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Von Richard Laymon bis zu Tolstoi: Die Abteilung für Leseratten.
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Julio Sacchi
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Beitrag von Julio Sacchi » Mo 16. Sep 2013, 14:14

tabu.jpg
Ferdinand von Schirachs zweiter Roman verweigert sich total der vermutlich vom Leser erwarteten Rolle als Krimi. Was als mysteriöses Psychogramm eines vermeintlich Gestörten beginnt, wird in der zweiten Hälfte plötzlich zur Anwaltsgeschichte, die immer mal wieder Rückschlüsse auf den Autor zulässt. Sinn des Ganzen ist ein leidenschaftliches Plädoyer gegen Polizeifolter, wie es von Schirach auch schon zum Fall Metzler im "Spiegel" veröffentlichte. Am Ende ist alles nur ein großer Bluff. Auch eine Art Tabu.

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Julio Sacchi
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Beitrag von Julio Sacchi » Di 1. Okt 2013, 10:07

burtreynoldsmylife.gif
Die Autobiografie vom großen Burt endet leider 1994, lange vorm späten Triumph mit BOOGIE NIGHTS - und darum auch, nach langer Krankheit und vielpubliziertem Scheidungskrieg, ungewohnt düster für ein Filmstar-Buch. Reynolds schreibt so, wie man ihn kennt und liebt: Altmodisch, oft bescheiden, manchmal eitel, mit viel Witz und Eigensinn und so manch sympathischer Anekdote über große Kollegen und allzu kleine Filme. Ab dem Abstieg vom Kassenknüller-Thron (exakt nach dem schweren Unfall am Set von CITY HEAT) wird das Buch zu ergreifenden Geschichte eines Mannes, dem alle Felle wegschwimmen. Nur wer MY LIFE gelesen hat, kann sich ansatzweise vorstellen, was in Reynolds vorgegangen sein muß, als Robin Williams ihm den Oscar für BOOGIE NIGHTS wegschnappte.
Eine der schönsten Autobiografien, die ich je gelesen habe.

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Yuki
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Beitrag von Yuki » Sa 9. Nov 2013, 06:29

Die Trying von Lee Child durch. Also den zweiten Jack Reacher Teil. Fand ich ganz lustig, wegen dem Bad Guy inklusive James Bond Feeling. Trotzdem irgendwie total 'overhyped' die Reihe, dabei bleib ich. Überdurchschnittliche Genre-Kost mit einzelnen, hellen Momenten. Schreibe hat mir jetzt etwas besser gefallen. Etwas weniger Wiederholungen sind diesmal z.B. drin. Mehr als "okay" geht mir da aber nicht über die Lippen. Den Teil sollen sie mal verfilmen und einen fiesen Typen in die Rolle des fiesen Militia-Leaders stecken. Haben sie auch gleich 'ne ausufernde Action-Sequenz mit dem Absturz der Chinook. Reacher ist ja anscheinend zu Beginn noch was softer... so die Szene mit der Klaustrophobie und sowas alles. Frauen-Figuren aber wieder allesamt doof. Was mir - als Mann - natürlich egal ist, aber ich wollt's halt mal erwähnen. Ist schon ziemlicher Macho-Kram im Prinzip :mrgreen: Für actionreiche Verfilmungen taugt das aber schon ausreichend. Die sollen mal weiter machen.

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Julio Sacchi
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Beitrag von Julio Sacchi » So 10. Nov 2013, 12:35

never-go-back-jack-reacher-18.jpg
Schon der Vorgänger A WANTED MAN war ein zwiespältiges Vergnügen, doch dieses Mal legt Lee Child eine Bauchlandung hin: NEVER GO BACK ist der erste richtig schlechte Jack-Reacher-Roman. Nach einem gewohnt knackigen Anfang, der Reacher wieder zu seinen Wurzeln führt, verliert sich Child in einer völlig überkonstruierten Verschwörungsstory, die er in der zweiten Hälfte des Romans mühselig in Endlosdialogen zu entzerren versucht. Zu allem Überfluß wird dem Einzelgänger dieses Mal für das komplette Abenteuer eine Frau zur Seite gestellt, die sich aufführt wie die weibliche Version seiner selbst - da entsteht natürlich keine Reibung im "lovers on the lam"-Klischee. Durch die letzten 100 Seiten musste ich mich unter äußerster Anstrengung bis zum Ende quälen. Dort findet Child wenigstens im letzten Absatz wieder zur Form, aber beruhigen tut mich das nicht. Trist.

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Sylvio Constabel
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Beitrag von Sylvio Constabel » Di 17. Jun 2014, 05:33

Ich bin grad von den Killing Fields zurueck. Bedrueckend und schlimm. Wie erwartet. Ich konnte auch noch Fakten lernen, denen ich mir bisher nicht bewußt war. Ich war über drei Stunden dort. Geführt durch einen Audio-Guide. Wer in Kambodscha ist, sollte sich auch die dunkle Seite des Landes anschauen.
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Bei Sylvio mag ich, er guckt halt auch viel mit dem Herzen. Jimfried Nullinie

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dejin
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Beitrag von dejin » Di 17. Jun 2014, 13:32

Hab ich damals auch mitgenommen. Die Totenschädel-Halle hat ne unangenehme-schaurige Aura.
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Sylvio Constabel
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Beitrag von Sylvio Constabel » Mi 18. Jun 2014, 03:22

Die fand ich eher abgeklärt, in sich geschlossen. Viel krasser fand ich die tatsächlichen Massengräber und den "Killing Tree". :cry:
Bei Sylvio mag ich, er guckt halt auch viel mit dem Herzen. Jimfried Nullinie

Pow Wow
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Beitrag von Pow Wow » Mo 28. Jul 2014, 15:50

THE TROOP

Flotter, schön fieser Wurm-Body-Survivalhorror über eine Gruppe Jugendlicher auf einer verlassenen Insel die mit einer gemeinen Infektion zu kämpfen haben. Im Westen nichts Neues also, dennoch zieht Cutter das straight, spannend und schnörkellos durch. Herrlich eklige Passagen, dazu aufgelockert mit Interviewschnipseln, faken Zeitungsartikeln etc. Der Mann weiß auch, wann gut ist und packt nach 350 Seiten ein. Kann was.

----- Mo 28. Jul 2014, 15:00 -----

NIGHT FILM

Der legitime Nachfolger von Revertes Club Dumas (auf dem ja Polanskis Ninth Gate basiert). Die spannendste, unheimlichste Schnitzeljagd nach einem film maudit (bzw. ouevre maudit), die man sich vorstellen kann. Wohl als Film Noir-Vorbeugung gedacht und manch einem vielleicht allzu bemüht und leicht streberhaft, mutiert das sukzessive zum reinen Horror. Eine wirklich furchterregende Gothic Novel mit einem absolut düsteren Protagonisten, Stanislas Cordoba. Toll!

----- Mo 28. Jul 2014, 15:11 -----

THE LUMINARIES

Vielschichtiges Porträt von Goldsuchern in Neuseeland im 19. Jahrhundert, in einen klassischen Mystery/Whodunit-Plot gegossen. Gesellschaftsportrait, Abenteuerroman und Thriller in einem, einfach ein unglaublich durchdachter und klug aufgebauter Schmöker. Einer von den Romanen, bei denen man sich wünscht, sie mögen nie enden. Hat letztes Jahr völlig zurecht den Booker-Prize kassiert.
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dejin
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Beitrag von dejin » Mo 28. Jul 2014, 19:19

Heute "Du sollst nicht töten - Systematische Überlegungen zum Tötungsverbot" von Wolbert beendet.
Liest sich relativ flott weg für nen moraltheologischen, wissenschaftlichen Schmöker.
Beleuchtet, hinterfragt und fasst die vorherrschenden ethischen Meinungen zusammen. Von der Todesstrafe über Schwangerschaftsabbruch bis zur Euthanasie.
Natürlich unter besonderer Berücksichtigung der Passagen des Katechismus der Katholischen Kirche.
Fein!
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Grisbane
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Beitrag von Grisbane » Mi 3. Sep 2014, 17:07

Waters_Carsick.jpg
John Waters: Carsick
Grundsätzlich natürlich sehr gut. Allerdings muss man John Waters und vor allem seine routines mögen.
Quasi dreigeteilt in erfundene "good rides" und "bad rides" und das abschließende Kapitel der echten Begebenheiten, die Waters beim Trampen durch die Staaten erlebt hat.

Wenig überraschend, dass die "bad rides" zum Teil richtig widerwärtig und die "good rides" ziemlich überdreht sind. Drogen, Blow-Jobs, goiters (das sind Kröpfe - aber ich finde das Wort so fies), extrem militante Tierschützer, Serienmörder und Bücherfreaks bevölkern die erdachten Fahrten. Stets angefüllt mit Verweisen auf Waters' Obsessionen, Filme, Bücher und Freunde.

Wunderbar - und auch anrührend - ist die Geschichte, in der Waters von Edith Massey mitgenommen wird und sich herausstellt, dass sie aufgrund des Ruhms untergetaucht ist und wieder einen Krims-Krams-Laden betreibt - fast genau so wie vor ihrer "Dreamlanders"-Zeit.

Ein klein wenig redundant wird's bei den tatsächlich erlebten Fahrten, denn - welch Wunder - das echte Leben ist dann doch ein bisschen langweiliger, als Waters' Fantasie. Aber: Das tatsächlich Erlebte ist zum Teil sehr warmherzig und meiner Meinung nach erklärt sich so auch, warum dieser Teil am Schluß steht.
Im Grunde also ein John-Waters-Film in Buchform: Witzig, eklig und menschlich.

(Mein Waters-Lieblingsbuch bleibt aber "Role Models".)

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