jack-Taylor-Romane lesen.

James Sallis: Driver, Driver II, Stiller Zorn Die Romane um den jungen Herrn mit der Vorliebe für schnelle Autos sind sicher keine schlechten, wirklich umgehauen hat mich aber der erste Roman um Lew Griffin, den schwarzen Privatdetektiv, der auch Schriftsteller ist, weshalb es auch ausnahmsweise mal Sinn macht, die Erlebnisse von Griffin in der ersten Person zu erzählen.

Nic Pizzolatto: Galveston Extrem schöner, trauriger und melancholischer Roman Noir, der es schafft, wirklich zu berühren. Hat das Zeug, ein Klassiker zu werden.

Jeff VanderMeer: Auslöschung Erster Teil einer Trilogie aus dem Bereich Phantastik, irgendwo zwischen Horror und SciFi, hochgelobt und umjubelt. Ist auch prima, aber die ganz große Begeisterung will sich bei mir nicht einstellen. Einerseits sehr modern, andererseits aber auch der Tradition von Lovecraft und noch viel mehr William Hope Hodgson verpflichtet, kann man das aber jedem Fan empfehlen. Selten genug: Auch die Mainstream-Kritikerschar zeigt sich begeistert. Tolle Aufmachung der deutschen Ausgabe.

Pete Dexter: Paperboy Nach dem unfassbar tollen "Deadwood" musste schnell der nächste Dexter her, und tatsächlich, auch diese fiese Geschichte aus dem Zeitungsmilieu, angesiedelt im schwülwarmen Florida der Sechziger, kann überzeugen. Wenn man selbst ein paar Erfahrungen mit der Branche hat, erkennt man einiges wieder – sogar wenn man in einem anderen Land zu einer anderen Zeit lebt.

Mario Puzo: Der Pate Wenn man die Aufregung bei Erscheinen und die Verfilmung ausblendet und einfach mal das schon legendäre Werk für sich allein betrachtet ist das Fazit schon recht nüchtern: Kein guter Roman, aber durchaus unterhaltsam. Der Mehrwert kommt durch das Wissen um das ganz Drumherum.

Don Winslow: Die Sprache des Feuers Ein älterer Winslow. Der Gute ist da zwar noch von der späteren Meisterschaft entfernt, gute Laune und viel Spannung gibt es aber auch hier. Sprachlich wieder eine Macht, tolle Übersetzung wie immer bei Winslow. Ich will keinen Winslow missen, auch diesen hier nicht.

George Macdonald Fraser: Flashman in Afghanistan Haha, selten so gelacht: Die falsche Biographie eines feigen, verlogenen Offiziers der sich während des ersten anglo-afghanischen Krieges zum Helden schwindelt, glänzt durch historische Faktendichte und extrem schwarzen Humor. Ich freue mich auf die Lektüre der Folgebände!
Zuletzt geändert von SvenT am Mi 17. Sep 2014, 19:02, insgesamt 2-mal geändert.

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Yuki
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Beitrag von Yuki » Mi 17. Sep 2014, 19:01

SvenT hat geschrieben:sogar wenn man in einem anderen Land zu einer anderen Land lebt.
Äh, was :o ?!

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SvenT
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Beitrag von SvenT » Mi 17. Sep 2014, 19:02

Geil, ne? Ist aber schon korrigiert … :P

Greebo
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Beitrag von Greebo » Mi 18. Feb 2015, 17:51

Grade die Sookie Stackhouse Reihe komplett durch. Die Serie True Blood hat moch dazu animiert, mir auch mal diee Bücher vorzunehmen. Hab zuerst mit Tru Blood Serie angefangen, die ersten Bücher sind auch ziemlich übernommen worden, natürlich mit einigen Einschränkungen, aber spätestens ab Staffel 4 wird dann alles anders als in den Büchern. Spaß machen tut beides, Lesen und Kucken. Ist beides schon reichlich abgedreht.
Die Antilope frißt Gras...

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Sylvio Constabel
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Beitrag von Sylvio Constabel » Fr 1. Mai 2015, 05:07

People's Republic of Amnesia

Lim beleuchtet das Tiananmenmassaker mit Hilfe von Zeitzeugen neu. Intensiv, ehrlich, wichtig.
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Bei Sylvio mag ich, er guckt halt auch viel mit dem Herzen. Jimfried Nullinie

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Julio Sacchi
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Beitrag von Julio Sacchi » Do 9. Jul 2015, 17:56

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Hype von 2013, habs aber jetzt erst gelesen und wusste gar nicht, wie sehr das Buch polarisiert hat. Besonders in Deutschland standen den Abfeier-Stimmen ja härteste Verrisse entgegen (ich hab allerdings nach der Lektüre mal in die deutsche Übersetzung gelinst und die ist echt gruselig).
Wie auch immer, Eggers zeichnet hier also die maximale Drohkulisse für jeden Analog-Heini und Internethasser; das totale Beobachten, Beurteilen, Mitteilen, "privacy is theft". Anhand einer Art Internet-Riesenkrake, einem Monster-Facebook in einer Welt, in der nur für die Community dokumentierte Erlebnisse überhaupt als erlebt gelten, führt der Autor einem den maximalen Supergau des Online-Wahns vor Augen.
In vielerlei Hinsicht glaubwürdig und beklemmend, allerdings auch mit dem ganz dicken Pinsel gestrichen, mit sehr funktionalem Figurenpersonal ausgestattet und oft ins Endlose gedehnten Erklärbär-Dialogen. Was allerdings der deutschen Literaturkritik komplett entgangen ist, ist der satirische Unterton, die absichtsvolle Überspitzung; dem Buch wurde hierzulande tatsächlich "Humorlosigkeit" unterstellt. Dabei zwingt Eggers den Leser durchgängig zur Identifikation mit einer Hauptfigur, die so dumm wie eitel ist - das führt vielleicht zu kopfschüttelnder Verärgerung bei weniger reflektierten Rezensenten.
Trotzdem - der Wälzer erweist sich als nur anfangs einnehmend, dann aber extrem zäh und schlußendlich mit einem selten hohlen Bildnis, das danach auch noch im Dialog erklärt wird, auch noch als etwas schlicht. Will sagen: Hm. Hat das jemand gelesen?

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Youri
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Beitrag von Youri » Fr 10. Jul 2015, 13:16

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Schon ein bisschen her, aber da nun die Verfilmung anrückt, mal ein paar weitere Sätze dazu. Die Ausgangslage dürfte soweit bekannt sein: Eine bemannte Marsmission muss nach sechs Tagen aufgrund eines schweren Sandsturms abgebrochen werden, ein Crewmitglied – der Botaniker Mark Watney – bleibt totgeglaubt alleine auf dem Mars zurück; sein Proviant bzw. das der übrigen Crewmitglieder reicht noch ungefähr ein Jahr, Kontaktmöglichkeiten zur NASA gibt es nicht; die nächste bemannte Marsmission soll in 4 Jahren ca. 3200km entfernt landen.

The Martian ist der Debütroman des Software- und Spieleentwicklers Andy Weir, der mit ordentlichem Rechercheaufwand darauf bedacht ist, alles möglichst realistisch zu gestalten und aus einer "wissenschaftlichen" Perspektive zu beschreiben. Das bringt aber auch zwei große Probleme mit sich. Zum einen ist das Buch furchtbar geschrieben (Disclaimer: Ich hab mir, da überall die sehr technische, wissenschaftliche Sprache betont wird, die deutsche Übersetzung geholt, das aber spätestens, als offensichtlich „that’s what she said“ mit „Das hat die Lady schon einmal gesagt“ übersetzt wird, bereut). Zunächst besteht der Roman nur aus Tagebucheinträgen Watneys, die sich durch ihre flapsige, parataktische Sprache lesen wie eine Mischung aus Erlebnisaufsatz, 5. Klasse und einer Bedienungsanleitung. Im späteren Verlauf kommen dann auch noch andere Erzählperspektiven hinzu, deren literarische Qualität aber auch nicht wesentlich höher ist und unangenehm an VHS-Einführungskurse „kreatives Schreiben“ erinnern (man achte mal in den NASA-Passagen darauf, wie pedantisch Weir darauf achtet, ja nicht „sagen“ zu benutzen). Zum anderen geht dem Buch die psychische Komponente der Extremsituation – der Typ ist immerhin mehrere Jahre mit minimalen Überlebenschancen komplett allein – quasi komplett ab; die wenigen Stellen, in denen es dann doch mal so etwas wie Introspektion gibt, lesen sich dann mehr oder weniger wortwörtlich so: „Ich bin gerade sehr allein. Deshalb bekomme ich Depressionen.“

Aber man bleibt eben doch dran, schlichtweg weil die Handlung an sich als interessantes Gedankenexperiment funktioniert, die zahllosen Problemsituationen Watneys wirklich sauspannend sind und deren Lösungen ebenso nachvollziehbar beschrieben werden, wie sie clever und „realistisch“ sind. Wer sich ein bisschen für Raumfahrt interessiert, wird sich außerdem an den zahlreichen Verweisen auf „echte“ Missionen erfreuen.

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diceman
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Beitrag von diceman » Sa 21. Mai 2016, 21:23

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Hänge immer noch in A SONG OF ICE AND FIRE #3: STORM OF SWORDS fest. Hab The Scope of Things etwas unterschätzt, und wie groß die Verpflichtung tatsächlich ist, die man eingeht, sobald man mal den ersten Band zur Hand genommen hat; da geht nix nebenher. :) #missingLaymon
"Ja, Junge, da kann man mal sehen, wie schlecht du denken kannst."
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dejin
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Beitrag von dejin » Mo 29. Mai 2017, 11:07

blood meridian.jpg
Pof! Eeeeendlang dran gelesen!
Blood Meridian von Cormac McCarthy

Für mich das schwierigste English, das ich jemals gelesen hab. Das hat den Roman eher zu ner Qual gemacht... stoische, poetische Beschreibung; aber wenn Verständnis dann halt mit wunderschönen Momenten.
Es baut sich ne sublime, apokalyptische, karge Atmosphäre auf, die McCarthy gekonnt aufrecht erhält. Naturbeschreibung in Abwechslung mit Gewaltausbrüchen, knapper Charakterzeichnung und dem tatsächlichen, tiefen Gelingen von Trostlosigkeit und Existenzialismus.

Aber ich würde fast zur deutschen Version raten; ich versuch echt alles im Original zu konsumieren und hab nen brauchbaren englischen Wortschatz - aber das war ne toughe Nummer!
The awkward moment when you get in the van and the old man has no candy.

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SvenT
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Beitrag von SvenT » Mo 29. Mai 2017, 11:18

Steht bei mir auch noch an. Aber tatsächlich auf deutsch.
Ich erwarte Großes!

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